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VwGH vom 13.12.2010, 2008/23/0273

VwGH vom 13.12.2010, 2008/23/0273

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2008/23/0274

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall sowie die Hofräte Dr. Hofbauer, Mag. Dr. Wurdinger, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerden 1. des S A (geboren 1971) und

2. des M A (geboren 2003), beide vertreten durch Dr. Robert Winter-Holzinger, Rechtsanwalt in 8190 Birkfeld, Hauptplatz 15, gegen 1.) den am mündlich verkündeten und am schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 242.795/0-VII/20/03 (protokolliert zur hg. Zl. 2008/23/0273), und 2.) den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 242.792/2-VII/20/06 (protokolliert zur hg. Zl. 2008/23/0274), betreffend §§ 7, 8 Asylgesetz 1997 (ad 1.) bzw. §§ 10, 11 Asylgesetz 1997 (ad 2.), (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der erstangefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerden abgelehnt.

Ein Aufwandersatz im Verfahren des Zweitbeschwerdeführers findet nicht statt.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer ist der Vater des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers, beide sind russische Staatsangehörige tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit und beantragten in Österreich am Asyl bzw. die Erstreckung des dem Erstbeschwerdeführer zu gewährenden Asyls. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am gab der Erstbeschwerdeführer zusammengefasst an, er sei im Zuge einer Säuberungsaktion mitgenommen und tagelang angehalten worden, bis er durch seine Eltern freigekauft worden sei.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom den Asylantrag des Erstbeschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.) und erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Förderation gemäß § 8 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II.). Den Asylerstreckungsantrag des Zweitbeschwerdeführers wies das Bundesasylamt ebenfalls mit Bescheid vom selben Tag gemäß §§ 10, 11 AsylG ab.

Die dagegen erhobenen Berufungen wies die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung ab. Begründend führte sie unter näherer Darlegung aus, dass das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers widersprüchlich gewesen sei und daher keine Verfolgung glaubhaft gemacht worden sei. Ihre abweisende Refoulemententscheidung begründete die belangte Behörde nach umfangreichen Feststellungen zur Situation in Tschetschenien damit, dass sich aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren "kein Anhaltspunkt für eine Gefährdungssituation" gemäß § 57 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz 1997 ergeben habe und trotz der äußerst schlechten wirtschaftlichen Situation, die auch aus dem Länderdokumentationsmaterial ersichtlich sei, der Erstbeschwerdeführer und seine Familie eine ausreichende wirtschaftliche Grundlage im Herkunftsstaat vorfänden.

Über die gegen diese Bescheide erhobenen - wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

zu I.

Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 AVG sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zur Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. dazu aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom , Zlen. 2007/20/0860 bis 0865).

Die im erstangefochtenen Bescheid enthaltenen Länderfeststellungen zu Tschetschenien geben auszugsweise den Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Tschetschenien) vom wieder und zeichnen das Bild einer katastrophalen, von ständigen willkürlichen Gewaltakten und Übergriffen der Militärs und Rebellen gekennzeichneten Sicherheitslage für die Zivilbevölkerung in Tschetschenien.

Ohne weitere beweiswürdigende Auseinanderzusetzung bzw. nähere Begründung versagte die belangte Behörde die Gewährung von Refoulementschutz lediglich unter Hinweis auf die ausreichende wirtschaftliche Grundlage der Familie des Erstbeschwerdeführers im Herkunftsstaat. Damit hat es die belangte Behörde aber unterlassen, nachvollziehbar darzulegen, warum sie trotz der von ihr selbst angenommenen dramatischen Sicherheitslage zum Erlassungszeitpunkt der angefochtenen Bescheide zu dem Schluss gelangen konnte, dass kein Anhaltspunkt für eine Gefährdung des Erstbeschwerdeführers bei dessen Rückkehr bestehe.

Der erstangefochtene Bescheid war daher insoweit, als damit die Zulässigkeit des Refoulements des Erstbeschwerdeführers hinsichtlich der Russischen Föderation bestätigt wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

zu II.

Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beschwerden werfen - abgesehen von der unter I. der Entscheidungsgründe behandelten Frage der Refoulemententscheidung hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers - keine für die Entscheidung dieser Fälle maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerden im Übrigen abzulehnen.

Den Verfahrensaufwand vor dem Verwaltungsgerichtshof hat der Zweitbeschwerdeführer in diesem Fall selbst zu tragen (§ 58 Abs. 1 VwGG).

Wien, am

Fundstelle(n):
BAAAE-85773