VwGH vom 14.12.2010, 2008/22/0911

VwGH vom 14.12.2010, 2008/22/0911

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der M, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 152.674/2-III/4/08, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer ägyptischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zwecks Familienzusammenführung mit ihrem österreichischen Ehemann gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung verwies die belangte Behörde im Wesentlichen darauf, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin Zusammenführender im Sinn des § 46 Abs. 4 NAG sei und von ihm die angestrebte Niederlassungsbewilligung abgeleitet werden solle. Aus dem Verwaltungsakt gehe hervor, dass die Beschwerdeführerin im Zug ihrer Antragstellung u.a. auch eine Bestätigung des Zeitschriftenhandels E vom über das Einkommen ihres Ehemannes in Höhe von EUR 3.602,-- vorgelegt habe. Im Ermittlungsverfahren sei festgestellt worden, dass E als Inhaber des gleichnamigen Zeitschriftenhandels im April 2006 verstorben und mit seinem Tod "die Firma" geschlossen worden sei. Es stehe somit fest, dass die Einkommensbestätigung als falsches Beweismittel in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren zu werten sei.

In der Berufung vom habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, dass sie in keiner Weise in Kenntnis einer möglichen Unrichtigkeit der Bestätigung der Firma E gewesen wäre. Sie hätte sich auf ihren Mann, der österreichischer Staatsbürger wäre und seit Jahren in Österreich lebte, verlassen.

Dem - so die belangte Behörde weiter - werde allerdings entgegengehalten, dass die Beschwerdeführerin persönlich die Unterlagen bei der Behörde vorgelegt habe und somit die Vorlage verfälschter Unterlagen eindeutig ihr zugeschrieben werden müsse. Es stehe fest, dass die Beschwerdeführerin unter Verwendung einer falschen Einkommensbestätigung als Beweismittel im erstinstanzlichen Verfahren versucht habe, die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu erwirken. Damit würde ihr Aufenthalt zu einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung führen.

In der weiteren Bescheidbegründung nahm die belangte Behörde eine Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK zu Lasten der Beschwerdeführerin vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführerin verweist auf ihr Vorbringen in der Berufung, wonach sie mit der Vorlage der Einkommensbestätigung "absolut nichts zu tun" gehabt habe. Diese Bestätigungen seien von ihrem Ehemann vorgelegt worden. Die Beschwerdeführerin habe keine Kenntnis von diesen Bestätigungen gehabt und hätte sie auch nicht lesen können, weil sie der deutschen Sprache nicht mächtig sei. Sie habe auf ihren Ehemann vertraut. Sie habe in keiner Weise die österreichische Rechtsordnung nicht beachtet oder eine Behörde getäuscht.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Es hat zwar die belangte Behörde zutreffend darauf hingewiesen, dass dem "geordneten Zuwanderungswesen" eine hohe Bedeutung zukommt und die Verwendung gefälschter Urkunden durch einen Antragsteller zur Erlangung eines Aufenthaltstitels eine schwere Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen darstellt. Bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes der Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit im Sinn des § 11 Abs. 4 Z 1 NAG ist eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung geboten, wobei die Behörde berechtigt ist, alle einen antragstellenden Fremden betreffenden relevanten Umstände zu berücksichtigen. Sie ist verpflichtet, diese einer auf ihn bezogenen Bewertung zu unterziehen (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom , 2009/22/0008, 0009, mwN).

Die belangte Behörde hat aber die Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch die Beschwerdeführerin allein aus der Feststellung abgeleitet, dass diese persönlich die Unterlagen bei der Behörde vorgelegt habe und somit die Vorlage verfälschter Unterlagen der Beschwerdeführerin zugeschrieben werden müsse.

Ausgehend von der unrichtigen Rechtsansicht, dass die Vorlage einer gefälschten Bestätigung allein - selbst wenn der Beschwerdeführerin die Fälschung nicht bekannt gewesen ist - eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch die Antragstellerin begründen könne, unterließ die belangte Behörde Feststellungen zu dem in der Berufung vorgebrachten Sachverhalt. Sollten diese Behauptungen zutreffen, dass der Beschwerdeführerin somit die Fälschung der vorgelegten Einkommensbestätigungen nicht bekannt gewesen sei, könnte allerdings aus ihrem Verhalten keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung abgeleitet werden (vgl. auch dazu das zit. Erkenntnis 2009/22/0008, 0009).

Wegen des auf unrichtiger rechtlicher Beurteilung beruhenden Feststellungsmangels war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand besteht kein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer.

Wien, am