VwGH vom 26.01.2010, 2008/22/0941
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Max Pichler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 21, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 150.055/2-III/4/07, betreffend Daueraufenthaltskarte, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) einen am durch den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gestellten Antrag auf Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG zurück.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am illegal nach Österreich eingereist sei und am Tag darauf einen Asylantrag gestellt habe. Das Asylverfahren sei noch nicht rechtskräftig abgeschlossen; der Beschwerdeführer verfüge seit über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz.
Am habe er am Standesamt W eine italienische Staatsangehörige geheiratet.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen - unter Wiedergabe der Bestimmung des § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG - aus, dass das NAG nach dieser Bestimmung auf den Beschwerdeführer nicht anwendbar sei, weil er nach den Bestimmungen des Asylgesetzes vorläufig zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei.
Auch eine "Prüfung eines allfälligen Aufenthaltsrechtes, abgeleitet unmittelbar vom Gemeinschaftsrecht der EU", könne für den Beschwerdeführer nicht zum gewünschten Erfolg führen, weil dieser die in der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Freizügigkeitsrichtlinie), festgelegten Voraussetzungen nicht erfülle. Durch die Eheschließung mit einer EU-Bürgerin in Österreich habe der Beschwerdeführer nicht gemeinsam mit seiner Ehefrau von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht; dazu wäre nämlich eine "gemeinsame Einreise nach der Eheschließung und der damit verbundenen Aufenthaltsberechtigung in einem anderen Mitgliedstaat der EU nötig gewesen".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG (in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 99/2006) gilt dieses Bundesgesetz nicht für Fremde, die nach dem Asylgesetz 2005 und nach vorigen asylgesetzlichen Bestimmungen zum Aufenthalt berechtigt sind, soweit das NAG nicht anderes bestimmt. Diese Bestimmung wird allerdings im Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/38/EG durch das Gemeinschaftsrecht verdrängt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0297, mwN).
Gemäß § 54 Abs. 1 NAG sind Angehörige von freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern, die nicht EWR-Bürger sind und die die in § 52 Z. 1 bis 3 NAG genannten Voraussetzungen erfüllen, zur Niederlassung berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Daueraufenthaltskarte für die Dauer von zehn Jahren auszustellen.
Nach § 52 Z. 1 NAG sind Angehörige von freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern, die selbst EWR-Bürger sind, zur Niederlassung berechtigt, wenn sie Ehegatte sind und den EWR-Bürger begleiten oder zu ihm nachziehen.
Zwar enthält § 52 NAG - in Anlehnung an Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG - die Wendung "und diesen begleiten oder zu ihm nachziehen", der Europäische Gerichtshof hat allerdings zu dieser Richtlinienbestimmung ausgesprochen, dass es keine Rolle spielt, ob Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind, bevor oder nachdem sie Familienangehörige des Unionsbürgers wurden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , 2009/22/0028, mwN, insbesondere mit Hinweis auf das Metock u.a., C-127/08).
Die belangte Behörde, die davon ausgegangen ist, die Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG auf den Beschwerdeführer setze voraus, dass dieser bereits vor der gemeinsamen Einreise in Österreich als Aufnahmemitgliedstaat seine (italienische) Ehefrau heiraten hätte müssen, hat dadurch den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet; dieser ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
FAAAE-85695