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VwGH 18.04.2019, Ra 2019/22/0080

VwGH 18.04.2019, Ra 2019/22/0080

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
VwGG §30 Abs2
RS 1
Nichtstattgebung - Aufenthaltstitel - Den die Einreise und den Aufenthalt Fremder regelnden Vorschriften und deren Befolgung kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu, sodass ein hohes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Aufenthaltsehen besteht (vgl. etwa ). Unter Berücksichtigung des großen Gewichts der dadurch beeinträchtigten öffentlichen Interessen macht der Revisionswerber mit den im Aufschiebungsantrag begründenden Ausführungen keinen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG.
Normen
AVG §69 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z1
RS 1
Bei § 69 Abs. 1 Z 1 AVG handelt es sich um einen absoluten Wiederaufnahmegrund. Es ist somit nicht zu prüfen, ob sein Fehlen allein oder in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens voraussichtlich eine im Hauptinhalt des Spruches anders lautende Entscheidung herbeigeführt hätte. Ermittlungen zur Frage der Relevanz des als Wiederaufnahmegrund herangezogenen Verhaltens sind daher grundsätzlich entbehrlich (vgl. ). Dies hat zur Konsequenz, dass die ursprünglichen Anträge ohne Berücksichtigung der in Täuschungsabsicht gesetzten Handlung zu beurteilen sind. Fehlen dann besondere Erteilungsvoraussetzungen, hat dies in gleicher Weise die Abweisung der Anträge zur Folge, wie dies bei Fehlen der Erteilungsvoraussetzung von Anfang an der Fall gewesen wäre. Da die Täuschungshandlung keine Besserstellung des Antragstellers zur Konsequenz haben darf, verbietet sich auch hier eine Interessenabwägung nach Art. 8 MRK.

Entscheidungstext

Betreff

?

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des A (geboren 1983), vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, der gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , VGW- 151/081/16158/2018-12, betreffend Aufenthaltstitel, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

1 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

2 Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass im Aufschiebungsverfahren die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu beurteilen ist, sondern es ist - wenn das in der Revision selbst erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen ist - zunächst von den Annahmen in der angefochtenen Entscheidung auszugehen. Eine aufschiebende Wirkung ist demnach nur zuzuerkennen, wenn der Fehler in der angefochtenen Entscheidung nicht bloß ein potentieller, sondern ein evidenter ist (vgl. , mwN).

3 Gegenständlich ist nach den vorgelegten Akten von einem solchen offenkundig vorliegenden Fehler des Verwaltungsgerichts Wien nicht auszugehen. Daher ist im vorliegenden Provisorialverfahren von den Annahmen der angefochtenen Entscheidung auszugehen.

4 Der Revisionswerber bringt zu seinem Aufschiebungsantrag im Wesentlichen vor, der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stünden keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen; von ihm gehe keine Gefahr oder Bedrohung der öffentlichen Ordnung aus und auch dritten Personen erwüchsen durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine Nachteile.

5 Dem ist entgegen zu halten, dass den die Einreise und den Aufenthalt Fremder regelnden Vorschriften und deren Befolgung aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zukommt, sodass ein hohes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Aufenthaltsehen besteht (vgl. etwa ). Unter Berücksichtigung des großen Gewichts der dadurch beeinträchtigten öffentlichen Interessen macht der Revisionswerber in seinem Aufschiebungsantrag begründenden Ausführungen keinen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinn des § 30 Abs. 2 leg. cit. geltend.

6 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des A S, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4, gegen das - am  mündlich verkündete und mit schriftlich ausgefertigte - Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW-151/081/16158/2018-12, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (VwG) wurde die Beschwerde des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (Behörde) vom , mit dem mehrere Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG wiederaufgenommen und die Anträge des Revisionswerbers auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aufgrund des Vorliegens einer Aufenthaltsehe abgewiesen worden waren, mit einer hier nicht entscheidungsrelevanten Maßgabe abgewiesen. Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.

Begründend führte das VwG - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und ausführlicher Beweiswürdigung - aus, der Revisionswerber sei mit der österreichischen Staatsbürgerin R.A. eine Aufenthaltsehe eingegangen und habe sich bei Erteilung der Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" auf diese Ehe berufen. Dadurch sei der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG erfüllt. Die ihm erteilten Aufenthaltstitel "Familienangehöriger von Österreicher" seien somit mangels Vorliegen der besonderen Erteilungsvoraussetzung abzuweisen gewesen. Der nach der Scheidung eingebrachte Antrag auf Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" sei abzuweisen gewesen, weil dem Revisionswerber mangels Aufenthaltstitel ein eigenständiges Niederlassungsrecht gemäß § 27 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) nicht zustehe.

5 In der Zulässigkeitsbegründung bringt der Revisionswerber vor, "(d)as Höchstgericht hat sich noch nicht ausreichend mit der Rechtsfrage befasst, dass abgeleitet aus der gesamten europäischen Rechtsordnung, insbesondere der EMRK, die grundsätzlich Vorrangwirkung zu innerstaatlichen Gesetzen hat, bei einem langjährigen Aufenthalt, sich der Bf. in diesem Aberkennungsverfahren eines Aufenthaltstitels, auf seine ebenfalls langjährige Integration berufen kann." Eine Aufenthaltsehe stelle ein Verwaltungsdelikt dar. Im Fall anderer Verwaltungsdelikte sehe das NAG eine Rückstufung gemäß § 28 NAG vor, wobei auf die langjährige Integration Bedacht genommen werde. Im gegenständlichen Fall der Wiederaufnahme des Verfahrens finde keine Integrationsprüfung statt; dadurch würden "sämtliche Entscheidungen der Höchstgerichte, dass bei einem beispielsweise mehr als 10 jährigen Aufenthalt in Ö, und weiteren Integrationsmerkmalen, Sprache, Arbeit, Freunde etc. der Bf. das Recht auf einen Weiterverbleib in Ö hat", konterkariert. Daher wäre in Wiederaufnahmeverfahren gemäß § 69 AVG eine Interessenabwägung durchzuführen.

Dabei übersieht der Revisionswerber, dass es sich bei § 69 Abs. 1 Z 1 AVG um einen absoluten Wiederaufnahmegrund handelt. Es ist somit nicht zu prüfen, ob sein Fehlen allein oder in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens voraussichtlich eine im Hauptinhalt des Spruches anders lautende Entscheidung herbeigeführt hätte (vgl. die Ausführungen bei Thienel/Zeleny, Verwaltungsverfahren20 (2017) § 69 Anm. 2). Ermittlungen zur Frage der Relevanz des als Wiederaufnahmegrund herangezogenen Verhaltens sind daher grundsätzlich entbehrlich (vgl. etwa , Rn. 11, mwN).

Dies hat zur Konsequenz, dass die ursprünglichen Anträge nun ohne Berücksichtigung der in Täuschungsabsicht gesetzten Handlung zu beurteilen sind. Fehlen dann - wie in der vorliegenden Konstellation - besondere Erteilungsvoraussetzungen, hat dies in gleicher Weise die Abweisung der Anträge zur Folge, wie dies bei Fehlen der Erteilungsvoraussetzung von Anfang an der Fall gewesen wäre. Da die Täuschungshandlung keine Besserstellung des Antragstellers zur Konsequenz haben darf, verbietet sich auch hier eine Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK.

6 Der Revisionswerber bestreitet weiter das Vorliegen einer Aufenthaltsehe und führt aus, es liege kein Beweis vor, die Entscheidung des VwG beruhe auf Vermutungen und unrichtigen Feststellungen; dies stelle eine Überschreitung der objektiven Grenzen der freien Beweiswürdigung dar. Das Höchstgericht habe sich noch nicht damit auseinandergesetzt, ob dadurch "eine Willkürlichkeit der Entscheidungsfindung vorliegt".

Dazu ist vorweg auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn das VwG die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vornahm. Die Beweiswürdigung des VwG unterliegt nur in beschränktem Maße, nämlich nur hinsichtlich ihrer Schlüssigkeit, nicht aber hinsichtlich ihrer Richtigkeit, einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. , Rn. 7, mwN). Hinsichtlich Begründungsmängeln ist in der Zulassungsbegründung auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels für den Verfahrensausgang darzulegen (vgl. erneut VwGH Ra 2018/22/0250, Rn. 9, mwN).

Inwiefern das VwG seine Entscheidung auf unrichtige Feststellungen gegründet habe, lässt die Revision offen. Sie bestreitet auch nicht, dass etwa hinsichtlich der Hochzeitsfeier, des Ablaufes des Kennenlernens, der persönlichen Vorlieben und des Tagesablaufes, der gemeinsamen Unternehmungen sowie der Wohnverhältnisse in der Wohnung des Revisionswerbers widersprüchliche bzw. abweichende Angaben gemacht wurden und die geschiedenen Eheleute nur vage Kenntnisse über die Familien (Kinder, Enkelkinder, Eltern) des Ehepartners bzw. der Ehepartnerin hatten. Angesichts dessen und der zeitlichen Abfolge der Ehen und Scheidungen des Revisionswebers ist nicht zu erkennen, dass die Beweiswürdigung des VwG unschlüssig oder in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre.

7 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
VwGG §30 Abs2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019220080.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAE-85783