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VwGH vom 14.11.2013, 2013/17/0056

VwGH vom 14.11.2013, 2013/17/0056

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2013/17/0233 E

2013/17/0191 E

2013/17/0803 E

2013/17/0207 E

2013/17/0384 E

2013/17/0707 E

2013/17/0352 E

2013/17/0341 E

2012/17/0503 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der Bundesministerin für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 06/48/6642/2012-5, betreffend Einziehung nach GSpG (mitbeteiligte Partei: D Vermittlungsgesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom wurde die Einziehung von drei beschlagnahmten Glücksspielgeräten gemäß § 54 GSpG angeordnet.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Mitbeteiligten Folge und behob den Einziehungsbescheid "wegen Unzuständigkeit der Bundespolizeidirektion Wien (nunmehr Landespolizeidirektion Wien)".

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, sie habe auf Grund des dem Verwaltungsstrafverfahren zugrunde liegenden Sachverhalts mit Schreiben vom Anzeige an die zuständige Staatsanwaltschaft Wien wegen des Verdachts der Tatbegehung nach § 168 StGB erstattet. Im Schreiben an die Staatsanwaltschaft verwies die belangte Behörde auf die Angaben der Finanzpolizei sowie die durchgeführten Probespiele und stellte fest, dass es sich bei den verwendeten Geräten um einen Computer, der mit einem Touch Screen Monitor und einem Drucker für Quittungen verbunden gewesen sei, handle, der elektronisch gespeicherte Hunderennen und Pokerspiele ablaufen lasse, "wobei der Spieler einen Mindesteinsatz von EUR 1,-- bis zu einem ein Höchsteinsatz bis zu EUR 50,-- zu leisten" habe. Mit Schreiben vom teilte die zuständige Staatsanwaltschaft der belangten Behörde mit, dass "das Verfahren infolge Verjährung nach § 190 Z 1 StPO eingestellt" worden sei, weil "die vorgeworfenen, gerichtlich strafbaren Tathandlungen des verbotenen Glückspiels gem. § 168 StGB" verjährt seien. Nach Ansicht der belangten Behörde habe die Staatsanwaltschaft "damit aber gleichzeitig implizit ihre und die Zuständigkeit der Bundesjustiz bejaht" und es sei der angefochtene Bescheid von einer unzuständigen Behörde erlassen worden. Da es sich bei der Einziehung - so die belangte Behörde weiter - "jedenfalls überwiegend auch um eine (Neben)strafe" handle, sei der "nunmehrige Bescheid zu erlassen" gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, weil die Einziehung keine Nebenstrafe darstelle, sondern eine schuldunabhängige sachbezogene Unrechtsfolge. Die Einziehung stehe auch nicht im Verhältnis einer Art Subsidiarität zu einem allfälligen gerichtlichen Strafverfahren nach § 168 StGB, bestimme doch § 52 Abs. 2 letzter Satz GSpG ausdrücklich, dass Befugnisse im Rahmen der behördlichen Sicherungsmaßnahmen von einer Subsidiarität unberührt blieben. In der Amtsbeschwerde ist weiters ausgeführt, dass der mögliche Höchsteinsatz bei den Pokerspielen EUR 25,-- betragen habe und "in bestimmten Fällen" eine Einsatzleistung in der Höhe von EUR 50,-- möglich gewesen sei. Ein Nachweis für tatsächlich geleistete Einsätze in der Höhe von mehr als EUR 10,-- habe nicht festgestellt werden können.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die Mitbeteiligte eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des GSpG, BGBl. 620/1989, in der hier anzuwenden Fassung BGBl. I. Nr. 50/2012 lauten:

"STRAF- UND VERFAHRENSBESTIMMUNGEN

Behörden und Verfahren

§ 50. (1) Für Strafverfahren und Betriebsschließungen nach diesem Bundesgesetz sind in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörden, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, die Landespolizeidirektion, und in zweiter Instanz die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß § 51 Abs. 1 VStG zuständig. (…)

Verwaltungsstrafbestimmungen

§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,

1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt; (…)

(2) Werden in Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von über 10 Euro von Spielern oder anderen geleistet, so handelt es sich nicht mehr um geringe Beträge und tritt insoweit eine allfällige Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurück. Die Befugnisse der Organe der öffentlichen Aufsicht gemäß § 50 Abs. 2 sowie die Befugnisse im Rahmen der behördlichen Sicherungsmaßnahmen nach §§ 53, 54 und 56a bleiben davon unberührt. (…)

Einziehung

§ 54. (1) Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, sind zur Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 einzuziehen, es sei denn der Verstoß war geringfügig.

(2) Die Einziehung ist mit selbständigem Bescheid zu verfügen. Dieser ist all jenen der Behörde bekannten Personen zuzustellen, die ein Recht auf die von der Einziehung bedrohten Gegenstände haben oder ein solches geltend machen und kann, soweit die Einziehung betroffen ist, von ihnen mit Berufung angefochten werden. Kann keine solche Person ermittelt werden, so hat die Zustellung solcher Bescheide durch öffentliche Bekanntmachung zu erfolgen. (…)"

Der seit Erlassung des Strafgesetzbuches, BGBl. 60/1974,

unveränderte § 168 StGB lautet:

"Glücksspiel

§ 168. (1) Wer ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen, oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird.

(2) Wer sich gewerbsmäßig an einem solchen Spiel beteiligt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen."

2.1. Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Befugnisse im Rahmen der behördlichen Sicherungsmaßnahmen nach den §§ 53, 54 und 56a GSpG von der in § 52 Abs. 2 erster Satz leg. cit. getroffenen Subsidiaritätsregelung unberührt bleiben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2011/17/0097, und vom , Zl. 2011/17/0110).

Diese Ansicht teilt auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. G 4/12, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (s. dort den Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/17/0097) und auf die Gesetzesmaterialien zur GSpG-Novelle 2010 (RV 981 BlgNR 24. GP 148), denen zu Folge durch die Einfügung des Verweises auf § 53 in § 52 Abs. 2 GSpG klar gestellt werden sollte, dass "bei Kontrollhandlungen, die (auch) einen Verdacht einer Übertretung des § 168 StGB ergeben, eine allenfalls von den Kontrollorganen vorgenommene vorläufige Sicherstellung der Eingriffsgegenstände gemäß § 52 Abs. 2 GSpG mittels Beschlagnahmeverfahren durch die Behörde beschlossen und in der Folge mittels Einziehungsverfahren zur Verhinderung weiterer Übertretungen beendet werden kann".

2.2. Mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/17/0249, hat sich der Verwaltungsgerichtshof der in dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , B 422/2013, dargelegten Rechtsansicht zur Auslegung der Subsidiaritätsklausel des § 52 Abs. 2 1. Satz GSpG, angeschlossen, dass bei einer verfassungskonformen, das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK berücksichtigenden Auslegung darauf abzustellen sei, ob derjenige, der eine Ausspielung etwa mit einem Glücksspielapparat oder Glücksspielautomaten bzw. mit einem darauf installierten Programm veranstalte, organisiere, anbiete oder unternehmerisch zugänglich mache, dabei Einsätze von höchstens EUR 10,-- oder mehr als EUR 10,-- ermögliche. Der Verwaltungsgerichtshof ist insoweit auch von der im hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2012/17/0365 und 0366, in Fortführung seiner Rechtsprechung zur Subsidiarität der Straftatbestände nach § 52 Abs. 1 GSpG gegenüber der Strafbarkeit nach § 168 StGB geäußerten Rechtsauffassung abgegangen, der Fortsetzung des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens hinsichtlich jener Spiele, bei denen mit einem Einsatz von bis zu EUR 10,-- gespielt worden sei, stehe Art. 4 7. ZPMRK nicht entgegen. Vielmehr folgt der Verwaltungsgerichtshof (nunmehr) der Auffassung, das Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder unternehmerisch Zugänglichmachen von verbotenen Ausspielungen, bei denen Einsätze bis zu EUR 10,-- geleistet werden können, erschöpfe sich vollständig in dem (gleichzeitig) gemäß § 168 Abs. 1 StGB strafbaren Verhalten in Bezug auf Glücksspiele mit Einsätzen über EUR 10,--.

Das bedeutet, dass für den Fall der Verwirklichung des Straftatbestandes des § 168 StGB wegen der Ermöglichung von Ausspielungen mit Einsätzen von über EUR 10,-- kein Raum für eine weitere Verfolgung wegen des Verdachts einer Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG bleibt (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2012/17/0507 mit weiteren Nachweisen).

2.3. Voraussetzung für eine Einziehung nach § 54 Abs. 1 GSpG ist, dass es sich hiebei um Gegenstände handelt, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat hiezu mit Erkenntnis vom , Zl. 2011/17/0323, unter den Punkten 2.3.3. und 2.3.4. ausgesprochen:

"2.3.3. Auch wenn die Einziehung nach § 54 GSpG unabhängig von einer Bestrafung eines Beschuldigten vorgesehen ist und nach den Erläuterungen zu § 54 GSpG in der Fassung BGBl. I Nr. 73/2010 eine Sicherungsmaßnahme und keine Strafe darstellen soll (657 BlgNR 24. GP, zu Z 20 und 24 (§ 54 und § 60 Abs. 25 GSpG)), hängt sie doch gemäß § 54 Abs. 1 GSpG von der Verwirklichung eines objektiven Tatbilds nach § 52 Abs. 1 GSpG ab, da sie voraussetzt, dass mit dem von der Einziehung betroffenen Gegenstand 'gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird' und der Verstoß überdies nicht geringfügig sein durfte. Auch wenn in den erwähnten Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Novelle zum GSpG mit BGBl. I Nr. 73/2010 hervorgehoben wird, dass kein Zusammenhang zu 'dem' Strafverfahren bestehe und die Einziehung 'auch neben etwaigen Strafverfahren vor den Strafgerichten nach § 168 StGB von den Bezirksverwaltungsbehörden' zu verfügen sei, setzt sie somit nach dem Wortlaut des Gesetzes doch die Verwirklichung eines der Tatbestände des § 52 Abs. 1 GSpG voraus. ...

2.3.4. Im Hinblick auf die genannte Tatbestandsvoraussetzung der Verwirklichung des objektiven Tatbestands eines der Tatbilder des § 52 Abs. 1 GSpG unterscheidet sich das Einziehungsverfahren nach § 54 GSpG auch von einem Beschlagnahmeverfahren mit Sicherungsfunktion wie es etwa dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/07/0038, VwSlg 17.411/A (zu § 29 Abs. 1 und 4 Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, der als Voraussetzung für die Beschlagnahme von Gegenständen (nur) voraussetzt, dass 'der begründete Verdacht besteht, dass sie nicht den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entsprechen'), zu Grunde lag."

Eine Beschlagnahme setzt gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a GSpG lediglich den Verdacht des Verstoßes mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 voraus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/17/0223). Zur Beschlagnahme hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 2012/17/0507, ausgesprochen, dass nach Feststehen der Möglichkeit zur Überschreitung der Einsatzhöhe von EUR 10,-- vom Vorliegen der ausschließlichen Gerichtszuständigkeit auszugehen ist, weshalb in solchen Fällen auch nicht länger die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden besteht (vgl. Punkt 3.4.2. des zitierten Erkenntnisses).

Wenn schon nicht einmal (mehr) der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung vorliegt, sondern betreffend verbotene Ausspielungen aufgrund der Einsatzhöhe bereits erwiesen ist, dass für das Strafverfahren (ausschließlich) gerichtliche Zuständigkeit besteht, kann aufgrund der erwähnten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Subsidiarität des Verwaltungsstraftatbestandes des § 52 Abs. 1 GSpG umso weniger ein (tatsächlicher) Verstoß gegen eines seiner Tatbilder angenommen werden. Die Einziehung zur Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG wäre somit unzulässig.

2.4. Für den vorliegenden Beschwerdefall bedeutet dies Folgendes:

Auch wenn nicht schon - wie von der belangten Behörde unzutreffend angenommen - aus der erfolgten Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens wegen Verjährung implizit die gerichtliche Zuständigkeit abgeleitet werden kann, ist im vorliegenden Beschwerdefall ausgehend von der unbestritten gebliebenen Feststellung, wonach auf den gegenständlichen Geräten mit Einsätzen von über EUR 10,-- gespielt werden konnte, im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung zur Subsidiarität des Verwaltungsstraftatbestandes nach § 52 Abs. 1 GSpG davon auszugehen, dass nicht eines seiner Tatbilder, sondern der Tatbestand des § 168 StGB erfüllt ist.

Die belangte Behörde hat auf Grund des vorliegenden Sachverhalts somit im Ergebnis zu Recht der Berufung der mitbeteiligten Partei Folge gegeben und den erstinstanzlichen Einziehungsbescheid wegen Unzuständigkeit aufgehoben.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am