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VwGH vom 18.05.2016, 2013/17/0048

VwGH vom 18.05.2016, 2013/17/0048

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Dr. Leonhartsberger und Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Beschwerde der HS in R, vertreten durch Dr. Philipp Mödritscher, Rechtsanwalt in 9620 Hermagor, Hafnergasse 1, gegen den Bescheid der Dienststelle für Landesabgaben beim Amt der Kärntner Landesregierung vom , LABG-FV-1036/6/12, betreffend Fremdenverkehrsabgabe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom stufte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Radenthein (in Folge: Behörde erster Instanz) die Beschwerdeführerin gemäß §§ 3, 4 und 9 Fremdenverkehrsabgabegesetz 1994 (K-FVAG), LGBl Nr 59/1994, auf Grund der aus dem Betrieb ihres Gasthofes (§ 189 Abs 1 Z 1 bis Z 4 GewO 1973) erzielten Einkünfte in die Abgabengruppe A ein und schrieb ihr dafür für die Jahre 2005 bis 2009 Fremdenverkehrsabgabe von insgesamt EUR 3.358,13 vor.

2 Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie ausführte, sie betreibe seit keine Zimmervermietung mehr. Seit 2004 habe sie einen Vertrag mit dem Land Kärnten zur Beherbergung von Asylwerbern jeden Alters. Weiters bringe sie auch Minderjährige "im Rahmen eines gelinderen Mittels" in ihrem Haus unter. Keines der Kinder- und Sozialheime zahle Fremdenverkehrsabgabe; andere Bundesländer würden gleichgelagerten Betrieben auch keine Fremdenverkehrsabgabe vorschreiben. Unter Zugrundelegung der Auffassung der Behörde erster Instanz müssten auch Gefängnisse, die Caritas und die Diakonie diese Abgabe leisten.

3 Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung beantragte die Beschwerdeführerin mit Schreiben von die Vorlage der Berufung und verwies auf eine von ihr eingeholte Stellungnahme der Wirtschaftskammer Kärnten.

4 In dieser Stellungnahme wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin betreibe zwar einen Gasthof im Sinne der Anlage A des K-FVAG, sie ziehe jedoch aus ihrer Tätigkeit im Zusammenhang mit der Unterbringung von Asylwerbern tatsächlich keinen Nutzen aus dem Fremdenverkehr. Im Gegenteil: Touristen wie Einheimische würden derartige Betriebe meiden, sodass diese Unterbringungstätigkeit ihr touristisch sogar schade. Dies lasse sich auch daran erkennen, dass der sonstige Umsatz der Beschwerdeführerin in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen sei.

5 Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und setzte die Fremdenverkehrsabgabe für die Jahre 2005 bis 2009 mit insgesamt EUR 4.586,85 neu fest. Begründend führte sie aus, dass zumindest die Hauptleistungen aus dem Vertrag mit dem Land Kärnten, nämlich die Beherbergung, Verpflegung und Betreuung der Fremden als Gäste, als typische Tätigkeiten bzw Leistungen von Beherbergungsbetrieben, die in der Abgabegruppe A der Anlage zum K-FVAG aufgezählt seien, zu qualifizieren seien und somit der Rechtsvermutung des § 4 Abs 1 K-FVAG unterliegen würden. Zudem erziele die Beschwerdeführerin weitere Umsätze aus gastgewerblicher Tätigkeit, die ihren eigenen Angaben folgend nicht im Zusammenhang mit der Unterbringung der Asylwerber stünden (ua Getränke-, Zigaretten-, und Küchenumsätze an Laufkundschaft, Bewirtung auf Vorbestellung für Veranstaltungen, geschlossene Gesellschaften etc). Zumindest im Hinblick auf diese mit der Laufkundschaft erzielten Umsätze sei jedenfalls von einem mittelbaren Nutzen aus dem Fremdenverkehr auszugehen. Insgesamt seien aber alle Umsätze, die die Beschwerdeführerin am Standort ihres Gasthofes erwirtschafte, ihrer gastgewerblichen Tätigkeit zuzurechnen. Eine getrennte Beurteilung der Umsätze aus der Unterbringung von Asylwerbern und der sonstigen Umsätze hinsichtlich des aus dem Fremdenverkehr gezogenen Nutzens sei nach der Judikatur des VwGH nicht möglich (Hinweis auf ).

6 Der von der Behörde erster Instanz gewährte Abzug für Küchenumsätze gemäß § 5a Abs 2 K-FVAG sei nicht gerechtfertigt gewesen, da dieser nur dann vorgesehen sei, wenn ein Gast- und Schankgewerbebetrieb mittags und abends ohne Einschränkung auf bestimmte Personen Gäste verköstige. Die Beschwerdeführerin verköstige mittags und abends aber nur die im Haus aufgenommenen Asylwerber. Sonstige Gäste bewirte die Beschwerdeführerin nur auf Vorbestellung mit Imbissen.

7 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin inhaltliche Rechtswidrigkeit und die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

8 Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde gegen Ersatz der Kosten als unbegründet abzuweisen.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

11 Gemäß Art 4 Abs 1 Z 1 und Z 4 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art 15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde (Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen) in Österreich (Grundversorgungsvereinbarung), BGBl I Nr 80/2004, zählen zu den Aufgaben der Länder im Rahmen der Grundversorgung unter anderem die Versorgung der von der Koordinationsstelle (des Bundes) zugewiesenen Asylwerber sowie die Schaffung und Erhaltung der dafür erforderlichen Infrastruktur.

12 In Umsetzung dieser Bestimmung definiert § 3 Abs 1 Kärntner Grundversorgungsgesetz (K-GrVG), LGBl Nr 43/2006, den Umfang der Grundversorgung, darunter die Unterbringung hilfs- und schutzbedürftiger Fremder in geeigneten Unterkünften (lit a ) und die Versorgung mit angemessener Verpflegung (lit b). Gemäß § 2 Abs 7 leg cit kann sich das Land bei der Versorgung sowie bei der Schaffung und Erhaltung der nötigen Infrastruktur humanitärer, kirchlicher oder privater Einrichtungen oder Institutionen der freien Wohlfahrtspflege bedienen. Diese werden dann für die Landesregierung tätig und haben ihr über Aufforderung oder bei sonstiger Notwendigkeit zu berichten. Sie sind an die Weisungen der Landesregierung gebunden. Die beauftragten Einrichtungen haben die bei der Erfüllung der übertragenen Aufgaben eingesetzten Dienstnehmer vertraglich zur Verschwiegenheit zu verpflichten.

13 Das Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz 1994 (in Folge: K-FVAG), LGBl Nr 59/1994 (WV; Buchstabenabkürzung und § 7 idF LGBl Nr 51/2002), lautet (auszugsweise):

"...

§ 3

Abgabenpflicht

(1) Die selbständig Erwerbstätigen (natürliche und juristische Personen, Personengemeinschaften), die aus dem Fremdenverkehr Nutzen ziehen und Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z. 1, 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes 1972 erzielen, haben eine jährliche Fremdenverkehrsabgabe zu leisten. Einkünfte aus Privatzimmervermietung und Einkünfte aus dem Betrieb eines Campingplatzes sind Einkünften aus Gewerbebetrieben gleichzuhalten.

...

§ 4

Rechtsvermutung

(1) Wird von einem selbständig Erwerbstätigen (§ 3) eine der in den Abgabegruppen der Anlage aufgezählten oder eine ähnliche Tätigkeit ausgeübt, so besteht die Vermutung, daß er Nutzen aus dem Fremdenverkehr zieht.

(2) Zieht ein selbständig Erwerbstätiger (§ 3), der eine der in der Anlage aufgestellten Tätigkeiten oder eine ähnliche Tätigkeit ausübt, aus dem Fremdenverkehr keinen Nutzen, so hat er dies glaubhaft zu machen.

§ 5

Abgabepflichtiger Umsatz

(1) Der abgabepflichtige Umsatz ist die Summe der steuerbaren Umsätze nach § 1 Abs 1 Z. 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1972. ...

...

§ 7

Befreiung

Von der Abgabepflicht sind befreit:

a) der Bund, die Länder, die Gemeinden und die Gemeindeverbände;

...

d) Unternehmen, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 32 bis 46 der Landesabgabenordnung 1991);

...

§ 8

Abgabenerklärung

(1) Der selbständig Erwerbstätige (§ 3) hat alljährlich über den im zweitvorangegangenen Jahr erzielten abgabepflichtigen Umsatz bis spätestens Ende März eine Abgabenerklärung, getrennt nach Abgabegruppen, abzugeben. ...

...

Abgabegruppe A

...

Beherbergungsbetriebe

...

Gast- und Schankgewerbebetriebe in allen Betriebsformen

..."

14 Durch das Gesetz vom , mit dem das Fremdenverkehrsabgabegesetz 1994 geändert wird, LGBl Nr 95/2005, wurde in § 3 Abs 1 K-FVAG, die Jahreszahl "1972" durch das Zitat "1988, BGBl. Nr. 400" ersetzt. Nach Art II Abs 1 leg cit trat dieses Gesetz mit in Kraft. Weiters wurde im Einleitungssatz des § 5 Abs 1 K-FVAG die Bezugnahme auf Bestimmungen "des Umsatzsteuergesetzes 1972" durch die Bezugnahme auf Bestimmungen "des Umsatzsteuergesetzes 1994 (UStG 1994), BGBl. Nr. 663" ersetzt, wobei diese geänderte Fassung "erstmals auf Abgabenerklärungen anzuwenden (ist), die in dem mit dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes beginnenden Kalenderjahr abzugeben sind" (Art II Abs 2 des LGBl Nr 95/2005). Überdies wurde durch die genannte Novelle im § 8 Abs 1 K-FVAG das Wort "Jahr" durch "Kalenderjahr" ersetzt und nach dem Wort "abzugeben" die Wortfolge "soweit die §§ 5a und 5b nichts abweichendes bestimmen" eingefügt.

15 Die Beschwerdeführerin verfügte im Streitzeitraum unstrittig über eine Gewerbeberechtigung zum Betrieb eines Gasthofes. Sie erzielte im Wesentlichen Umsätze aus der Unterbringung von Asylwerbern im Rahmen der Grundversorgung, die von ihr auch verpflegt wurden, sowie im geringeren Umfang aus der Bewirtung von "Laufkundschaft" und geschlossenen Gesellschaften mit Imbissen und Getränken.

16 Strittig ist ausschließlich, ob die erstgenannte Tätigkeit der Kärntner Fremdenverkehrsabgabe unterliegt. Die Beschwerdeführerin bestreitet dies mit dem Vorbringen, die Umsätze, die sie im Rahmen der Grundversorgung von Asylwerbern erbracht habe, seien auf keinen Nutzen aus dem Fremdenverkehr zurückzuführen.

17 In der Anlage zum K-FVA sind sowohl "Beherbergungsbetriebe" als auch "Gast- und Schankgewerbebetriebe in allen Betriebsformen" in der Abgabegruppe A der Anlage zum K-FVAG aufgezählt.

18 Unstrittig ist, dass die Bewirtung der sog Laufkundschaft mit Getränken und Imbissen bzw die Bewirtung geschlossener Gesellschaften als eine Tätigkeit im Rahmen eines Gast- und Schankgewerbebetriebes zu beurteilen ist.

19 Allerdings stellt sich die Frage, ob die Unterbringung von Asylwerbern im Rahmen der Grundversorgung als Beherbergung von Gästen im Rahmen eines in der Abgabengruppe A der Anlage zum K-FVAG genannten Beherbergungsbetriebes anzusehen ist. Der belangten Behörde ist darin zuzustimmen, dass sich aus den von ihr getroffenen Feststellungen sowie (aus) dem in den Verwaltungsakten enthaltenen Vertrag mit dem Land Kärnten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ein solcher Beherbergungsbetrieb vorliegen könnte (entgeltliche Zurverfügungstellung von Wohnraum zum Zwecke des vorübergehenden Aufenthaltes, verbunden mit in einem Betrieb der Fremdenbeherbergung üblichen Dienstleistungen).

20 Allerdings ist auch darauf Bedacht zu nehmen, dass bei einem Betrieb, der - nach den Feststellungen der belangten Behörde - ausschließlich Asylwerber im Rahmen der Grundversorgung beherbergt, aus dem Tourismus regelmäßig kein Nutzen gezogen wird. Wie auch im Fall des Betriebes eines Obdachlosenheims, der dem hg Erkenntnis vom , 88/17/0184, zugrunde liegt, muss aus diesem Grund (dies ergibt sich schon aus den im Gesetz selbst vorgesehenen Ausnahmen bzw befreiten Umsätzen abzuleitenden Wertungen) auch im vorliegenden Beschwerdefall eine teleologische Reduktion einer im Gesetz enthaltenen zu weit gefassten Regel in der Art und Weise vorgenommen werden, dass die entsprechende gesetzliche Bestimmung auf den ihr nach dem im Gesetz selbst definierten Zweck beschränkt ist. Daraus ergibt sich aber, dass ein Betrieb, der ausschließlich Asylwerber beherbergt, mangels Nutzens, der aus dem Fremdenverkehr gezogen wird (§ 4 Abs 2 K-FVAG) nicht als Beherbergungsbetrieb im Sinne der Abgabegruppe A der Anlage zum K-FVAG anzusehen ist.

21 Indem die belangte Behörde dies verkannte und die Unterbringung von hilfs- und schutzsuchenden Fremden im Rahmen der Grundversorgung als Beherbergungsbetrieb iSd der Anlage A des K-FVAG beurteilte, belastete sie ihre Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

22 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG aF iVm § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 idF BGBl II Nr 8/2014.

Wien, am