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VwGH vom 10.12.2019, Ra 2019/22/0093

VwGH vom 10.12.2019, Ra 2019/22/0093

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW-151/011/11385/2018/E-8, betreffend Aufenthaltsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Y A in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte, eine türkische Staatsangehörige, verfügte zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung "Studierende" gemäß § 64 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) mit einer Gültigkeit bis zum .

2 Mit Bescheid vom wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) den Verlängerungsantrag der Mitbeteiligten vom mangels Vorliegen eines ausreichenden Studienerfolges ab. Das Verwaltungsgericht Wien gab der dagegen erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten mit Erkenntnis vom Folge und erteilte ihr die beantragte Aufenthaltsbewilligung für die Dauer eines Jahres ab Rechtskraft der Entscheidung. Mit Erkenntnis vom , Ra 2017/22/0043, gab der Verwaltungsgerichtshof der dagegen erhobenen Revision der belangten Behörde Folge und hob das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht im zweiten Rechtsgang - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - der Beschwerde der Mitbeteiligten (erneut) statt, hob den Bescheid vom auf und erteilte ihr die beantragte Aufenthaltsbewilligung für die Dauer eines Jahres ab Rechtskraft des Erkenntnisses. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für unzulässig.

Das Verwaltungsgericht führte begründend im Wesentlichen aus, die Mitbeteiligte habe im Zeitraum von bis in der Gesamtschau (von aktuell drei Studienjahren) einen ausreichenden Studienerfolg nachgewiesen. Für diesen Beurteilungszeitraum habe sie einen Studienerfolg im Umfang von 14,5 ECTS-Punkten nachweisen können. Soweit die Mitbeteiligte den erforderlichen Studienerfolg im Ausmaß von 48 ECTS-Punkten nicht vollständig habe erbringen können, werde seitens des Verwaltungsgerichtes das Vorliegen eines außerhalb ihrer Einflusssphäre gelegenen Hinderungsgrundes gemäß § 64 Abs. 2 NAG betreffend die seit dem Jahr 2016 bestehende schwere Erkrankung ihrer Schwester, den Beistand, den die Mitbeteiligte für ihre Schwester im Herkunftsstaat zu leisten gehabt habe, sowie die aufgrund der Verwandtschaft und der genetisch bedingten Übertragungsmöglichkeit dieser Krankheit notwendigen, eigenen Untersuchungen angenommen. Die Mitbeteiligte betreibe ernsthaft und nachhaltig ihr Studium an der Technischen Universität Wien. Die Ernsthaftigkeit ihrer Bemühungen sei auch durch den aktuellen Studienfortschritt im laufenden Studienjahr ersichtlich.

Mit näherer Begründung bejahte das Verwaltungsgericht die Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 1 und 2 NAG, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei. 4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde. 5 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

6 In der Revision wird zur Zulässigkeit unter Verweis auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei im zweiten Rechtsgang in Verkennung der Rechtslage von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Thema Studienerfolg abgewichen, indem es den Zeitraum von drei Studienjahren, nämlich von bis , für die Beurteilung des Studienerfolges als maßgeblich herangezogen habe. In dem für die Beurteilung maßgeblichen, aufgrund des gegenständlichen Verfahrens zuletzt abgelaufenen Studienjahr, das sich über den Zeitraum vom bis zum erstreckte, habe die Mitbeteiligte keinen Studienerfolgsnachweis erbringen können. Ferner seien die von der Mitbeteiligten vorgebrachten Gründe nach der näher zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine unabwendbaren oder unvorhersehbaren Hinderungsgründe im Sinn des § 64 Abs. 2 NAG.

7 Die Revision ist im Hinblick auf dieses Vorbringen zulässig und auch begründet.

8 § 64 Abs. 1 und 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lautet auszugsweise:

"Studenten

§ 64. (1) Drittstaatsangehörigen ist eine Aufenthaltsbewilligung als Student auszustellen, wenn sie

1. die Voraussetzungen des 1. Teiles mit Ausnahme des § 11 Abs. 2 Z 2 erfüllen und

2. ein ordentliches Studium an einer Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, öffentlichen oder privaten Pädagogischen Hochschule gemäß dem Hochschulgesetz 2005, BGBl. I Nr. 30/2006, absolvieren,

...

(2) Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn dieser nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis der Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität oder Pädagogischen Hochschule erbringt und in den Fällen des Abs. 1 Z 4 darüber hinaus spätestens innerhalb von zwei Jahren die Zulassung zu einem Studium gemäß Abs. 1 Z 2 nachweist. Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung einer gesetzlich verpflichtenden fachlichen Ausbildung gemäß Abs. 1 Z 7, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung zu diesem Zweck nur zulässig, wenn der Drittstaatsangehörige einen angemessenen Ausbildungsfortschritt nach Maßgabe der der jeweiligen Ausbildung zugrundeliegenden gesetzlichen Vorschriften erbringt. Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Studienerfolges oder Ausbildungsfortschrittes eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden.

..."

9 § 8 der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV), BGBl. II Nr. 451/2005 in der Fassung BGBl. II Nr. 229/2018, lautet auszugsweise:

"Weitere Urkunden und Nachweise für Aufenthaltsbewilligungen§ 8. Zusätzlich zu den in § 7 genannten Urkunden und Nachweisen sind dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung folgende weitere Urkunden und Nachweise anzuschließen:

...

8. für eine Aufenthaltsbewilligung 'Student':

...

b) im Fall eines Verlängerungsantrages ein schriftlicher Nachweis der Universität, der Fachhochschule, der akkreditierten Privatuniversität oder der öffentlichen oder privaten Pädagogischen Hochschule über den Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr, insbesondere ein Studienerfolgsnachweis gemäß § 74 Abs. 6 des Universitätsgesetzes 2002 (UG), BGBl. I Nr. 120 idF BGBl. I Nr. 56/2018 sowie ein aktuelles Studienblatt und eine Studienbestätigung gemäß § 62 Abs. 4 UG; im Fall des § 64 Abs. 1 Z 4 NAG zusätzlich ein Nachweis über die Zulassung zu einem Studium gemäß § 64 Abs. 1 Z 2 NAG innerhalb von zwei Jahren;

..."

10 Nach den oben angeführten Bestimmungen ist der Studienerfolg eines ausländischen Studierenden für das vorangegangene Studienjahr zu prüfen, wobei dies grundsätzlich jenes Studienjahr ist, das vor dem Gültigkeitsende des bestehenden Aufenthaltstitels liegt (vgl. , mwN). Maßgeblich ist das abgeschlossene und nicht das aktuell laufende Studienjahr.

11 Anders stellt sich die Sach- und Rechtslage dar, wenn auf Grund der Dauer des Verlängerungsverfahrens bereits ein weiteres Studienjahr verstrichen ist. In einem solchen Fall kann es der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht nicht verwehrt werden, im Sinn eines aktualitätsbezogenen Studienerfolgs zwecks Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung einen Erfolgsnachweis für das zuletzt abgelaufene Studienjahr zu fordern. Das Verwaltungsgericht kann daher das jüngst abgeschlossene Studienjahr als maßgeblich heranziehen, wenn während des anhängigen Verlängerungsverfahrens ein weiteres Studienjahr vollendet wurde (vgl. , Pkt. 5.2., mwN).

12 Vorliegend verfügte die Mitbeteiligte zuletzt über eine bis zum verlängerte Aufenthaltsbewilligung. Mit ihrem Verlängerungsantrag (vom ) war somit grundsätzlich der Studienerfolg im vorangegangenen abgeschlossenen Studienjahr 2015/2016 nachzuweisen. Während des gegenständlichen Verfahrens sind - wie in der Revision zutreffend aufgezeigt wird - zwei weitere Studienjahre verstrichen, sodass das zuletzt abgelaufene Studienjahr 2017/2018, welches gemäß § 52 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 am begann und am endete, als nunmehr vorangegangenes und für die Beurteilung des Studienerfolges maßgebliches Studienjahr zu erachten war. Für dieses zuletzt verstrichene Studienjahr konnte die Mitbeteiligte keinen ausreichenden Studienerfolg nachweisen. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes gibt es keine Anhaltspunkte dafür, abweichend von der auf das Studienjahr abstellenden Regelung des § 8 Z 8 lit. b NAG-DV und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung des Studienerfolgs auf den Zeitraum der letzten drei Studienjahre abzustellen (vgl. , wonach der Studienerfolg nicht für gesamte bisherige Studienlaufbahn zu prüfen ist).

13 Die (zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses) im laufenden Studienjahr abgelegten Prüfungen liegen - wie auch das Verwaltungsgericht ohne Rechtsirrtum erkannte - außerhalb des maßgeblichen Beurteilungszeitraumes und können keinen beachtlichen Studienerfolg im Sinn des § 64 Abs. 2 NAG begründen (vgl. zu den gegen ein Akzeptieren des Studienerfolges im aktuell laufenden Jahr sprechenden Gründen , Rn. 10).

14 Das Verwaltungsgericht hat somit, indem es nicht den fehlenden Studienerfolgsnachweis im zuletzt abgelaufenen Studienjahr als maßgeblich angesehen, sondern den Zeitraum von drei Studienjahren, nämlich von bis , als den maßgeblichen Beurteilungszeitraum herangezogen hat, die Rechtslage verkannt.

15 Soweit das Verwaltungsgericht das Vorbringen der Mitbeteiligten betreffend die Krankheit ihrer Schwester und ihre damit einhergehende Verhinderung an einem ordnungsgemäßen Studienerfolg als unabwendbaren und unvorhersehbaren Hinderungsgrund im Sinn des § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG für das Fehlen des Studienerfolges wertete, ist dem Folgendes entgegenzuhalten: Nach der zu § 64 Abs. 3 NAG, in der Fassung vor BGBl. I Nr. 56/2018, ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung auf die hier anzuwendende Rechtslage übertragbar ist, fallen weder psychische Belastungen durch die Erkrankung eines Familienmitglieds (vgl. , mwN) noch familiär bedingte Abwesenheiten (vgl. ) unter den Tatbestand des § 64 Abs. 3 (nunmehr Abs. 2) NAG. Ein derartiger Hinderungsgrund ist im

gegenständlichen Fall von der Mitbeteiligten (etwa hinsichtlich ihrer eigenen Untersuchungen) auch nicht substantiiert dargelegt (vgl. zur Verpflichtung der konkreten Behauptung , Rn. 13, mwN) und vom Verwaltungsgericht auch nicht näher festgestellt worden.

16 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen

Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG

aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019220093.L00
Schlagworte:
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere Rechtsgebiete Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

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