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VwGH vom 22.04.2015, 2013/16/0123

VwGH vom 22.04.2015, 2013/16/0123

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Beschwerde des B E in W, vertreten durch Dr. Walter Fleissner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Straße 21, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. ABK - 157/10, betreffend Haftung für Anzeigenabgabe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer und anschließend Liquidator der m Gesellschaft m.b.H. (in der Folge kurz: M GmbH), welche im Jahr 1998 Produzentin und Herausgeberin eines bestimmten Medienwerkes war. Betreffend die für die anlässlich der Vornahme und Verbreitung von Anzeigen vereinnahmten Entgelte für den Monat Oktober 1998 von der M GmbH zu entrichtende Anzeigenabgabe kann zur Vermeidung von Wiederholungen hinsichtlich des Verwaltungsgeschehens auf die Darstellungen in den hg. Erkenntnissen vom , Zl. 2006/17/0078, und vom , Zl. 2008/17/0223, verwiesen werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer im Instanzenzug zur Haftung für die genannte Anzeigenabgabe der M GmbH samt Nebenansprüchen in näher angeführter Höhe heran. Begründend führte sie aus, die M GmbH habe auf Grund ihrer Liquidation den Betrieb eingestellt, sodass die Abgabenrückstände bei der Hauptschuldnerin nicht eingebracht werden könnten. Die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ergebe sich aus der Missachtung der Vorschriften über den Zeitpunkt der Entrichtung der angeführten Abgaben für jeden Monat längstens bis zum 15. des darauffolgenden Monats.

Der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren sein Verschulden an der Pflichtverletzung bestritten und vorgebracht, die MD Ges.m.b.H. (in der Folge kurz: D GmbH) sei die eigentliche Abgabenschuldnerin und hätte die Anzeigenabgabe in S entrichtet. Auf Grund des schon genannten hg. Erkenntnisses vom hätte er darauf vertrauen können, dass keine Anzeigenabgabe an die Stadt Wien zu entrichten sei. Schließlich habe er auch noch die Verjährung des Abgabenanspruchs geltend gemacht.

Dem hielt die belangte Behörde entgegen, dass der Verwaltungsgerichtshof mit dem bereits zitierten Erkenntnis vom die Abgabenvorschreibung an die M GmbH deshalb aufgehoben habe, weil die Berufungsbehörde die M GmbH für einen anderen Abgabenzeitraum in Anspruch genommen habe als die Behörde erster Instanz, sodass der Beschwerdeführer nicht berechtigt habe erwarten können, dass die M GmbH die Anzeigenabgabe nicht zu leisten habe. Die Anzeigenabgabe sei nicht von der D GmbH an die Gemeinde S entrichtet worden, weil nach Auskunft dieser Gebietskörperschaft erst auf Grund eines Ersuchens der D GmbH vom ein Abgabenkonto für diese Gesellschaft eingerichtet worden sei, und die M GmbH bereits am eine Anzeigenabgabe in der Höhe von S 749.726,-- der Gemeinde Stockerau entrichtet habe. Selbst der Rechtsvertreter der M GmbH, der auch für die D GmbH eingeschritten sei, habe vor den Wiener Abgabenbehörden die Abgabenschuldnereigenschaft der M GmbH behauptet.

Es sei Aufgabe des Beschwerdeführers nachzuweisen, dass ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die M GmbH nicht möglich gewesen sei, dass die Mittel zur Abgabenentrichtung nicht ausgereicht hätten und dass Zahlungen anteilig an sämtliche Gläubiger geleistet worden seien. Der Beschwerdeführer habe derartige Nachweise nicht erbracht und bloß den Jahresabschluss für das Jahr 1998 vorgelegt. Dieser könne den erforderlichen Liquiditätsnachweis nicht ersetzen, weil darin keine Angaben bezüglich der Verbindlichkeiten und des Vorhandenseins liquider Mittel zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Anzeigenabgabe enthalten seien. Von einer anteiligen Begleichung aller Verbindlichkeiten könne keine Rede sein, wenn etwa die Anzeigenabgabe und die Kommunalsteuer an die Gemeinde S gezahlt worden seien, während die Anzeigenabgabe gegenüber der Stadt W nicht entrichtet worden sei.

Da der Beschwerdeführer schuldhaft seine Pflicht verletzt habe, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der M GmbH zu sorgen, könne davon ausgegangen werden, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit gewesen sei.

Zu dem vom Beschwerdeführer erhobenen Einwand der Verjährung führte die belangte Behörde u.a. aus, dass die Haftungsinanspruchnahme als Einhebungsmaßnahme innerhalb der Einhebungsverjährungsfrist des § 238 BAO zulässig sei. § 224 Abs. 3 BAO, der die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheides nach Eintritt der Festsetzungsverjährung untersage, sei nicht anzuwenden, weil der Abgabenanspruch erstmals mit Abgabenbescheid vom gegenüber der Hauptschuldnerin geltend gemacht worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff leg. cit. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabenpflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflicht nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2012/16/0001).

Nach der ebenfalls ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haftet der Vertreter für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom ).

Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, ist schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen (vgl. abermals das erwähnte hg. Erkenntnis vom , mwN).

Der Beschwerdeführer macht geltend, allein aus der Liquidation der Primärschuldnerin könne nicht auf die Uneinbringlichkeit des Abgabenrückstandes geschlossen werden, weil sich die M GmbH weder im Konkurs befinde noch ein Konkursantrag mangels Kostendeckung abgewiesen worden sei. Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid wurde die M GmbH liquidiert und ihr Betrieb eingestellt. Dass nicht sämtliches Vermögen der Gesellschaft abgewickelt worden wäre, macht der Beschwerdeführer nicht geltend und er hat auch im Abgabenverfahren nicht vorgebracht, ob und welche Aktiva der M GmbH noch vorhanden wären. Damit ging die belangte Behörde zutreffend von einer Darlegungspflicht des Vertreters im oben aufgezeigten Sinn (vgl. zum Nachweis, dass die Mittel zur zumindest anteiligen Befriedigung der Abgaben nicht zur Verfügung standen, auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/17/0250) und von der Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung bei der Primärschuldnerin aus.

Soweit der Beschwerdeführer unter Berufung auf das oben schon genannte hg. Erkenntnis vom meint, er habe darauf vertrauen dürfen, dass die Primärschuldnerin nicht für die in Rede stehende Anzeigenabgabe hafte, steht diesem Argument bereits die acht Jahre zuvor, nämlich im Jahr 1998 eingetretene Fälligkeit des Abgabenanspruchs entgegen, sodass es auf den Grund für die Aufhebung mit dem genannten Erkenntnis nicht mehr ankommt. Schließlich wurde die Vorschreibung der Anzeigenabgabe an die M GmbH mit dem eingangs zitierten Erkenntnis vom bestätigt und seither ist jeglicher Rechtsirrtum ausgeschlossen.

Der Beschwerdeführer wendet gegen den im angefochtenen Bescheid erhobenen Vorwurf des Fehlens einer Liquiditätsaufstellung ein, die dazu erforderlichen Unterlagen seien nach über zwölf Jahren nicht mehr vorhanden gewesen. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Unterlagen betreffend Abgaben aus dem Jahr 1998 spätestens bei Erkennen der Zahlungspflicht durch erstinstanzliche Vorschreibung der Anzeigenabgabe mit Bescheid vom im Lichte der wiedergegebenen Rechtsprechung zu sichern gewesen wären (vgl. noch einmal das erwähnte hg. Erkenntnis vom ).

Den Verjährungseinwand begründet der Beschwerdeführer damit, dass die mit Haftungsbescheid geltend gemachte Abgabenforderung ihm gegenüber verjährt sei, weil seit dem Entstehen des Abgabenanspruchs im Jahr 1998 - bereits ab diesem Zeitpunkt hätte er als Geschäftsführer der M GmbH in Anspruch genommen werden können - zehn Jahre verstrichen seien und somit absolute Festsetzungsverjährung nach § 209 Abs. 3 BAO eingetreten sei. Gemäß § 224 Abs. 3 BAO sei die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheides nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die Erlassung von Haftungsbescheiden eine Einhebungsmaßnahme darstellt, welche (nur) innerhalb der Einhebungsverjährungsfrist des § 238 BAO zulässig ist (vgl. Ritz , BAO5, § 224 Tz 4, mwN). Den Eintritt der Einhebungsverjährung macht der Beschwerdeführer indes nicht geltend. Die Bestimmung des § 224 Abs. 3 BAO, nach der die Erlassung eines Haftungsbescheides nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig ist, betrifft nur die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches, also den Fall, dass eine Abgabe dem Hauptschuldner gegenüber nicht geltend gemacht wurde (vgl. etwa Stoll , BAO-Kommentar, 2359). Für die hier in Rede stehende Anzeigenabgabe wurde die M GmbH als Primärschuldnerin von der belangten Behörde in Anspruch genommen, sodass es auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Festsetzungsverjährung nicht ankommt.

Unzutreffend ist schließlich der Beschwerdevorwurf, der angefochtene Bescheid leide an einem Begründungsmangel, weil das Vorbringen des Beschwerdeführers über Zahlungen von Verbindlichkeiten der M GmbH durch die D GmbH ignoriert worden sei. Dabei übergeht der Beschwerdeführer die Ausführungen der belangten Behörde auf den Seiten 8 und 9 des angefochtenen Bescheides, wo sie sich mit der Zuordnung der an die Gemeinde Stockerau entrichteten Abgaben auseinandersetzt und ihr Ergebnis sowohl mit dem zeitlichen Ablauf als auch mit den von der genannten Gebietskörperschaft erteilten Auskünften begründet.

Die Beschwerde war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der im Beschwerdefall noch anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am