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VwGH 12.09.2012, 2011/08/0018

VwGH 12.09.2012, 2011/08/0018

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §8;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
RS 1
Aufgrund einer Verweigerung einer ärztlichen Untersuchung kann nicht auf die Arbeitsfähigkeit des Arbeitslosen und damit auf die Zumutbarkeit der ihm angebotenen Beschäftigung geschlossen werden. Dafür bietet das Gesetz keine Grundlage (Hinweis: E , 99/02/0041, sowie E , 2008/08/0119). Insoweit steht der Behörde nur das Instrumentarium des § 8 AlVG zur Verfügung.
Norm
RS 2
Der Umstand, dass der Arbeitslose mit Nachdruck seine rechtlichen Interessen gegenüber dem Arbeitsmarktservice verfolgt, lässt keinen Schluss auf seine uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit zu.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Peck, über die Beschwerde des H M in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2010-0566-9-001418, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 10 iVm § 38 AlVG der Verlust seines Anspruchs auf Notstandhilfe für die Zeit vom 29. März bis ausgesprochen. Nach der Darlegung des Verwaltungsgeschehens stellte die belangte Behörde im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Dem Beschwerdeführer sei am ein kollektivvertraglich entlohntes Dienstverhältnis bei der i GmbH in Wien angeboten worden. Dazu führte die belangte Behörde wörtlich aus:

"In einem wurden Ihnen im Rahmen der Arbeitskräfteüberlassung zwei Dienstverhältnisse zum sofortigen Antritt am Montag, den angeboten, nämlich

-

die Beschäftigung in einem Call Center vormittags in Teilzeit (20 Wochenstunden) in Wien (kurze Gehdistanz zur U-Bahnstation U1 und

-

die Beschäftigung als Portier nachmittags von 15:00 bis 19:00 Uhr (insgesamt 20 Wochenstunden) ebenfalls in Wien (kurze Gehdistanz zur U-Bahnstation U1)"

Zu diesen beiden Dienstverhältnissen habe der Beschwerdeführer detaillierte Jobbeschreibungen erhalten und am 26. März ein ausführliches Gespräch mit der Geschäftsführerin der

i. GmbH geführt.

Der Beschwerdeführer habe "das angebotene Dienstverhältnis und die damit zusammenhängenden Überlassungen" abgelehnt. Die Weigerung des Beschwerdeführers, das Dienstverhältnis bei der

i. GmbH anzunehmen, sei von diesem auch nicht bestritten worden.

Einer im Rahmen des Berufungsverfahrens angeordneten ärztlichen Untersuchung am habe sich der Beschwerdeführer trotz rechtsgültig zugestellter Ladung nicht unterzogen. Es habe daher nicht festgestellt werden können, welche aktuellen gesundheitlichen Einschränkungen zu beachten seien. Die belangte Behörde habe daher von der Aktenlage ausgehen müssen; dazu wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt:

"Da Sie unter hohem (Zeit)Aufwand und mit enormer Vehemenz Ihre eigenen Angelegenheiten vertreten, erwecken Sie gegenüber dem Arbeitsmarktservice den Eindruck, uneingeschränkt arbeitsfähig zu sein."

Der Vollständigkeit halber werde festgehalten, dass ein vorliegendes arbeitsmedizinisches Gutachten vom sich auf Befunde aus dem Jahre 1996 stütze und - im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Beschäftigungen - als zumutbares Ausmaß der Tätigkeit "halbtags" (ohne genaues Stundenausmaß) angebe. Nachtarbeit und Schichtarbeit seien nicht zumutbar, ebenso wenig das ständige Sitzen/Gehen und das wiederholte Heben und Tragen von Lasten über 5 kg oder das Arbeiten in Akkordarbeit beziehungsweise ein forciertes Arbeitstempo. Die Befunde aus dem Jahre 1996 und das darauf fußende Gutachten aus dem Jahre 2003 seien aufgrund des sehr großen Zeitabstands nicht für eine Sachverhaltsfeststellung im Jahre 2010 geeignet und könnten daher in die Entscheidung nur bedingt einfließen. Da es aus Verschulden des Beschwerdeführers keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich seines Gesundheitszustands gebe, sei die belangte Behörde gezwungen, "nach der Aktenlage" zu entscheiden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde zunächst aus, dass "das angebotene Dienstverhältnis" den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend zumutbar sei. Der Beschwerdeführer habe sich geweigert, die "genannte zumutbare Beschäftigung" anzunehmen, damit sei der Tatbestand des § 10 Abs. 1 AlVG erfüllt.

Die in seiner Berufung vom Beschwerdeführer zitierte höchstgerichtliche Judikatur hinsichtlich der Unzumutbarkeit eines Dienstverhältnisses in einem Sozialökonomischen Betrieb (Arbeitskräfteüberlassung) sei zwischenzeitlich aufgrund einer am in Kraft getretenen Gesetzesnovelle (BGBl. I 104/2007) im konkreten Fall nicht mehr anwendbar.

Diese Novelle habe auch die Beurteilung der Angemessenheit der Wegzeit neu geregelt; als Grundregel gelte, dass die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg jedenfalls eineinhalb Stunden (= 90 Minuten) betrage. Diese Zeitspanne gelte somit auch für Teilzeitarbeit. Die Wegzeit zwischen dem Wohnort des Beschwerdeführers und dem Standort der i. GmbH betrage (inklusive zweimaligem Umsteigen) laut Auskunft der Wiener Linien 44 Minuten in eine Richtung, somit 88 Minuten für den Hin- und Rückweg. Die Wegzeit zwischen seinem Wohnort und beiden im Rahmen der Überlassung angebotenen Stellen betrage - ebenfalls nach Auskunft der Wiener Linien - "knapp eine Stunde". Ausschlaggebend sei im konkreten Fall der Standort des Dienstgebers, somit die Adresse der i. GmbH. Das angebotene Dienstverhältnis sei demzufolge hinsichtlich der Wegzeiten zumutbar (und wäre dies aufgrund des wesentlich geringeren Zeitaufwands auch dann, wenn die Standorte der Beschäftigungsverhältnisse im Rahmen der Überlassung herangezogen werden würden).

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Wegzeit dürfe nach der höchstgerichtlichen Judikatur tunlichst nicht mehr als ein Viertel der durchschnittlichen täglichen Normalarbeitszeit betragen, beziehe sich auf eine veraltete Gesetzeslage und sei demzufolge im konkreten Fall nicht anwendbar.

Das Argument des Beschwerdeführers, er hätte - zusammengefasst - zu wenige Informationen über die angebotenen Stellen erhalten, sei nicht glaubwürdig. Dies deshalb, da der Beschwerdeführer "die detaillierten Jobbeschreibungen" erhalten habe und ihm diese auch noch in einem persönlichen Gespräch mit der Geschäftsführerin der i. GmbH ausführlich erläutert worden seien. Der Beschwerdeführer wäre daher im Detail über die Arbeitsbedingungen, auch über die Entlohnung und die Standorte, informiert gewesen.

Da die belangte Behörde davon ausgehe, dass zumindest keine neuen gesundheitlichen Einschränkungen vorlägen, seien die Stellen auch gesundheitlich zumutbar. Der Vollständigkeit halber werde angemerkt, dass selbst bei Zugrundelegung des veralteten Gutachtens aus dem Jahre 2003 eine nähere Überprüfung der verlangten Tätigkeiten jedenfalls die gesundheitliche Zumutbarkeit der Stelle als Portier ergebe (und die gesundheitliche Zumutbarkeit der Stelle im Call Center nicht auszuschließen sei). Gesamt gesehen sei daher die Stelle als Portier zumutbar und eine Gefährdung seiner Gesundheit nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer u.a. bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer anzunehmen und von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen.

Gemäß § 9 Abs. 2 AlVG ist eine Beschäftigung zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg beträgt jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, insbesondere wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar.

Nach § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert die arbeitslose Person, wenn sie sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen.

Gemäß § 38 AlVG ist diese Bestimmung auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Die Bestimmungen der §§ 9 und 10 AlVG sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0157, mwN).

2. Nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheids wurde dem Beschwerdeführer am ein kollektivvertraglich entlohntes Dienstverhältnis bei der i. GmbH zugewiesen. "In einem" seien ihm "im Rahmen der Arbeitskräfteüberlassung" zwei weitere Dienstverhältnisse (als Portier bzw. in einem Call Center) mit Dienstantritt angeboten worden. Die belangte Behörde erwähnt im angefochtenen Bescheid mehrmals, der Beschwerdeführer habe sich geweigert, "das angebotene Dienstverhältnis" anzunehmen. Die belangte Behörde spricht aber auch von "angebotenen Stellen" und differenziert hinsichtlich der Wegzeit zwischen dem Standort der i. GmbH und den beiden "im Rahmen der Überlassung angebotenen Stellen". Diese Feststellungen und der Umstand, dass es sich bei der i. GmbH um einen gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlasser handelt, lassen im Gesamten erkennen, dass dem Beschwerdeführer nicht - wie es der Wortlaut des angefochtenen Bescheids zunächst vermuten ließe - drei verschiedene Beschäftigungen angeboten wurden, sondern ihm eine Beschäftigung bei der i. GmbH vom Arbeitsmarktservice zugewiesen wurde und die i. GmbH den Beschwerdeführer im Fall eines Zustandekommens dieses Beschäftigungsverhältnisses im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung entweder als Portier oder "im Call Center" eingesetzt hätte. Es ist daher davon auszugehen, dass die gegenständlich zu prüfende Weigerung darin besteht, dass der Beschwerdeführer die Beschäftigung bei der i. GmbH, bei der er als Portier bzw. "im Call Center" eingesetzt worden wäre, abgelehnt hat. Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer die Annahme der Beschäftigung bei der i. GmbH verweigert hat.

3. Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde geltend, dass auf seinen Einwand bezüglich der gesundheitlichen Unzumutbarkeit der beiden Stellen (Portier und Call Center Agent), die ihm im Rahmen der Zuweisung zur i. GmbH angeboten worden seien, unzureichend eingegangen worden sei. Laut Gutachten vom sei er nämlich nur eingeschränkt arbeitsfähig. Die belangte Behörde wäre nach den "aktenkundigen Umständen" verpflichtet gewesen, auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass beide Beschäftigungen mit erheblichem Stress verbunden seien, einzugehen. Nach dem Gutachten vom seien ein Wechsel von Gehen, Stehen, Sitzen sowie regelmäßige Pausen erforderlich. Es sei allgemein bekannt, dass die Tätigkeit in einem Call-Center in ständigem Sitzen, jedenfalls aber nicht im Gehen, ausgeübt werde.

4. Wenn ein Arbeitsloser die Zumutbarkeit einer zugewiesenen Arbeitsstelle gegenüber dem Arbeitsmarktservice bestreitet, dann hat sich das Arbeitsmarktservice mit dieser Frage in der Begründung seines Bescheides auch dann auseinander zu setzen, wenn es die Einwände nicht für berechtigt hält. Das Arbeitsmarktservice hat insbesondere auch darzutun, welche Anforderungen mit der zugewiesenen Beschäftigung verbunden sind und ob der Beschwerdeführer nach seinen geistigen und körperlichen Fähigkeiten diesen Anforderungen genügt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/08/0053).

Ergibt sich aus einem ärztlichen Gutachten, dass der Arbeitslose auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nur zu bestimmten Tätigkeiten herangezogen werden kann, ist es Aufgabe der Behörde, die körperlichen Anforderungen einer zugewiesenen Beschäftigung mit den (verbliebenen) körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen zu vergleichen und danach zu beurteilen, ob dem Arbeitslosen die zugewiesene Beschäftigung gesundheitlich zugemutet werden könne (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/08/0119, uva).

In einer mit dem Beschwerdeführer vor der belangten Behörde aufgenommenen Niederschrift vom gab dieser an, dass er psychisch nicht belastbar sei. Zur gesundheitlichen Zumutbarkeit verwies er allgemein auf das "Gutachten aus dem Jahr 2003". In einer - auch vom Beschwerdeführer unterzeichneten - Mitteilung des Bürgerservice des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom an eine Mitarbeiterin der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer weiters an, er sei grundsätzlich arbeitsfähig, "jedoch zeitlich ebenso begrenzt (4 Stunden am Tag) wie in bezug auf die psychischen Anforderungen".

Die belangte Behörde hielt diesem Vorbringen im angefochtenen Bescheid entgegen, dass aufgrund des Verschuldens des Beschwerdeführers keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich seines Gesundheitszustands vorlägen und somit "nach der Aktenlage" zu entscheiden gewesen sei. Weiters gewann die belangte Behörde aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer "unter hohem (Zeit)Aufwand und mit enormer Vehemenz" seine eigenen Angelegenheiten vertrete, den Eindruck, dass dieser uneingeschränkt arbeitsfähig sei.

Im Verfahren vor der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer eine Ladung zur ärztlichen Untersuchung zur Klärung seines Gesundheitszustands zugestellt. Dieser Ladung hat der Beschwerdeführer keine Folge geleistet (ohne dass es allerdings in der Folge zu einem Vorgehen nach § 8 Abs. 2 AlVG - Sperre des Leistungsbezugs für die Dauer der Weigerung - gekommen wäre). Weitere Schritte zur Klärung seines Gesundheitszustands hat die belangte Behörde nicht unternommen. Aufgrund einer Verweigerung einer ärztlichen Untersuchung kann jedoch nicht auf die Arbeitsfähigkeit des Arbeitslosen und damit auf die Zumutbarkeit der ihm angebotenen Beschäftigung geschlossen werden. Dafür bietet das Gesetz keine Grundlage (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/02/0041, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0119). Insoweit steht der Behörde nur das Instrumentarium des § 8 AlVG zur Verfügung.

Die Weigerung des Beschwerdeführers, sich ärztlich untersuchen zu lassen, war daher nicht geeignet, Zweifel über die gesundheitliche Zumutbarkeit der Beschäftigung auszuräumen. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit Nachdruck seine rechtlichen Interessen gegenüber dem Arbeitsmarktservice verfolgt, lässt keinen Schluss auf seine uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit zu.

Alternativ geht die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheids davon aus, dass auch unter Zugrundelegung des "veralteten Gutachtens aus dem Jahr 2003" eine nähere Überprüfung der verlangten Tätigkeiten jedenfalls die gesundheitliche Zumutbarkeit der Stelle als Portier ergebe und die gesundheitliche Zumutbarkeit der Stelle im Call Center nicht auszuschließen sei. Abgesehen davon, dass die belangte Behörde selbst ausführt, dass dieses Gutachten aus dem Jahr 2003 aufgrund des sehr großen Zeitabstands - es stützt sich auf Befunde aus dem Jahr 1996 - nicht für eine Sachverhaltsfeststellung im Jahr 2010 geeignet sei, fehlt es im angefochtenen Bescheid an einer näheren Auseinandersetzung mit den konkreten körperlichen und psychischen Anforderungen der zugewiesenen Beschäftigung auf der einen Seite und den aus dem Gutachten aus dem Jahr 2003 resultierenden gesundheitlichen Einschränkungen des Beschwerdeführers auf der anderen Seite. Zwar führt die belangte Behörde an, dass sich aus dem Gutachten aus dem Jahr 2003 ergebe, dass der Beschwerdeführer nur "halbtags" beschäftigt werden könne, Nacht- und Schichtarbeit nicht zumutbar seien, ebenso wenig das ständige Sitzen/Gehen und das wiederholte Heben und Tragen vom Lasten über 5 kg oder das Arbeiten in Akkordarbeit bzw. ein forciertes Arbeitstempo. Die belangte Behörde stellt jedoch - abgesehen vom wöchentlichen Arbeitspensum im Ausmaß von 20 Wochenstunden - nicht fest, welche Anforderungen die Tätigkeiten als Portier bzw. im Call Center aufwiesen und ob der Beschwerdeführer diese Anforderungen mit den genannten gesundheitlichen Einschränkungen erfüllen hätte können.

Vor diesem Hintergrund hält die auf das Gutachten aus dem Jahr 2003 gestützte Beweiswürdigung der belangten Behörde zur Zumutbarkeit der Beschäftigung dem vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden Prüfungsmaßstab - vgl. dazu unter vielen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/08/0233 - nicht stand. Es kann nämlich nicht von Vornherein ausgeschlossen werden, dass eine Tätigkeit als Portier bzw. im Call Center mit ständigem Gehen oder Sitzen oder forciertem Arbeitstempo verbunden ist.

5. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG Abstand genommen werden.

Wien, am

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AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §8;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2012:2011080018.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAE-85907