VwGH vom 23.02.2011, 2008/23/0933

VwGH vom 23.02.2011, 2008/23/0933

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der A O, geboren 1976, vertreten durch Dr. Martina M. Schweiger-Apfelthaler, Rechtsanwältin in 1040 Wien, Graf Starhemberggasse 39/12, gegen den am mündlich verkündeten und am schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates Zl. 259.571/0/4E-V/13/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit die Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 2 Asylgesetz 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen wurde (Spruchpunkt 3.), wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, beantragte am Asyl.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den ihren Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt 1.), stellte gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria fest (Spruchpunkt 2.) und wies die Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria aus (Spruchpunkt 3.).

Im Zusammenhang mit der Ausweisung stellte die belangte Behörde fest (Fehler jeweils im Original):

"Die (Beschwerdeführerin) ehelichte am den österreichischen Staatsbürger O(…). Nicht festgestellt werden kann, dass die (Beschwerdeführerin) mit ihrem Ehegatten ein intensives Familien- bzw. Bindungsverhältnis unterhält."

Diese Feststellungen gründete die belangte Behörde auf nachstehende Beweiswürdigung:

"Hinsichtlich der Würdigung zu getroffenen Ausweisungsentscheidung wird angeführt, dass es vor der Behörde zweiter Instanz nicht nachvollziehbar klar hervorgetreten ist, dass die (Beschwerdeführerin) tatsächlich zu ihrem nunmehrigen Ehegatten in einem intensiven familiären Naheverhältnis steht. Wie obdargelegt, findet sich die (Beschwerdeführerin) aussagegemäß in grober Unkenntnis des Zeitpunktes des Kennenlernens ihres Ehegatten noch war sie in der Lage, auch nur irgendwelche spezifizierenden Details über die Person ihres Ehegatten oder sonstige Umstände des Zusammenlebens zu präsentieren."

Rechtlich beurteilte die belangte Behörde dies wie folgt:

"Dass durch Rückverbringung in dem gewährleisteten Recht auf Privat- und Familienleben die (Beschwerdeführerin) im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK berührt wäre, ist im Verfahren nicht hervorgekommen, deshalb spruchgemäß die Ausweisung auszusprechen war.

Diesbezüglich wird ausgeführt, dass die (Beschwerdeführerin) in Österreich über nicht ausreichende soziale Bindungen zum Vater ihres minderjährigen Kindes verfügt obwohl sie ihrer Darstellung nach mit diesem in gemeinsamen Haushalt lebt (sieh Beweiswürdigung!).

Es war daher von einem nicht existierenden intensiven Familienleben auszugehen, weshalb wie unter Spruchteil III. zu entscheiden war."

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Einleitung des Vorverfahrens und Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde, die von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand nahm, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zu I.:

Mit dem Vorwurf, die belangte Behörde habe sich nicht ausreichend mit dem Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin befasst, zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids auf.

Die - auch hinsichtlich der Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten nicht nachvollziehbare - Begründung des angefochtenen Bescheides enthält keinerlei Feststellungen zum Familienleben der Beschwerdeführerin mit ihrem minderjährigen Kind, der Notwendigkeit der Pflege und Obsorge dieses Kindes durch die Beschwerdeführerin und dessen aufenthaltsrechtlichen Status. Auch wenn, wie die belangte Behörde offenbar - ohne entsprechende Sachverhaltsgrundlage - annimmt, das minderjährige Kind der Beschwerdeführerin das Bundesgebiet ebenfalls zu verlassen hätte, wären weitere Feststellungen erforderlich gewesen.

Sollte das Kind aufgrund (allenfalls infolge Legitimation durch nachfolgende Eheschließung nach § 161 ABGB) ehelicher Abstammung von einem Vater mit österreichischer Staatsbürgerschaft selbst österreichischer Staatsbürger geworden sein (§ 7a Staatsbürgerschaftsgesetz 1985), könnte eine aufenthaltsbeendigende Maßnahme gegen die Mutter eine Verletzung nach Art. 8 EMRK darstellen, wenn das Kind auf die Pflege und Obsorge durch seine Mutter angewiesen und dem Kind eine Ausreise mit der Mutter nicht zumutbar wäre (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/21/0376, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH und des EGMR; vgl. auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs zur asylrechtlichen Ausweisung einzelner Mitglieder einer Kernfamilie vom , Zlen. 2008/23/0164 bis 0166, sowie vom , Zl. 2007/01/0327, je mwN, sowie zur erforderlichen fallbezogenen Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/01/0754, mit Verweis auf hg. Judikatur sowie auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1150/07, VfSlg. 18.224, und vom , U 992/08, samt den dort jeweils angeführten, in der Rechtsprechung des EGMR entwickelten Kriterien, die bei einer solchen Interessensabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegen steht.)

Da der angefochtene Bescheid die für eine derartige Abwägung erforderlichen - oben dargestellten - weitergehenden Feststellungen zu diesem Familienleben ebenso wie eine Prüfung der näheren Umstände der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Familienlebens im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin (siehe das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/01/0537) vermissen lässt, war er in dem im Spruch angeführten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auszuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG Abstand genommen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Zu II.:

Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beschwerde wirft - soweit sie sich nicht auf die Ausweisung bezieht - keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung in diesem Umfang sprechen würden, liegen nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde im Übrigen abzulehnen.

Wien, am