Suchen Hilfe
VwGH vom 23.06.2010, 2008/23/0491

VwGH vom 23.06.2010, 2008/23/0491

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des WJA in W, geboren 1964, vertreten durch Dr.in Alexia Stuefer, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 310.067-1/3E-V/15/07, betreffend Zurückweisung einer Berufung gemäß § 63 Abs. 5 AVG in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom (Postaufgabe ) beantragte der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom , mit dem sein Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen wurde, und erhob gleichzeitig "in offener Frist" Berufung. Der Beschwerdeführer führte begründend im Wesentlichen aus, dass hinsichtlich der am erfolgten Hinterlegung dieses Bescheides beim Postamt 2120 sowohl er, als auch sein Vermieter, der ebenfalls regelmäßig die Post aushebe, mit Sicherheit keine Benachrichtigung über die Zustellung eines behördlichen Schriftstücks erhalten hätten. Er nehme daher an, dass ein Zustellfehler, etwa durch eine Urlaubsvertretung, passiert sei.

Dem vom Beschwerdeführer im Verfahren anschließend bekannt gegebenen Vertreter wurde der Bescheid am zugestellt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als verspätet zurück; der Wiedereinsetzungsantrag wurde mit einem eigenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom selben Tag abgewiesen.

Gegen den die Berufung zurückweisenden Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde vor der Zurückweisung einer Berufung als verspätet von Amts wegen zu prüfen, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, sofern Umstände auf einen solchen hinweisen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/01/0600, mwH). Wird bereits im Verwaltungsverfahren die Rechtmäßigkeit der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides ausdrücklich bestritten, so ist die belangte Behörde verpflichtet, den maßgeblichen Sachverhalt amtswegig zu ermitteln und in ihrem Bescheid Feststellungen über jene Tatsachen zu treffen, aus denen sich der rechtliche Schluss ableiten lässt, der erstinstanzliche Bescheid sei durch Zustellung an die Partei erlassen worden (hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/19/0756).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid bloß ausgeführt, dass "die mit dem Wiedereinsetzungsantrag vom verbundene Berufung gegen den am rechtswirksam hinterlegten Bescheid (...)" als verspätet zurückzuweisen sei. Sie hat dabei aber unberücksichtigt gelassen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, dass die Personen, die über einen Zugang zum Postkasten verfügten, mit Sicherheit keine Benachrichtigung über die Hinterlegung eines behördlichen Schriftstücks erhalten hätten, der Sache nach (auch) die Rechtswirksamkeit der Zustellung durch Hinterlegung am bestritten hat.

Angesichts dieser Bestreitung hätte aber der im Akt erliegende Rückschein, der eine Stampiglie des Zustellpostamtes nicht aufweist, bei welchem Ausbesserungen beim Datum des zweiten Zustellversuches, dem Hinterlegungspostamt und dem Beginn der Abholfrist vorgenommen wurden, und aus dem sich überdies ergibt, dass offenbar zwei Zusteller am Zustellvorgang beteiligt waren, zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen lassen müssen. Die belangte Behörde hätte daher darüber Feststellungen zu treffen gehabt.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
VAAAE-85830