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VwGH vom 25.11.2015, 2013/16/0114

VwGH vom 25.11.2015, 2013/16/0114

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Beschwerde des Mag. DB, Rechtsanwalt, als Masseverwalter im Konkurs der A GmbH in W, vertreten durch die Burghofer Rechtsanwalts GmbH in 1060 Wien, Köstlergasse 1/30, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom , Zl. RV/0044-Z1W/10, betreffend Erlass von Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Masseverwalter im Konkurs der A GmbH, einem Speditionsunternehmen.

Mit Bescheid vom teilte das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt dem Beschwerdeführer mit, dass für die A GmbH für 35 Einfuhren zwischen und von näher bezeichneten Waren die Eingangsabgabenschuld gemäß Art. 203 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 erster Anstrich ZK in Höhe von EUR 729.812,50 (darunter EUR 398.932,22 Einfuhrumsatzsteuer) entstanden sei, weil die eingeführten Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien, und dass diese Eingangsabgaben buchmäßig erfasst worden seien. Darüber hinaus sei eine Abgabenerhöhung gemäß § 108 ZollR-DG in der Höhe von EUR 62.540,83 zu entrichten.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung und stellte den Antrag, die Abgabenschuld möge gemäß Art. 239 ZK erlassen werden, weil der A GmbH kein betrügerisches Handeln vorgeworfen werden könne.

Mit Bescheid vom wies das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt den Antrag auf Erlass der Eingangsabgaben ab.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt die dagegen erhobene Berufung als unbegründet ab. Die Gewährung der beantragten Nachsicht würde wegen der mit Beschluss vom erfolgten Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der A GmbH an deren Existenzgefährdung nichts ändern. Es liege auch nicht im Interesse der Zollverwaltung der Republik Österreich und auch aller korrekten Steuerzahler, mit betrügerischer Absicht in Zollverfahren handelnde Speditionen gegenüber korrekt und rechtschaffen handelnden Speditionen und anderen Wirtschaftsbeteiligten mit einem Erlass von Eingangsabgaben einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen (Administrativ )Beschwerde, welche mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Der A GmbH sei betrügerisches Handeln (falsche Warenbezeichnungen in den Zollanmeldungen, Vorlage gefälschter Rechnungen, Täuschung über die tatsächlich bestehenden Vertretungsverhältnisse, Verschleierung der tatsächlichen Käufer und Verkäufer etc.) vorzuwerfen, sodass der Erlass der Einfuhrabgaben gemäß Art. 239 ZK schon deshalb zu verwehren gewesen sei.

Nach § 83 ZollR-DG könne iZm der Einfuhrumsatzsteuer der Umstand der betrügerischen Absicht des Beteiligten nur bei Existenzgefährdung des Abgabenschuldners unberücksichtigt bleiben. Letztere liege aber im Beschwerdefall schon deshalb nicht vor, weil die dem Erlassverfahren zugrunde liegende Zollschuldentstehung nicht kausal für deren Existenzbedrohung gewesen sei, weil bei Erlassung des Bescheides vom der Konkurs über das Vermögen der A GmbH bereits eröffnet gewesen sei.

Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht sei die A GmbH hinsichtlich der festgesetzten Einfuhrumsatzsteuer auch nicht vorsteuerabzugsberechtigt, weil die Waren nicht für ihr Unternehmen eingeführt worden seien und auch die sonstigen Voraussetzungen nach § 12 UStG nicht vorlägen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Der Beschwerdeführer erachtet sich im Wesentlichen im Recht auf Erlass von Eingangsabgaben verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten vor und erstattete eine Gegenschrift verbunden mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Gemäß Art. 239 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 302 vom , (Zollkodex - ZK) können Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben in anderen als den in den Artikeln 236, 237 und 238 genannten Fällen erstattet oder erlassen werden; diese Fälle werden nach dem Ausschussverfahren festgelegt. Sie ergeben sich aus Umständen, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind.

Stellt die Entscheidungszollbehörde, bei der eine Erstattung oder ein Erlass nach Artikel 239 Absatz 2 Zollkodex beantragt worden ist, fest, dass die für diesen Antrag vorgebrachten Gründe einen der in den Artikeln 900 bis 903 beschriebenen Tatbestände erfüllen und keine betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt, so erstattet oder erlässt sie gemäß Art. 899 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 253 vom , (Zollkodex-Durchführungsverordnung - ZK-DVO) die betreffenden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben.

In allen anderen Fällen, ausgenommen bei einer Befassung der Kommission gemäß Artikel 905, entscheidet gemäß Art. 899 Abs. 1 ZK-DVO die Entscheidungsbehörde von sich aus, die Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben zu erstatten oder zu erlassen, wenn es sich um besondere Fälle handelt, die sich aus Umständen ergeben, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind.

Lässt die Begründung des Antrags auf Erstattung oder Erlass gemäß Artikel 239 Absatz 2 Zollkodex auf einen besonderen Fall schließen, der sich aus Umständen ergibt, bei denen weder eine betrügerische Absicht noch eine offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt, so übermittelt gemäß Art. 905 Abs. 1 ZK-DVO der entscheidungsbefugte Mitgliedstaat den Fall der Kommission zur Entscheidung im Verfahren gemäß den Artikeln 906 bis 909, sofern bestimmte näher bezeichnete Umstände vorliegen.

Nach § 2 Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) gelten u.a. der Zollkodex, das ZollR-DG und dazu ergangene Durchführungsverordnungen auch für die Einfuhrumsatzsteuer.

§ 83 ZollR-DG lautet:

"§ 83. Im Falle einer Erstattung oder eines Erlasses der sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben nach den Bestimmungen des Artikels 239 ZK in Verbindung mit Artikel 899 Abs. 2 ZK-DVO liegt ein besonderer Fall dann vor, wenn sich die Abgabenbelastung als unbillig nach Lage der Sache erweist oder wenn die Existenz des Abgabenschuldners durch die Abgabenbelastung ernsthaft gefährdet ist. Letzterenfalls stellt die betrügerische Absicht oder grobe Fahrlässigkeit des Beteiligten keinen Ausschließungsgrund für die Gewährung einer Erstattung oder eines Erlasses dar, sofern alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen und eine Gesamtbetrachtung für eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers spricht. Eine Vorlage an die Europäische Kommission hat zu unterbleiben."

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht das Vorliegen von betrügerischer Absicht oder offensichtlicher Fahrlässigkeit der Beteiligten (A GmbH). Er wendet sich ausschließlich gegen die von der belangten Behörde getroffene Feststellung, wonach die Existenz des Abgabenschuldners durch die Abgabenbelastung nicht ernstlich gefährdet sei.

Dieses Vorbringen vermag aber der Beschwerde im Zusammenhang mit dem beantragten Erlass der Zollschuld nicht zum Erfolg verhelfen, setzt dieser Erlass doch das Fehlen der betrügerischen Absicht oder der offensichtlichen Fahrlässigkeit voraus (vgl. die oben angeführten Bestimmungen des ZK und der ZK-DVO).

Zu prüfen bleibt somit nur mehr, ob der Beschwerde im Zusammenhang mit den sonstigen Eingangsabgaben Berechtigung zukommt.

Der Beschwerdeführer beruft sich auf § 83 ZollR-DG, wonach im Falle der ernstlichen Gefährdung der Existenz des Abgabenschuldners durch die Abgabenbelastung auch das Vorliegen von betrügerischer Absicht oder grober Fahrlässigkeit des Beteiligten kein Ausschließungsgrund für die Gewährung eines Erlasses darstellt. Allerdings soll dies nur dann zur Anwendung gelangen, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für den Erlass vorliegen und eine Gesamtbetrachtung für eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers spricht.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde bereits die ernstliche Gefährdung der Existenz des Abgabenschuldners verneint, sodass sich aus ihrer Sicht die weitere Prüfung, nämlich ob alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen und eine Gesamtbetrachtung für eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers spricht, erübrigt hat. Strittig ist ausschließlich, ob die belangte Behörde zu Recht die persönliche Unbilligkeit der Abgabenbelastung in Bezug auf die A GmbH verneint hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Nachsicht nach § 236 BAO ausgesprochen, dass eine persönliche Unbilligkeit einer Abgabenbelastung in einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen besteht. Eine solche Unbilligkeit ist stets gegeben, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen gefährdet. Eine Unbilligkeit ist nach der Judikatur jedoch dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte (vgl. Ritz , BAO5, Rz 10 zu § 236).

Der Beschwerdeführer tritt der Feststellung, dass über das Vermögen der A GmbH mit Beschluss vom , also vor der Mitteilung über die Entstehung der gegenständlichen Abgaben, das Konkursverfahren eröffnet worden war, nicht entgegen. Daraus ergibt sich aber eine wirtschaftliche Existenzgefährdung der A GmbH auch ohne die Geltendmachung der gegenständlichen Abgabenschuld. Der vage Hinweis in der Beschwerde, wonach ohne diese Abgabenschuld "eine Sanierung durchaus im Bereich des Möglichen gewesen" wäre, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Dasselbe gilt auch für das Vorbringen, wonach die A GmbH außer dem "Zollamt" keine anderen Gläubiger habe. Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang rügt, die belangte Behörde hätte prüfen müssen, "inwiefern und in welchem Umfang sich die Sanierungswahrscheinlichkeit des Unternehmens durch den Erlass des zugrunde liegenden Bescheides verschlechtert" habe, so übersieht sie, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Sache des Nachsichtwerbers ist, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2013/17/0498, mwN). Ein Vorbringen, aus dem sich konkret ergeben würde, dass der Nachlass der Einfuhrumsatzsteuer einen Sanierungseffekt in Bezug auf die A GmbH hätte, hat der Beschwerdeführer aber im gesamten Verfahren nicht erstattet.

Es kann daher nicht als rechtswidrig erachtet werden, wenn die belangte Behörde in der Belastung mit der Einfuhrumsatzsteuer keine persönliche Unbilligkeit erblickt hat.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am