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VwGH vom 14.11.2012, 2011/08/0032

VwGH vom 14.11.2012, 2011/08/0032

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und den Hofrat MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des M S in L, vertreten durch Dr. Georg Lehner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Südtirolerstraße 12a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-252656/2/Sr/Sic, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Angelegenheit eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem ASVG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als Gewerbeinhaber der Firma P zu verantworten, dass von dieser Firma als Arbeitgeber der tschechische Staatsbürger H von bis als Pizzazusteller beschäftigt worden sei, obwohl dieser nicht zur Pflichtversicherung in der Krankenversicherung beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet worden sei. Er habe dadurch die Verwaltungsvorschriften des § 33 Abs. 1 und Abs. 1a iVm § 111 ASVG verletzt; gemäß § 111 ASVG wurde über den Beschwerdeführer eine Strafe von EUR 730,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 112 Stunden) verhängt.

Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer (rechtsanwaltlich vertreten) die neuerliche Zustellung (u.a.) des Straferkenntnisses vom ; hilfsweise beantragte er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis und erhob gleichzeitig Berufung. Dem Beschwerdeführer sei nicht bekannt gewesen, dass Zustellversuche oder eine Hinterlegung erfolgt seien. Selbst wenn Ankündigungen bzw. Verständigungen über die Hinterlegung in den Hausbriefkasten eingelegt worden sein sollten, seien diese offenbar ohne Verschulden des Beschwerdeführers abhandengekommen. Der Beschwerdeführer halte sich in der Zeit, in der üblicherweise Zustellungen erfolgten, praktisch immer in der Betriebsstätte seines Unternehmens auf. An der Zustellanschrift halte sich zu dieser Zeit nur die Ehefrau des Beschwerdeführers auf; diese leere immer das Postfach aus und habe zu keiner Zeit eine Verständigung über Zustellversuche und/oder die Hinterlegung von Schriftstücken vorgefunden. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe ihn daher auch nicht darüber informieren können, dass irgendwelche Schriftstücke hinterlegt worden wären bzw. dass irgendwelche Schriftstücke beim Postamt abzuholen wären. Der Beschwerdeführer sei somit durch ein unvorhergesehenes und für ihn unabwendbares Ereignis ohne sein Verschulden an der Einbringung von Berufungen verhindert gewesen. Der Beschwerdeführer habe erstmals im Rahmen einer Akteneinsicht am festgestellt, dass zwei Straferkenntnisse jeweils vom und zwei Vollstreckungsverfügungen vom existierten. Im Rahmen der Berufung machte er geltend, H verrichte seine Zustelltätigkeiten als selbständiger Unternehmer auf Basis eines Werkvertrages für den Beschwerdeführer. Die wesentlichen Betriebsmittel für die Durchführung der Zustelltätigkeiten (insbesondere der PKW, die Handkassa, usw.) stünden im Eigentum des H und dieser unterliege keinen Weisungen des Beschwerdeführers; er könne seine Arbeitszeit und seine Arbeitsabläufe frei einteilen. Es stehe ihm frei, auch für andere Unternehmen Zustelltätigkeiten oder sonstige Tätigkeiten auszuführen. H könne sich auch vertreten lassen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom wurde dem Antrag vom keine Folge gegeben und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis vom nicht bewilligt.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung, welcher mit Bescheid der belangten Behörde vom Folge gegeben wurde; der Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom wurde aufgehoben. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Bürgermeister habe nicht über den Primärantrag (Antrag auf Zustellung), sondern lediglich über den Eventualantrag (Antrag auf Wiedereinsetzung) abgesprochen. Werde ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalles erledigt, belaste dies die Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit.

Mit Bescheid des Bürgermeisters vom wurden die Anträge des Beschwerdeführers vom "abgewiesen, es wird diesen keine Folge gegeben und 1. das Straferkenntnis und die Vollstreckungsverfügung nicht neuerlich zugestellt und 2. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom , … , nicht bewilligt."

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom hinsichtlich Spruchpunkt 1 (Abweisung des Antrags auf neuerliche Zustellung) als unbegründet ab, gab aber der Berufung hinsichtlich Spruchpunkt 2 (Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) Folge und hob den erstinstanzlichen Bescheid insoweit auf. Begründend führte die belangte Behörde - hinsichtlich des Wiedereinsetzungsantrages - aus, der Bürgermeister habe zwar nunmehr über den Primärantrag abgesprochen. Da diese Entscheidung jedoch noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei, sei dem Bürgermeister eine Entscheidung über den Eventualantrag mangels Zuständigkeit verwehrt gewesen.

Mit weiterem Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom als verspätet zurück.

Mit Bescheid vom gab der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz dem Antrag des Beschwerdeführers vom keine Folge und bewilligte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis vom nicht. Begründend führte der Bürgermeister im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei vom "Exekutor" spätestens am mittels Vollstreckungsauftrages von den anhängigen Verfahren informiert worden. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe bei der Einvernahme zumindest die Kenntnis von einer Vollstreckungsverfügung erlangt. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei anzunehmen, dass Eheleute sich im Exekutionsfalle darüber absprechen würden, dies sei offensichtlich auch im Hinblick auf die bevorstehende Vorsprache der Ehefrau des Beschwerdeführers beim "Exekutor" erfolgt (die Ehefrau habe eine sehr konkrete Ratenvereinbarung in Aussicht gestellt). Der Beschwerdeführer habe keine weiteren Beweismittel, die Zustellfehler belegen würden, vorbringen können. Es könnte zwar einmal eine Zustellung nicht erfolgreich sein, es sei jedoch unglaubwürdig, dass sämtliche Zustellungen in zwei Strafverfahren nicht wirksam vollzogen würden. Die Ausführungen des Beschwerdeführers seien daher als Schutzbehauptungen zu werten und reichten jedenfalls nicht, einen Wiedereinsetzungsantrag zu begründen.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung und beantragte die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung. Der Beschwerdeführer machte unter anderem geltend, selbst wenn Ankündigungen bzw. Verständigungen über die Hinterlegung in den Hausbriefkasten eingelegt worden sein sollten, so seien diese offenbar ohne Verschulden des Beschwerdeführers abhandengekommen; im Haus wohnten zahlreiche Parteien, sodass derartiges leicht vorkommen könne. Der Beschwerdeführer beantragte, die Verwaltungsbehörde zweiter Instanz möge zum Beweis seines gesamten Vorbringens sowohl ihn als auch seine Ehefrau (diese als Zeugin) einvernehmen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung - ohne eine Berufungsverhandlung durchzuführen - als unbegründet ab.

Begründend führte die belangte Behörde zunächst aus, der unabhängige Verwaltungssenat könne gemäß § 51e Abs. 4 VStG trotz Parteienantrags von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung absehen, da bereits aufgrund der Aktenlage erkennbar sei, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lasse und diese nur zu unberechtigten Verzögerungen des Verfahrens führen würde. Dem stehe auch nicht Artikel 6 EMRK entgegen; die Anforderungen des Artikels 6 EMRK seien auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung erfüllt, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder technische Fragen betreffe; diese Voraussetzung liege vor.

Das Finanzamt habe am gegen den Beschwerdeführer Anzeige wegen Verdachts der Übertretung des § 33 Abs. 1 iVm § 111 ASVG erstattet. Mit Schreiben vom , zugestellt durch Hinterlegung am , sei der Beschwerdeführer vom Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz aufgefordert worden, sich zum Vorwurf zu rechtfertigen. Dieser Aufforderung sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Mit Straferkenntnis vom habe der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz den Beschwerdeführer schuldig erkannt, eine Verwaltungsübertretung nach § 33 Abs. 1 und 1a iVm § 111 ASVG begangen zu haben, und habe über ihn eine Geldstrafe von EUR 730,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 112 Stunden) verhängt. Das Straferkenntnis sei dem Beschwerdeführer am mittels RSa-Briefes an seine Wohnadresse durch Hinterlegung zugestellt worden, wobei am eine Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt worden sei. Zwischen 27. und sei der Beschwerdeführer vom "Vollstrecker" des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz an seiner Abgabestelle aufgesucht worden. Da er nicht angetroffen worden sei, habe der "Vollstrecker" ein Schreiben hinterlassen, in welchem der Beschwerdeführer auf die offenen Forderungen hingewiesen und um Kontaktaufnahme ersucht worden sei. Aufgrund der Verständigung sei die Ehefrau des Beschwerdeführers am bei der erstinstanzlichen Behörde erschienen. Diese sei auf die offenen Strafen des Beschwerdeführers hingewiesen worden; der "diesbezügliche Vollstreckungsauftrag" sei ihr übergeben worden. Am sei der Beschwerdeführer bei der erstinstanzlichen Behörde erschienen; ihm sei der "Akt" persönlich ausgehändigt worden.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, die Tatsache, dass die Verständigung über die Hinterlegung des Straferkenntnisses in das Hausbrieffach des Beschwerdeführers eingelegt worden sei, ergebe sich aus den vorliegenden Zustellformularen, in denen jeweils das Datum der Verständigung angegeben, der Punkt "in das Hausbrieffach" angekreuzt und die Angaben vom Zustellorgan durch Paraphe bestätigt worden seien. Eine dieses Beweisergebnis entkräftende Behauptung sei vom Beschwerdeführer nicht erhoben worden. Auch eine Zeugenaussage der Ehefrau des Beschwerdeführers sei nicht erforderlich gewesen, sofern sie nicht in lebensferner Betrachtung an den fraglichen Tagen während der gesamten Zeit, in der gewöhnlich Zustellungen erfolgten, das Hausbrieffach überwacht habe und somit zuverlässige Angaben darüber machen könnte, dass vom Zustellorgan keine Verständigungen eingelegt worden seien. Die Behauptung des Beschwerdeführers, dass die Verständigungen in weiterer Folge ohne Wissen und ohne ein über einen minderen Grad hinausgehendes Versehen des Beschwerdeführers aus dem Hausbrieffach entfernt worden seien, bevor der Beschwerdeführer bzw. seine mit der Brieffachentleerung betraute Ehefrau davon Kenntnis erlangt hätten, sei vom Beschwerdeführer lediglich mit der allgemein gehaltenen Feststellung gestützt worden, dass sich mehrere Parteien im Haus befänden. Woraus sich konkret Hinweise für die Entfernung der Verständigungen durch Unbefugte ergeben würden, sei nicht vorgebracht worden, weshalb dieses unabwendbare Ereignis nicht als glaubhaft gemacht anzusehen sei.

Im Antrag auf Wiedereinsetzung sei konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das den Antragsteller an der Einhaltung der Frist gehindert habe; dieser behauptete Wiedereinsetzungsgrund sei auch glaubhaft zu machen, was aber als Grundlage ein entsprechendes Vorbringen voraussetze. Diesem Konkretisierungsgebot habe das auf Wiedereinsetzung gerichtete Vorbringen in der Eingabe des Beschwerdeführers vom keinesfalls entsprochen, habe sich dieses doch auf die bloße Tatsachenbehauptung beschränkt, der Beschwerdeführer habe keine Kenntnis von einer Hinterlegungsanzeige genommen, welche er mit der bloßen Rechtsbehauptung verbunden habe, ihn treffe kein oder allenfalls nur ein minderer Grad des Versehens. Es stehe fest, dass bei der Zustellung des Straferkenntnisses die Hinterlegungsanzeige in den innerhalb des Wohnhauses befindlichen Hausbriefkasten des Beschwerdeführers eingelegt worden sei. Der Beschwerdeführer gebe zu bedenken, dass es in einem Haus mit mehreren Parteien möglich sein könne, dass eine Hinterlegungsverständigung abhanden komme. Im Ermittlungsverfahren sei jedoch nicht hervorgekommen, dass die Verschließung dieses Hausbriefkastens unzureichend gewesen wäre, oder auch dass er gewaltsam geöffnet und aus ihm Schriftstücke entwendet worden seien. Der Beschwerdeführer lasse auch unbestritten, dass außer ihm, seiner Frau und dem Briefträger niemand das Postfach geöffnet habe. Damit stehe aber fest, dass die Hinterlegungsanzeige - denknotwendig - in die Gewahrsame des Beschwerdeführers (bzw. seiner Ehefrau) gelangt sein müsse.

Stehe fest, dass eine Hinterlegungsanzeige in die Gewahrsame der Partei, für welche sie bestimmt sei, gelangt sei, dann müsse davon ausgegangen werden, dass diese Partei in der Lage gewesen sei, den Zustellvorgang in Gestalt der Hinterlegungsanzeige wahrzunehmen. Es wäre daher Sache des Beschwerdeführers gewesen, jene Umstände aus seinem persönlichen Lebensbereich genau darzulegen, aus denen sich konkrete Anhaltspunkte dafür erkennen ließen, dass er von einem in seine Gewahrsame gelangten Poststück aus bestimmten, keine auffallende Sorglosigkeit begründenden Umständen keine Kenntnis habe erlangen können. Die "Unerklärlichkeit" des Verschwindens der in seine Gewahrsame gelangten Hinterlegungsanzeige und das Aufzeigen der abstrakten Möglichkeit des Abhandenkommens gehe zu Lasten des Beschwerdeführers, dem es im Wiedereinsetzungsverfahren obliege, einen solchen Hinderungsgrund an der Wahrnehmung der Frist geltend bzw. glaubhaft zu machen, der nicht durch ein leichte Fahrlässigkeit übersteigendes Verschulden herbeigeführt worden sei.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit den Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

§ 51e VStG (idF BGBl. I Nr. 65/2002) lautet (auszugsweise):

"(1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn

1. der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, daß der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;

2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn

1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder


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2.
sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder
3.
im angefochtenen Bescheid eine 500 EUR nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder
4.
sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet
und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten läßt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.

(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

(…)"

2. Die Berufung des Beschwerdeführers wandte sich gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/03/0378). § 51e Abs. 4 VStG - auf welche Bestimmung sich die belangte Behörde stützt - gilt aber nur dann, wenn der unabhängige Verwaltungssenat im Zuge eines Verwaltungsstrafverfahrens selbst einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, nicht jedoch bei Berufungen gegen verfahrensrechtliche Bescheide (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2010/09/0215, und vom , Zl. 2004/02/0322, je mwN).

Ein Fall des § 51e Abs. 2 VStG liegt nicht vor. Nach § 51e Abs. 3 Z 4 VStG könnte der unabhängige Verwaltungssenat von einer Berufungsverhandlung, wenn sich die Berufung - wie hier - gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet, aber nur dann absehen, wenn keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Hier hat freilich der Beschwerdeführer in der Berufung die Durchführung einer Verhandlung beantragt.

Der Beschwerdeführer hatte in der Berufung die Sachverhaltsannahmen der Behörde erster Instanz (welche sich im Übrigen im Wesentlichen auf die nicht mehr zu prüfende Frage der ordnungsgemäßen Zustellung, nicht aber auf die Wiedereinsetzung bezogen) und die Annahme eines ihm zuzurechnenden Verschuldens bestritten. Der Beschwerdeführer hatte als Wiedereinsetzungsgrund im gesamten Verfahren (bereits im Schriftsatz vom ) geltend gemacht, die Hinterlegungsanzeige sei (falls sie überhaupt in das Postfach eingelegt worden sei, was im nunmehrigen Verfahrensstadium im Hinblick auf die bereits rechtskräftige Erledigung der Frage der ordnungsgemäßen Zustellung durch den Bescheid der belangten Behörde vom aber nicht mehr zu prüfen ist) ohne sein Verschulden vor seiner Kenntnisnahme abhandengekommen. Dieses Abhandenkommen würde zwar an der wirksamen Zustellung nichts ändern, würde aber zweifellos den Beschwerdeführer an der Erhebung einer Berufung hindern. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei Durchführung der Verhandlung (und der Aufnahme der hiezu beantragten Beweise) zu dieser Frage zu einem anderen Ergebnis und sohin zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

3. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung ("Berufungsverhandlung") konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Wien, am

Fundstelle(n):
VAAAE-85937