VwGH vom 26.04.2013, 2011/07/0159
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde des 1. DI (FH) J H und 2. der U H, beide in S, beide vertreten durch Eisenberger Herzog Rechtsanwalts GmbH in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. FA13A- 30.40-275/2011-5, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. einer wasserrechtlichen Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Wassergenossenschaft "S"), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit Eingabe vom suchte die mitbeteiligte Partei (MP) um die weitere Ausweisung eines Schutzgebietes für ihre Quelle (Trinkwasserversorgungsanlage) an.
Mit Kundmachung vom 20. August ordnete die Bezirkshauptmannschaft V (BH) unter Hinweis auf die §§ 40 bis 44 AVG und Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 - WRG 1959 die örtliche Erhebung und mündliche Verhandlung für den an. Diese Kundmachung enthielt folgende Belehrung:
" Bitte beachten Sie:
Gemäß § 42 AVG 1991 finden Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung hieramts oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung und es werden die Beteiligten dem Parteiantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bildet, als zustimmend angesehen.
Der Ausführung der Anlage würde stattgegeben werden, wenn sich nicht von Amts wegen Bedenken dagegen ergeben.
An der Verhandlung teilnehmende Vertreter beteiligter Stellen oder Parteien haben sich rechtzeitig mit den erforderlichen Weisungen und Ermächtigungen zu versehen, um bindende Erklärungen bei der mündlichen Verhandlung abgeben zu können. Etwaige Vorbehalte hinsichtlich nachträglicher Erklärungen können gemäß den oben angeführten Bestimmungen nicht berücksichtigt werden.
Die Parteien und sonstigen Beteiligten werden eingeladen, sofern sie etwas vorzubringen beabsichtigten , bei der Verhandlung zu erscheinen.
Wer die Stellung als Partei aufgrund eines Wasserbenutzungsrechtes beansprucht, hat bei sonstigem Verlust dieses Anspruches seine Eintragung im Wasserbuch darzutun oder den Nachweis zu erbringen, dass ein entsprechender Antrag an die Wasserbuchbehörde gestellt wurde.
Die für das Verfahren eingereichten Pläne und sonstigen Behelfe liegen bis zum Tag vor der örtlichen Erhebung bei der Bezirkshauptmannschaft V während der Amtsstunden zur allgemeinen Einsicht auf."
Mit der "Kundmachung Abänderung " der BH vom wurde die mündliche Verhandlung auf den verlegt, wobei dieses Schriftstück nochmals die Belehrung mit den vorgenannten Ausführungen enthielt.
Beide Kundmachungen ergingen u.a. an die Beschwerdeführer (als Eigentümer von Grundstücken im gegenständlichen Schutzgebiet) und wurden ihnen auch zugestellt.
Die Beschwerdeführer waren in der Verhandlung am nicht anwesend und erhoben (vorerst) auch keine Einwendungen.
Mit Bescheid der BH vom wurden gemäß § 34 Abs. 1, § 98 Abs. 1 sowie §§ 107 und 111 WRG 1959 zum Schutz der Wasserversorgungsanlage der MP im Bereich näher angeführter Grundstücke eine weitere Schutzzone (Schutzzone II) unter Festlegung von Anordnungen und Nutzungsbeschränkungen bestimmt sowie für die Schutzzone I adaptierte Anordnungen und Nutzungsbeschränkungen festgelegt.
Mehrere Grundstückseigentümer, darunter die Beschwerdeführer, erhoben dagegen Berufung.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde (u.a.) die Berufung der Beschwerdeführer als unzulässig zurückgewiesen.
In der innerhalb offener Frist eingebrachten Berufung sei die Behauptung aufgestellt worden, dass die Einbeziehung der Grundstücke der Beschwerdeführer in das Schutzgebiet nicht notwendig sei und das Wasserschutzgebiet eine wesentliche Benachteiligung und Einschränkung bedeute. Auf Grund der §§ 41 und 42 AVG sowie des § 107 Abs. 1 dritter Satz WRG 1959 könne eine Verfahrenspartei jedoch nur dann in der Berufung Einwände erheben, wenn sie von der Anberaumung der mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß verständigt worden sei und anlässlich dieser Verhandlung (spätestens am Tag vor Beginn dieser Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung) konkrete Einwände gegen den Verhandlungsgegenstand erhoben habe. Die Beschwerdeführer seien einerseits zur Verhandlung am persönlich geladen worden, andererseits sei die Kundmachung durch Anschlag an der Amtstafel der Marktgemeinde vorgenommen worden. Da die Beschwerdeführer bei der Verhandlung nicht anwesend gewesen seien und keine Einwendungen vorgebracht hätten, seien die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 AVG erfüllt, sodass sie mit Ende der Verhandlung gemäß § 42 Abs. 1 AVG ihre Parteistellung verloren hätten. Dies habe zur Folge, dass sie gegen den erstinstanzlichen Bescheid kein Rechtsmittel erheben könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die MP hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Beschwerdefall sind § 41 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998, § 42 Abs. 1 und 2 AVG idF BGBl. I Nr. 5/2008 und § 107 Abs. 1 WRG 1959 idF BGBl. I Nr. 109/2001 von Bedeutung. Diese Bestimmungen lauten:
" § 41. (1) Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung überdies durch Anschlag in der Gemeinde oder durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung kundzumachen.
(2) Die Verhandlung ist so anzuberaumen, daß die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können. Die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung hat die für Ladungen vorgeschriebenen Angaben einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 42 eintretenden Folgen zu enthalten. Falls für Zwecke der Verhandlung Pläne oder sonstige Behelfe zur Einsicht der Beteiligten aufzulegen sind, ist dies bei der Anberaumung der Verhandlung unter Angabe von Zeit und Ort der Einsichtnahme bekanntzugeben."
" § 42. (1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde. Eine Kundmachungsform ist geeignet, wenn sie sicherstellt, daß ein Beteiligter von der Anberaumung der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt.
(2) Wurde eine mündliche Verhandlung nicht gemäß Abs. 1 kundgemacht, so erstreckt sich die darin bezeichnete Rechtsfolge nur auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben."
" Mündliche Verhandlung
§ 107. (1) Das Verfahren ist nach Maßgabe der Bestimmungen des § 39 Abs. 2 AVG durch Anberaumung einer mündlichen Verhandlung fortzusetzen. Zu dieser sind der Antragsteller und die Eigentümer jener Grundstücke, die durch die geplanten Anlagen oder durch Zwangsrechte (§ 60) in Anspruch genommen werden sollen, persönlich zu laden; dies gilt auch für jene im Wasserbuch eingetragenen Wasserberechtigten und Fischereiberechtigten, in deren Rechte durch das Vorhaben eingegriffen werden soll. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz AVG kundzumachen und darüber hinaus auf sonstige geeignete Weise (insbesondere durch Verlautbarung in einer Gemeindezeitung oder Tageszeitung, Postwurfsendungen). Soll durch das Vorhaben in Nutzungsrechte im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, eingegriffen werden, ist die zuständige Agrarbehörde von der Verhandlung zu verständigen."
Eigentümern von Grundstücken in einem Wasserschutzgebietsbereich im Sinn des § 34 WRG 1959 kommt das Recht zu, sowohl gegen die Einbeziehung ihrer Grundstücke in ein Schutzgebiet als auch gegen die vorgesehenen Anordnungen über die Bewirtschaftung oder sonstige Benutzung ihrer Grundstücke Einwendungen zu erheben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/07/0099, mwN).
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, kann ein Verlust der Parteistellung nach § 42 AVG nicht eintreten, wenn in der Verständigung (Ladung, Kundmachung über die Anberaumung der Verhandlung) - entgegen § 41 Abs. 2 zweiter Satz AVG - nicht auf die in § 42 AVG vorgesehenen Rechtsfolgen verwiesen wird (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 2008/05/0002, und vom , Zlen. 2010/06/0219, 0220, mwN).
Die bloße Anführung des § 42 AVG in einer Verständigung von der Anberaumung der mündlichen Verhandlung reicht ebenso wenig aus wie etwa der - in den oben angeführten Kundmachungen der BH enthaltene - Hinweis, dass die Partei "als zustimmend angesehen" wird, "wenn" oder "soweit" sie nicht rechtzeitig (spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung oder während der Verhandlung) Einwendungen erhoben hat (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb , AVG, § 41 Rz 20 mwH auf die hg. Judikatur; ferner etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/06/0124, mwN).
Dies hat die belangte Behörde verkannt, sodass sie zu Unrecht vom Verlust der Parteistellung der Beschwerdeführer bzw. deren Präklusion ausgegangen ist.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am