VwGH vom 23.11.2006, 2006/16/0079
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der M AG in W, vertreten durch die Exinger GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1013 Wien, Renngasse 1/Freyung, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien vom , Zl. ABK-328/04, betreffend Aussetzung der Entscheidung über eine Berufung in einer Getränkesteuerangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom schrieb der Magistrat der Stadt Wien als Abgabenbehörde erster Instanz der Beschwerdeführerin Getränkesteuer für die Jahre 1995 bis einschließlich 1998 vor und wies deren Anträge auf Rückzahlung der Getränkesteuer für diese Jahre ab.
Den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, dass die Abgabenbehörde erster Instanz in weiterer Folge mehrmals u.a. die Entscheidung über die genannte Berufung aussetzte und die Beschwerdeführerin jeweils wiederum die Fortsetzung des Berufungsverfahrens beantragte. Mit Erledigung vom übermittelte die Abgabenbehörde erster Instanz der Beschwerdeführerin Erhebungsbögen, die die Beschwerdeführerin im Juli 2004 unter Anschluss von Beilagen retournierte.
Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde die Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid vom gemäß § 216 der Wiener Abgabenordnung - WAO aus. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die im Rahmen des gegenständlichen Berufungsverfahrens zu beurteilende Frage, ob die Anforderungen des "Gerichtshofes" mit dem Nachweis durch die Abgabenbehörde, dass die Abgabenlast von einem anderen als dem Abgabenpflichtigen getragen worden sei und die Erstattung an den Abgabenpflichtigen zu dessen ungerechtfertigter Bereicherung geführt hätte, erfüllt seien, und inwieweit eine Erstattung der gemeinschaftswidrigen Abgaben abgelehnt werden könne, bilde bereits den Gegenstand eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 2005/16/0247. Der Ausgang dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sei somit auch für das vorliegende Berufungsverfahren von Bedeutung. Aus der Aktenlage gehe kein Umstand hervor, dass überwiegende Interessen der Beschwerdeführerin einer Aussetzung entgegen stünden, erscheine doch eine solche Vorgangsweise zweckmäßig und liege auch im Interesse der Partei, der damit ein zusätzlicher Aufwand erspart werde.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem "Recht auf Nichtunterbrechung des Verfahrens, auf richtige Ermessensübung sowie auf rechtliches Gehör verletzt"; sie begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet unter Zuerkennung von Aufwandersatz beantragt.
Hierauf erstattete die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zur Gegenschrift der belangten Behörde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Berufung anhängig oder schwebt sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung ist, so kann nach § 216 Abs. 1 WAO die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei entgegen stehen.
Die Aussetzung der Entscheidung über eine Berufung stellt eine Ermessensentscheidung dar. Eine solche Ermessensentscheidung ist nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Überwiegende Parteiinteressen, die einer Aussetzung entgegen stehen, sind nur solche, die sich im Einzelfall aus einem besonders gelagerten Sachverhalt ergeben. Zur Beurteilung, ob die Voraussetzungen für eine Entscheidung über eine Aussetzung gegeben sind, hat die Behörde zu ermitteln, ob einer Aussetzung überwiegende Interessen entgegen stehen. Zu diesem Zweck hat sie der Partei rechtliches Gehör zu gewähren (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/16/0207, mwN).
Keine einer Aussetzung entgegen stehenden Interessen sind etwa das Interesse jedes Berufungswerbers an einer raschen Entscheidung, eine lange, mit Rechtsunsicherheit verbundene Wartezeit oder das Interesse, eine erwartete Gutschrift ohne unnötigen Aufschub zu erhalten (vgl. die in Ritz, BAO3, unter Tz 12 zu § 281 wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt die Beschwerdeführerin darin, dass ihr die belangte Behörde kein Parteiengehör gewährt habe. Durch diese Vorgangsweise sei es der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen, darzulegen, warum überwiegende Interessen einer Aussetzung des Verfahrens entgegen stünden. Weiters sei gerade auf Grund der Aktenlage ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin einer Aussetzung des Verfahrens nicht zustimme: So habe sie bisher bei der Aussetzung des Verfahrens durch die Abgabenbehörde erster Instanz jeweils entsprechende Fortsetzungsanträge gestellt. Auf Grund dieser Anträge hätte die belangte Behörde davon ausgehen müssen, dass über den Akteninhalt hinausgehende Gründe vorlägen, die einer Aussetzung entgegen stünden, und hätte weitere Ermittlungshandlungen setzen müssen. Durch die nicht gewährte Möglichkeit der Stellungnahme sei es der Beschwerdeführerin aber verwehrt gewesen, die Gründe, die gegen eine Aussetzung des Verfahrens sprächen, darzulegen. Dadurch, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung ausschließlich auf Grund der Aktenlage getroffen habe, habe sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
Mag auch die belangte Behörde davon Abstand genommen haben, der Beschwerdeführerin Gehör zur beabsichtigten Aussetzung der Entscheidung über deren Berufung zu gewähren, so legt dem gegenüber die Beschwerdeführerin die Relevanz eines solchen Verfahrensmangels nicht darin dar, welches - unter dem Gesichtspunkt des § 216 Abs. 1 WAO relevante - Vorbringen sie erstattet hätte. Insbesondere bleibt die Beschwerde nähere Behauptungen schuldig, welche über den bloßen Akteninhalt hinausgehende Gründe vorliegen, die einer Aussetzung der Entscheidung nach § 216 Abs. 1 WAO entgegen stünden. Dem aktenkundigen Umstand, dass die Beschwerdeführerin "jeweils entsprechende Fortsetzungsanträge gestellt" hat und worin sich etwa ihr Interesse an einer raschen Entscheidung manifestierte, kommt im Hinblick auf die eingangs wiedergegebene Rechtsprechung kein Gewicht zu.
Somit mangelt einer Verletzung des rechtlichen Gehörs die Relevanz.
Als inhaltliche Rechtswidrigkeit macht die Beschwerde im Kern geltend, dass die belangte Behörde ein überwiegendes Interesse der Beschwerdeführerin an einer Entscheidung und somit gegen eine Aussetzung nach § 216 Abs. 1 WAO nicht berücksichtigt habe. Die Beschwerdeführerin habe ein solches Interesse im Hinblick auf die Vielzahl der von ihr geführten Verfahren in Angelegenheiten der Getränkesteuer, weiters im Hinblick auf die lange zurückliegenden Abgabenzeiträume und auf die Verfahrensdauer. Das gegenständliche Verfahren wäre "als mögliches Musterverfahren" deshalb besonders geeignet, weil nach einer Entscheidung der belangten Behörde direkt Bescheidbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden könnte. Der Aussetzung stehe weiters das "gemeinschaftsrechtliche Effektivitätsprinzip" entgegen.
Unter Zugrundelegung der eingangs wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommen nur solche Parteiinteressen als überwiegend im Sinn des § 216 Abs. 1 WAO in Betracht, die sich im Einzelfall aus einem besonders gelagerten Sachverhalt ergeben. Der Aspekt, dass die Beschwerdeführerin neben dem vorliegenden Abgabenverfahren auch eine Vielzahl weiterer verfolgt, hat daher außer Betracht zu bleiben. Im Übrigen lassen die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Umstände den beschwerdegegenständlichen Sachverhalt nicht als besonders gelagert erscheinen, weil nicht erkennbar ist, dass sich die verfahrensrechtliche Lage der Beschwerdeführerin von anderen Abgabenschuldnern bzw. Rückerstattungswerbern unterscheidet, die letztlich die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes anstreben.
Dagegen zieht die Beschwerde nicht in Zweifel, dass der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die zur hg. Zl. 2005/16/0247 protokollierte Beschwerde wesentliche Bedeutung im Sinn des § 216 Abs. 1 WAO zukommt. Dies erfolgt auch nicht durch das Vorbringen in der Stellungnahme zur Gegenschrift, wonach der Beschwerdeführerin im "Referenzverfahren" keine Parteistellung zukomme und ihr daher eine substantiierte Beurteilung und Bestreitung der Präjudizialität des genannten Verfahrens nicht möglich wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag in der folglich aus prozessökonomischen Gründen gerechtfertigten Aussetzung der Entscheidung über die Berufung auch keine Beeinträchtigung des "gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsprinzips", somit eine übermäßige Erschwerung oder gar Verhinderung der Durchsetzung gemeinschaftsrechtlich begründeter Ansprüche, zu erkennen.
Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am