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VwGH vom 20.11.2014, 2011/07/0197

VwGH vom 20.11.2014, 2011/07/0197

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des Bundesamtes für Ernährungssicherheit in 1220 Wien, Spargelfeldstraße 191, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom , Zl. E 093/12/2011.001/018, betreffend Übertretung des Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997 (mitbeteiligte Partei: Dipl. Ing. E P in A, vertreten durch Dr. Hannes K. Müller, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 18/II; weitere Partei:

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenbegehren der belangten Behörde wird zurückgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei ist gewerberechtliche Geschäftsführerin der G. GesmbH. Das gegen sie als gemäß § 9 Abs. 1 VStG Verantwortliche der G. GesmbH geführte Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachts der Verwaltungsübertretung nach § 34 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 und 4 Pflanzenschutzmittelgesetz (PMG 1997) durch Inverkehrbringen näher bestimmter Mengen der Pflanzenschutzmittel Sumicidin Supra, Reldan 22, Lagerhaus Penconazol, Lagerhaus Lambda-Cyhalothrin, ChemSource Nicosulfuron 40 und Orefa Nico 40 wurde mit Bescheid des Magistrats der Landeshauptstadt Freistadt Eisenstadt vom eingestellt.

Die gegen diesen Bescheid vom Bundesamt für Ernährungssicherheit erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die mitbeteiligte Partei hätte Bauern der Umgebung, die für den Bezug von Pflanzenschutzmitteln als Einkaufsgemeinschaft Antau (im Folgenden: Einkaufsgemeinschaft) aufträten, einen Lagerraum samt Schlüssel innerhalb der Getreidemühle zur Verfügung gestellt und sich erhofft, dass die Bauern der Einkaufsgemeinschaft im Gegenzug ihr Getreide an die Mühle lieferten. Die Verfügungsgewalt über die Pflanzenschutzmittel sei bei den Bauern der Einkaufsgemeinschaft gelegen, welche die Pflanzenschutzmittel zur weiteren Abgabe an ihre Mitglieder gelagert hätten. Die mitbeteiligte Partei habe keine Verfügungsgewalt über die Pflanzenschutzmittel gehabt und trage keinerlei Verantwortung für die Lagerung. Die Absicht, gewerbsmäßig Pflanzenschutzmittel in erster Vertriebsstufe in Verkehr zu bringen, habe der mitbeteiligten Partei nicht nachgewiesen werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde des Bundesamtes für Ernährungssicherheit, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Zum Beschwerdegrund der inhaltlichen Rechtswidrigkeit bringt die beschwerdeführende Partei vor, entgegen der Ansicht der belangten Behörde habe die mitbeteiligte Partei die Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht. Die mitbeteiligte Partei sei schon aufgrund der Zurverfügungstellung des Lagerraums am Standort der G. GesmbH verantwortlich für die Lagerung. Außerdem hätten nur Mitarbeiter der G. GesmbH über einen Schlüssel für diese Räumlichkeit verfügt und es seien die Bestellung der Pflanzenschutzmittel, die Kontrolle der angelieferten Produkte und die weitere Abgabe der Pflanzenschutzmittel von einer Mitarbeiterin der G. GesmbH vorgenommen worden. Die Bauern der Einkaufsgemeinschaft hätten keine Verfügungsgewalt über die gegenständlichen Pflanzenschutzmittel gehabt.

Die mitbeteiligte Partei habe sich durch das - grundsätzlich unentgeltliche - Zurverfügungstellen des Lagers eine verstärkte Bindung der Bauern an die G. GesmbH erhofft und somit einen wirtschaftlichen Vorteil für sich erwartet. Nach dem Erlass des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) vom habe der "Vermittler" auch bei Vorliegen bloßer Vermittlungsgeschäfte darauf zu achten, dass die angebotenen Produkte den Bestimmungen des PMG 1997 entsprächen.

Die belangte Behörde hätte zu der Ansicht kommen müssen, dass auch die unentgeltliche Lagerung von Pflanzenschutzmitteln zum Zwecke der Abgabe an Mitglieder einer Einkaufsgemeinschaft ein Inverkehrbringen im Sinne des § 2 Abs. 10 PMG 1997 darstelle. Die gegenteilige Rechtsansicht der belangten Behörde würde dazu führen, dass die Handlung des Lagerns unzulässiger Pflanzenschutzmittel nicht verfolgbar sei, weil die Anwendung nicht zugelassener Pflanzenschutzmittel durch die Mitglieder der Einkaufsgemeinschaft nicht unter das PMG 1997 falle.

Aufgrund ihrer unrichtigen rechtlichen Beurteilung habe die belangte Behörde keine Feststellung dahingehend getroffen, dass die gegenständlichen Pflanzenschutzmittel keine Kennzeichnung aufgewiesen hätten, aus der erkennbar gewesen wäre, dass die Produkte zum Rücktransport (an den Abgeber) vorgesehen gewesen wären. Nur in diesem Fall läge jedoch die Ausnahme von der Zulassungsverpflichtung gemäß § 3 Abs. 2 PMG 1997 vor.

Schließlich führt die beschwerdeführende Partei aus, aus dem Akt ergebe sich eindeutig, dass nur einige Mitarbeiter der G. GesmbH über Schlüssel zum Lager verfügt hätten und die Verfügungsgewalt daher bei der mitbeteiligten Partei gelegen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Gemäß § 2 Abs. 10 Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997 (PMG 1997), BGBl. I Nr. 60 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 86/2009, ist "Inverkehrbringen" das Lagern und Vorrätighalten zum Zwecke des Verkaufs oder der sonstigen Abgabe an andere, das Feilhalten, das Verkaufen und jedes sonstige Überlassen an andere - insbesondere auch die Abgabe in Genossenschaften, Vereinen oder sonstigen Vereinigungen an deren Mitglieder - sowie die Einfuhr aus Drittländern.

Im gegenständlichen Fall geht die beschwerdeführende Partei davon aus, dass die mitbeteiligte Partei als gewerberechtliche Geschäftsführerin durch die Zurverfügungstellung eines Lagerraums an die Einkaufsgemeinschaft die dort gelagerten Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht hätte.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 2 Abs. 10 PMG 1997 ist unter dem Begriff des Vorrätighaltens zum Verkauf auch das Lagern von Pflanzenschutzmitteln, soweit sie dem (späteren) Verkauf zugeführt werden sollen, zu verstehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber bereits ausgesprochen, dass das bloße Lagern von Pflanzenschutzmitteln kein Inverkehrbringen im Sinne des § 2 Abs. 10 PMG 1997 darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/07/0027).

Im gegenständlichen Fall besteht die Handlung, welche die beschwerdeführende Partei unter den Tatbestand des Inverkehrbringens subsumieren möchte, in der bloßen Zurverfügungstellung eines Lagerraums. Die beschwerdeführende Partei ließ unbestritten, dass die Lagerung der Pflanzenschutzmittel nicht durch die mitbeteiligte Partei erfolgte. Wenn aber schon das bloße Lagern nicht als Inverkehrbringen zu beurteilen ist, kann die Zurverfügungstellung eines Lagerraums - entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Partei - diesen Tatbestand ebenfalls nicht erfüllen. Die Zurverfügungstellung eines Lagerraums ist daher, so wie die bloße Lagerung selbst, nicht als Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln im Sinne des § 2 Abs. 10 PMG 1997 zu beurteilen.

Was die Berufung der beschwerdeführenden Partei auf den genannten Erlass des BMLFUW betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass ein Erlass keine für den Verwaltungsgerichtshof verbindliche Rechtsquelle darstellt (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2001/07/0172, und vom , Zl. 2006/07/0011).

Zum Beschwerdevorbringen, es seien nur einige Mitarbeiter der G. GesmbH, "nicht jedoch die betreffenden Bauern" im Besitz eines Schlüssels für den Lagerraum gewesen, weshalb die Verfügungsgewalt über die und die Verantwortlichkeit für die gelagerten Pflanzenschutzmittel "umso mehr und ausschließlich" bei der mitbeteiligten Partei gelegen sei, ist anzumerken, dass die Zeugin M. P., die von ihrer Wohnadresse aus für die Mitglieder der Einkaufsgemeinschaft den geschäftlichen Verkehr abwickelt und auch die Pflanzenschutzmittel an die Bauern weitergibt, in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde angegeben hat, einen Schlüssel für den Lagerraum zu haben. Der Umstand, dass M. P. auch als selbständige Buchhalterin für die G. GesmbH tätig ist und Mitarbeiter der G. GesmbH über einen Schlüssel für den Lagerraum verfügten, begründet keine Verantwortung der mitbeteiligten Partei für die Lagerung der Pflanzenschutzmittel.

Da der mitbeteiligten Partei bereits kein Inverkehrbringen der Pflanzenschutzmittel zur Last zu legen war, waren von der belangten Behörde auch keine weiteren Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen einer Ausnahme von der Zulassungspflicht im Sinne des § 3 Abs. 2 PMG 1997 zu treffen.

Die vorliegende Amtsbeschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Das Kostenbegehren der belangten Behörde war gemäß § 47 Abs. 4 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
QAAAE-85703