VwGH vom 25.04.2019, Ra 2019/22/0049
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des M B, vertreten durch Dr. Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen das am mündlich verkündete und mit schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW-103/040/8125/2018-5, betreffend Entziehung des Reisepasses (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Der Revisionswerber ist österreichischer Staatsbürger. Er wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren (davon zwei Jahre bedingt nachgesehen) wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels mit einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b Suchtmittelgesetz - SMG) übersteigenden Menge, des Vergehens der Vorbereitung des Suchtgifthandels, des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften und des Vergehens des unbefugten Besitzes einer Schusswaffe und von Kriegsmaterial (einer Waffe der Marke "Kalaschnikov" samt Patronen) verurteilt. Der Tatzeitraum erstreckt sich von bis Ende September 2014. Den unbedingten Teil der Haftstrafe verbüßte der Revisionswerber zwischen Juli 2015 und Juli 2016 in Form eines elektronisch überwachten Hausarrests.
5 Mit Bescheid des Bürgermeisters von Wien (Behörde) vom wurde dem Revisionswerber der österreichische Reisepass gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z 3 lit. f Passgesetz 1992 (PassG) entzogen.
6 Das Verwaltungsgericht Wien (VwG) wies die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ab und erklärte eine ordentliche Revision für nicht zulässig.
Dies begründete das VwG im Wesentlichen mit der Verurteilung des Revisionswerbers vom zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Das Gericht habe - so das VwG - die Tatbegehung während offener Probezeit (betreffend eine Verurteilung vom wegen versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, bedingt nachgesehen für drei Jahre; diese Nachsicht wurde auf fünf Jahre verlängert) sowie eine einschlägige Vorstrafe erschwerend berücksichtigt; mildernd habe das Gericht das reumütige Geständnis, die Leistung eines wesentlichen Beitrages zur Wahrheitsfindung und den teils untergeordneten Tatbeitrag gewertet. Über die aktuellen Familienverhältnisse des Revisionswerbers und darüber, ob er in den Arbeitsmarkt integriert sei, sei nichts bekannt.
Für die Entziehung eines Reisepasses gemäß § 14 Abs. 1 Z 3 lit. f PassG genüge es, dass Tatsachen vorlägen, die darauf schließen ließen, dass der Täter künftig zum Zweck des Suchtmittelhandels von seinem Reisepass Gebrauch machen könnte (Hinweis auf ). Angesichts der Schwere des vom Revisionswerber gezeigten Fehlverhaltens, seiner Suchtmittelabhängigkeit während des Tatbegehungszeitraumes, der bei Suchtgiftdelikten besonders hoch einzustufenden Wiederholungsgefahr und des Umstandes, dass während des Strafvollzuges verbrachte Zeiten bei der Beurteilung des Wohlverhaltens außer Betracht zu bleiben hätten (Hinweis auf ), könne die vom Revisionswerber ausgehende Gefahr weiterer - auch anders gelagerter, etwa die Einfuhr unter Verwendung eines Reisepasses umfassender - Suchtgiftdelikte nicht als weggefallen oder entscheidend gemindert angesehen werden (Hinweis auf ). Das VwG bejahte auch die Verhältnismäßigkeit der Passentziehung aus unionsrechtlicher Sicht (Hinweis auf , Gaydarov).
7 In der Zulässigkeitsbegründung bringt die Revision vor, es gebe keine hg. Judikatur zu den Fragen, ob Zeiten des elektronisch überwachten Hausarrests bei der Beurteilung des Wohlverhaltens gemäß § 14 und 15 PassG außer Acht zu bleiben hätten, ob die Zeiten des Wohlverhaltens ab dem Zeitpunkt der Tatvollendung oder der strafrechtlichen Verurteilung zu berücksichtigen seien und ob das VwG an die positive Zukunftsprognose des Strafgerichtes gebunden sei.
8 Damit wendet sich der Revisionswerber gegen die vom VwG durchgeführte Gefährdungsprognose. Eine solche stellt eine einzelfallbezogene Beurteilung dar, die im Allgemeinen - sofern sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa , mwN). Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Passbehörde bzw. das VwG nach ständiger hg. Judikatur das Vorliegen eines Passversagungsgrundes eigenständig zu beurteilen hat, ohne an die Erwägungen eines Gerichtes gebunden zu sein (vgl. die bei Fuchs/Keplinger, Passgesetz, § 14 A.3. zitierte hg. Rechtsprechung, sowie , mwN).
Das VwG legte seiner Entscheidung - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu der der Revisionswerber jedoch nicht erschienen war - die Schwere des in der Vergangenheit gezeigten Fehlverhaltens des Revisionswerbers, die als besonders groß einzustufende Wiederholungsgefahr und die Ungewissheit seiner familiären Verhältnisse sowie einer allfälligen Eingliederung in den Arbeitsmarkt zugrunde und erachtete den Zeitraum des Wohlverhaltens nach dem elektronisch überwachten Hausarrest von zweieinhalb Jahren als nicht ausreichend. Im Beschluss vom , Ra 2016/22/0036, beurteilte der Verwaltungsgerichtshof in einem Verfahren betreffend die Entziehung des Reisepasses ebenfalls gemäß § 14 Abs. 1 Z 3 lit. f PassG einen Zeitraum des Wohlverhaltens von vier Jahren als nicht ausreichend. Bei der Beurteilung des Wohlverhaltens ist in erster Linie das gezeigte Verhalten in Freiheit maßgeblich (vgl. , Rn. 10, mwN); dem sind Zeiten des elektronisch überwachten Hausarrests nicht gleichzuhalten. Aber selbst wenn man die Zeiten des elektronisch überwachten Hausarrests bei der Beurteilung des Wohlverhaltens uneingeschränkt berücksichtigte und dieses bereits ab dem Zeitpunkt der Tatvollendung rechnete, könnte der Revisionswerber nur einen Zeitraum von vier Jahren und ca. drei Monaten (Ende September 2014 bis ) vorweisen, während dessen keine strafbaren Handlungen festgestellt wurden. Angesichts der oben zitierten Vorjudikatur zeigt der Revisionswerber aber nicht auf und ist nicht erkennbar, dass das VwG die Beurteilung der Gefährdungsprognose in unvertretbarer Weise und außerhalb der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen hätte. 9 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.
10 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019220049.L00 |
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