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VwGH vom 27.04.2011, 2011/08/0019

VwGH vom 27.04.2011, 2011/08/0019

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der L K in Wien, vertreten durch Dr. Thomas König, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ertlgasse 4/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-07/A/11/7104/2010-10, betreffend Bestrafung nach dem ASVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom wurde die Beschwerdeführerin als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach Außen Berufene der A. Gastronomie GmbH für schuldig erkannt, sie habe es zu verantworten, dass diese Gesellschaft es als Dienstgeberin am von 18.00 Uhr bis 23.30 Uhr unterlassen habe, die von ihr am selben Tag in ihrem Gastgewerbelokal in Wien beschäftigte, nach dem ASVG in der Unfallversicherung pflichtversicherte V A. vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Sie habe dadurch § 33 Abs. 2 ASVG iVm § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG iVm § 9 Abs. 1 VStG verletzt. Es werde über sie eine Geldstrafe von EUR 770,--, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen und zwei Stunden verhängt. Die A. Gastronomie GmbH hafte für die mit diesem Bescheid über die Beschwerdeführerin verhängte Geldstrafe von EUR 770,-- und die Verfahrenskosten in Höhe von EUR 77,-- sowie für sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand.

Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass die erstinstanzliche Behörde an die Beschwerdeführerin am eine "Aufforderung zur Rechtfertigung" gerichtet und diese eigenhändig an die Beschwerdeführerin an die Adresse A. Gastronomie GmbH L. Straße 77,Wien zugestellt hat. In ihrer darauf folgenden Eingabe vom hat die Beschwerdeführerin ihre Abgabestelle mit dieser Adresse (L. Straße 77,Wien) bekannt gegeben. Der Zustellverfügung zu Folge sollte das Straferkenntnis der Beschwerdeführerin sowie der A. Gastronomie GmbH an die Adresse der L. Straße 77 zugestellt werden. Sowohl das für die Beschwerdeführerin als auch das für die A. Gastronomie GmbH bestimmte Zustellstück hat deren (weiterer) Geschäftsführer, A M., am als "Bevollmächtigter für RSb-Briefe" übernommen.

Am erhob die Beschwerdeführerin gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis "innerhalb offener Frist" Berufung und brachte vor, sie sei nach der internen "Betriebsvereinbarung" zwischen den drei Geschäftsführern der A. Gastronomie GmbH nicht für das Personalwesen und insbesondere nicht für Anmeldungen beim zuständigen Krankenversicherungsträger zuständig gewesen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde - soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung - der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Die Beschwerdeführerin habe geltend gemacht, sie sei per aus ihrer Funktion als handelsrechtliche Geschäftsführerin ausgeschieden. Sie habe zum Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses die Adresse der G. Gastronomie GmbH nicht mehr als Abgabegestelle benützt. Das Straferkenntnis sei vom (verbliebenen) Geschäftsführer A M. übernommen worden. Dieser habe lediglich eine Kopie des erstinstanzlichen Straferkenntnisses an die Beschwerdeführerin weitergeleitet. Das Original habe A M. dem Steuerberater Dr. D. vorgelegt. Der Vertreter der Beschwerdeführerin habe im Berufungsverfahren angegeben, er könne nicht mehr sagen, in welcher Form er das Straferkenntnis, gegen das er im Namen der Beschwerdeführerin rechtzeitig Berufung erhoben habe, erhalten habe, es befände sich möglicherweise in den Akten, diese würden aber "wegen Überfüllung bereinigt und mitunter fehle das nunmehrige Schriftstück".

Die Beschwerdeführerin habe - so die belangte Behörde weiter -

während des laufenden Strafverfahrens die im Verfahren angegebene Zustelladresse in der Form geändert, dass sie als Geschäftsführerin ausgeschieden sei. Dies sei der erstinstanzlichen Behörde verschwiegen und erst im Rechtsmittelverfahren vorgebracht worden. Das erstinstanzliche Straferkenntnis sei jedoch von A M. übernommen worden. Die Beschwerdeführerin habe nicht nachgewiesen, dass ihr "tatsächlich das Original des Straferkenntnisses nicht zugegangen wäre". Sie habe das Straferkenntnis daher erhalten und anhand dieses Originals fristgerecht Berufung erhoben. Für eine gegenteilige Feststellung "fehlt jeglicher Beweis". Der Einwand der mangelhaften Zustellung diene offenbar nur der Verfahrensverzögerung. Wenngleich das Straferkenntnis vom anderen Geschäftsführer der G. Gastronomie GmbH (A M.) übernommen worden sei, so sei von der Unrichtigkeit des Vorbringens auszugehen, dass das Original nicht der Beschwerdeführerin zugeleitet worden sei. Auch dem Vertreter der Beschwerdeführerin sei es nicht gelungen das Gegenteil darzutun. Selbst bei Übernahme durch A M. sei ein tatsächlicher Zugang und somit Heilung des allfälligen Zustellmangels erfolgt. Im Übrigen führte die belangte Behörde aus, weshalb keine ordnungsgemäße Anzeige (der Übertragung von Pflichten) nach § 35 Abs. 3 ASVG vorliege und die verhängte Strafe schuld- und tatangemessen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die A. Gastronomie GmbH betreibe insgesamt drei Lokale. Ihr Arbeitsplatz habe sich - ungeachtet aller ihr obliegenden Kontrolltätigkeiten in sämtlichen Lokalen - im Lokal S. Straße inWien befunden. Sie sei aus ihrer Funktion als handelsrechtliche Geschäftsführerin mit dem ausgeschieden. Die erstinstanzliche Behörde habe eine Zustellverfügung getroffen, wonach der Beschwerdeführerin an die Adresse der A. Gastronomie GmbH, L. Straße 77,Wien zugestellt werden sollte. Dort habe sich jedoch niemals eine Abgabegestelle für die Beschwerdeführerin im Sinn des Zustellgesetzes befunden. Das Zustellstück sei von A M. übernommen worden, der ihr lediglich eine Kopie des Straferkenntnisses übermittelt habe. Die belangte Behörde habe festgestellt, dass ihr das Original des Straferkenntnisses zugegangen sei. Die beweiswürdigende Begründung für diese Feststellung sei unschlüssig. Aus der Erhebung eines Rechtsmittels lasse sich nicht ableiten, dass dem Vertreter der Beschwerdeführerin bzw. ihr selbst das Original des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vorgelegen sei. Die Beschwerdeführerin trage nicht die Beweislast dafür, dass ihr das Originalerkenntnis nicht zugegangen sei. Da ungeachtet sämtlicher im Verfahren an die Adresse L. Straße 77,Wien, verfügten Zustellungen dort nie eine Abgabestelle der Beschwerdeführerin vorgelegen sei, gehe der Vorhalt der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin hätte die Adressänderung der Behörde nicht mitgeteilt, ins Leere. Die belangte Behörde habe das Gesetz unrichtig angewendet, weil "die Berufung gegen eine als Bescheid intendierte Erledigung, welche keine Bescheidqualität besitzt, da sie an einen nicht geheilten Zustellmangel leidet, (…) als unzulässig zurückzuweisen ist".

Die Beschwerdeführerin vermag im Ergebnis keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

§ 16 des Zustellgesetzes in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 5/2008 lautet samt Überschrift:

"Ersatzzustellung

§ 16. (1) Kann das Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

(2) Ersatzempfänger kann jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die - außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt - zur Annahme bereit ist.

(3) Durch Organe eines Zustelldienstes darf an bestimmte Ersatzempfänger nicht oder nur an bestimmte Ersatzempfänger zugestellt werden, wenn der Empfänger dies schriftlich beim Zustelldienst verlangt hat.

(4) Die Behörde hat Personen wegen ihres Interesses an der Sache oder auf Grund einer schriftlichen Erklärung des Empfängers durch einen Vermerk auf dem Dokument und dem Zustellnachweis von der Ersatzzustellung auszuschließen; an sie darf nicht zugestellt werden.

(5) Eine Ersatzzustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam."

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin handelte es sich bei der Adresse L. Straße 77,Wien um eine ihr zuzuordnende Abgabestelle, weil sie diesen Ort im erstinstanzlichen Verfahren iSd § 2 Z. 4 ZustG idF BGBl. I Nr. 5/2008 für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegeben hat. Eine Partei, die der Behörde eine allenfalls unrichtige Abgabestelle angibt, hat die ihr aus einer Zustellung an diese unrichtige Abgabestelle erwachsenden Rechtsnachteile selbst zu vertreten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/17/0327, mwN).

Der Beweis, dass eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, wird durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch gemäß § 292 Abs. 2 ZPO iVm § 24 VStG und § 47 AVG der Gegenbeweis zulässig ist. Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind. Jedoch reicht etwa die bloße Behauptung einer Ortsabwesenheit ohne konkrete Angabe über Zeitraum und Grund der Abwesenheit nicht aus (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2006/06/0243, und vom , Zl. 2004/16/0197).

Die Beschwerdeführerin hat weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde behauptet, dass A M. die Voraussetzungen, die § 16 Abs. 2 Zustellgesetz an einen Ersatzempfänger stellt, nicht erfüllt hätte (im Zustellnachweis wird A M. als "Bevollmächtigter für RSb-Briefe" geführt, welchem Umstand die Beschwerdeführerin ebenfalls nicht entgegengetreten ist). Die Beschwerdeführerin hat auch nicht vorgebracht, dass sich an den tatsächlichen Gegebenheiten in Bezug auf ihre Anwesenheit an dieser Abgabestelle dadurch, dass sie aus ihrer Funktion als handelsrechtliche Geschäftsführerin mit ausgeschieden ist, etwas geändert hätte (insbesondere, dass sie ihre an dieser Betriebsstätte vorzunehmenden Kontrolltätigkeiten eingestellt hätte). Das bloße Bestreiten, dass es sich bei dieser Adresse um ihre Abgabestelle gehandelt habe, bzw. das Vorbringen, selbst wenn dies je der Fall gewesen sein sollte, "so hätte diese jedenfalls zum Zeitpunkt der Zustellung nicht mehr bestanden", ist nicht geeignet, die aus dem Zustellnachweis abzuleitende Vermutung der ordnungsgemäßen Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses zu widerlegen.

Aus diesem Grunde erübrigen sich Ausführungen darüber, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, dass die Beschwerdeführerin eine allfällige Änderung ihrer Abgabestelle der Behörde nicht unverzüglich mitgeteilt hat (§ 8 Abs. 1 Zustellgesetz). Auch kann die Frage auf sich beruhen, ob der Beschwerdeführerin eine Kopie oder das Original des erstinstanzlichen Straferkenntnisses übergeben worden ist. Allerdings sieht sich der Verwaltungsgerichtshof in Anbetracht der sich auf diesen Umstand konzentrierenden Begründung des angefochtenen Bescheides zu der Feststellung veranlasst, dass die belangte Behörde die Beweislast für das - freilich nicht hier, sondern nur im Fall der Unzulässigkeit einer Ersatzzustellung bedeutsames - Nichtzukommen des Originals des erstinstanzlichen Bescheides zu Unrecht der Beschwerdeführerin auferlegt hat.

Beim erstinstanzlichen Strafverfahren handelte es sich um ein Mehrparteienverfahren. Das erstinstanzliche Straferkenntnis ist daher durch Zustellung an die A. Gastronomie GmbH am rechtswirksam erlassen worden. Selbst wenn der Beschwerdeführerin das erstinstanzliche Straferkenntnis nicht rechtswirksam zugestellt worden wäre, durfte sie im Mehrparteienverfahren von ihrem Recht Gebrauch machen, bereits vor der Zustellung des Bescheides auch an sie selbst eine Berufung zu erheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/05/0154). Aus diesem Grund war die belangte Behörde entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht befugt oder gar verpflichtet, ihre Berufung als unzulässig zurückzuweisen.

Die Beschwerde wendet sich im Übrigen nicht gegen die Darlegungen des angefochtenen Bescheides betreffend das Verschulden der Beschwerdeführerin an der Meldepflichtverletzung sowie gegen die Strafbemessung. Auch beim Verwaltungsgerichtshof sind gegen die diesbezügliche Beurteilung durch die belangte Behörde keine Bedenken entstanden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am