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VwGH vom 11.08.2011, 2008/23/0412

VwGH vom 11.08.2011, 2008/23/0412

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des S Y, geboren 1981, vertreten durch Dr. Georg Maxwald, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Museumstraße 6- 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 312.584-1/2E-XIX/61/07, betreffend § 3 Asylgesetz 2005 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen bei seinen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt zusammengefasst damit, dass er als Mechaniker für einen Flughafen gearbeitet habe, von dem auch amerikanische Flugzeuge gestartet seien. Er sei deshalb von unbekannten Terroristen schriftlich bedroht und aufgefordert worden, diese Tätigkeit aufzugeben. Nach dem dritten Drohbrief sei er geflüchtet.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab und erkannte dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I.); unter einem wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer im Irak zu befürchten habe, von unbekannten Männern bedroht und getötet zu werden, oder dass er sein Heimatland aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen habe. Sein Vorbringen zu einer aktuellen asylrechtlich relevanten Bedrohungssituation im Irak sei als nicht glaubhaft zu bezeichnen.

Beweiswürdigend begründete das Bundesasylamt dies damit, dass der Beschwerdeführer seine Befürchtung, im Irak von einer terroristischen Organisation bedroht und verfolgt zu werden, vage geschildert und er sich dabei auf Gemeinplätze beschränkt habe. Er sei nicht in der Lage gewesen, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Aufgrund seiner allgemein gehaltenen Angaben habe er keinen Bezug zu seiner Person herstellen und nicht glaubhaft machen können, dass er das von ihm Geschilderte tatsächlich selbst erlebt habe. Das Bundesasylamt habe sich zwar bemüht, die vage Schilderung zu hinterfragen; der Beschwerdeführer habe jedoch, statt konkret auf die Fragen einzugehen, immer auszuweichen und weitere vage Behauptungen aufzustellen versucht. Als Indiz für die persönliche Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers sei der Umstand zu werten, dass er bei seiner Einvernahme in Traiskirchen angegeben habe, auf dem Flughafen gearbeitet zu haben, während er in Graz ausgesagt habe, nur Arbeiten für den Flughafen durchgeführt, die Arbeiten selbst jedoch in seiner eigenen Werkstatt in Mosul verrichtet zu haben. Der Beschwerdeführer habe nicht plausibel darlegen können, weshalb er die Arbeit "für die Amerikaner" im Jahr 2006 angenommen habe, obwohl allgemein bekannt gewesen sei, dass solche Leute im Irak von Terrororganisationen bedroht würden. Nicht nachvollziehbar sei weiters, weshalb der Beschwerdeführer bis zur dritten Drohung zugewartet habe, bevor er seine Arbeit beendet habe. Da der Beschwerdeführer aber letztendlich den Drohungen nachgegeben habe, könne (nun) davon ausgegangen werden, dass er mit keinen weiteren Drohungen zu rechnen hätte.

Die gegen Spruchpunkt I. dieses erstinstanzlichen Bescheides erhobene Berufung wies die belangte Behörde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 3 AsylG 2005 ab. Begründend schloss sich die belangte Behörde den Ausführungen des Bundesasylamtes an und erhob diese durch Totalverweis zum Inhalt des angefochtenen Bescheides.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde wendet sich unter anderem gegen die mit dem angefochtenen Bescheid übernommene Beweiswürdigung und zeigt damit im Ergebnis einen relevanten Verfahrensmangel auf.

Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass die Voraussetzung eines aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärten Sachverhalts gemäß dem im vorliegenden Fall noch anzuwendenden Art. II Abs. 2 Z 43 a EGVG idF BGBl. I Nr. 5/2008, der eine Berufungsverhandlung entbehrlich macht, dann erfüllt ist, wenn der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde; es ist aber dann nicht von einem geklärten Sachverhalt im Sinne der genannten Bestimmung auszugehen, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in entscheidenden Punkten nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante und zulässige Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/20/0569, mwN).

Die belangte Behörde ging davon aus, dass die genannten Voraussetzungen für das Absehen von einer mündlichen Verhandlung erfüllt seien. Dieser Beurteilung kann schon angesichts der von der belangten Behörde übernommenen Argumente des Bundesasylamts nicht gefolgt werden, weil diese aufgrund ihrer Unschlüssigkeit die Beweiswürdigung nicht zu tragen vermögen.

Zunächst stützte das Bundesasylamt seine Einschätzung der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers auf einen Mangel an Plausibilität, Konkretisierung und Nachvollziehbarkeit, ohne dies allerdings im Detail auszuführen und durch konkrete, auf die Aussagen des Beschwerdeführers Bezug nehmende Ausführungen zu untermauern. Diese - sehr allgemein gehaltenen - Überlegungen reichen für eine nachvollziehbare Beweiswürdigung nicht aus, lassen sie doch nicht erkennen, welche konkreten oder detaillierten Angaben vom Beschwerdeführer zusätzlich zu seiner - keine gravierenden inneren Widersprüche enthaltenden - Erzählung noch erwartet worden wären. Es ist auch nicht erkennbar, in welcher Weise die Antworten auf konkrete Fragen unplausibel oder nicht nachvollziehbar gewesen wären. Eine konkrete Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers erfolgte nicht.

Der einzige vom Bundesasylamt zur Begründung der persönlichen Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers aufgezeigte (vermeintliche) Widerspruch, wonach der Beschwerdeführer zunächst angegeben habe, auf dem Flughafen in Mosul gearbeitet zu haben, in einer weiteren Einvernahme jedoch, bloß Arbeiten für diesen Flughafen erledigt zu haben, vermag vom Verwaltungsgerichtshof nicht als solcher erkannt zu werden. Der Beschwerdeführer erklärte diese Ungenauigkeit in seiner ersten Aussage über Vorhalt damit, dass er bei seiner ersten Einvernahme wegen der Zusicherung des Einvernahmeleiters, später Genaueres schildern zu können, zunächst nicht so detailliert angegeben habe, dass ihm die Arbeit vom Flughafen gebracht worden sei und er diese in seiner Werkstatt durchgeführt habe. Eine Auseinandersetzung mit dieser Erklärung des Beschwerdeführers ist dem Bescheid des Bundesasylamtes nicht zu entnehmen.

Weiters erklärte der Beschwerdeführer auch den von der belangten Behörde in ihrer - übernommenen - Beweiswürdigung als nicht nachvollziehbar erklärten Grund für die Übernahme der Arbeiten "für die Amerikaner" trotz der bekannten, im Irak deshalb bestehenden Gefahr einer terroristischen Bedrohung mit fehlenden alternativen Auftraggebern. Auch mit dieser Antwort setzte sich die Beweiswürdigung jedoch nicht auseinander. Eine Beweiswürdigung ist aber nur dann schlüssig, wenn (unter anderem) alle zum Beweis strittiger Tatsachen nach der Aktenlage objektiv geeigneten Umstände berücksichtigt wurden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/19/0403, mwN).

Schließlich kann bloß aus dem Umstand der - beim Beschwerdeführer mit seiner Flucht verbundenen - Aufgabe der "Arbeit für die Amerikaner" noch nicht auf einen endgültigen Wegfall einer Verfolgungsgefahr auch im Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers in sein Herkunftsland geschlossen werden.

Da die vom Bundesasylamt herangezogenen Argumente somit die Beweiswürdigung nicht zu tragen vermögen, hätte die belangte Behörde nicht von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung absehen dürfen. Ausgehend davon kann nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der angesprochenen Verfahrensmängel und schlüssiger Bewertung der Beweisergebnisse zu einem anderen (für den Beschwerdeführer günstigeren) Verfahrensergebnis gelangen hätte können (vgl. zur allfälligen Asylrelevanz einer Verfolgung durch Terroristen wegen einer unterstellten, gegen deren politische Ziele gerichteten politischen Ansicht das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/23/1375, mwN).

Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2, wobei die darin angeordnete Pauschalierung den (gesonderten) Zuspruch von Umsatzsteuer nicht vorsieht, weshalb das Mehrbegehren abzuweisen war.

Wien, am

Fundstelle(n):
DAAAE-85810