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VwGH vom 24.04.2012, 2008/22/0870

VwGH vom 24.04.2012, 2008/22/0870

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der I, vertreten durch Mag. Gerhard Sporer, Rechtsanwalt in 1140 Wien, Baumgartenstraße 82, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 151.930/2-III/4/08, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den am - noch während der Geltung des Fremdengesetzes 1997 (FrG) - eingebrachten Antrag der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen der Ukraine, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö., § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 und § 30 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

In ihrer Begründung stellte die belangte Behörde darauf ab, es liege eine Aufenthaltsehe vor. Die Beschwerdeführerin habe am in Wien den österreichischen Staatsbürger S geheiratet. Am habe sie den gegenständlichen Antrag eingebracht.

Im Zuge einer Erhebung vom habe die Bundespolizeidirektion Wien festgestellt, dass die Beschwerdeführerin "an der gemeinsamen Wohnadresse nicht bekannt und dort nie gesehen worden" sei. Der Ehemann habe das Vorliegen einer Aufenthaltsehe zwar bestritten, jedoch weder Geburtsdatum der Beschwerdeführerin noch die Namen ihrer Eltern oder Geschwister nennen können. Auch sei er nicht in der Lage gewesen, das genaue Datum der Eheschließung und den genauen Ort des Arbeitsplatzes angeben zu können. Wohnungsnachbarn hätten im Rahmen einer "Hauserhebung" mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin an der angeblichen gemeinsamen Wohnung mit einem russischen oder ukrainischen Mann lebe, mit Sicherheit aber nicht mit dem Österreicher S. Seit scheine kein gemeinsamer Wohnsitz mehr auf. Dennoch behaupte die Beschwerdeführerin, mit ihrem Ehemann ein gemeinsames Familienleben zu führen. Sie habe auch angegeben, von ihm ein Kind zu erwarten. Weiters habe sie den Ehemann als Vater ihres Kindes angegeben (offenbar gemeint: nach der Geburt).

Der Ehemann der Beschwerdeführerin habe im Zuge einer Befragung ausgeführt, im Laufe der Ehe sei ihm der Verdacht gekommen, dass ihn die Beschwerdeführerin lediglich deshalb geheiratet hätte, um einen Aufenthaltstitel erlangen zu können. Die Beschwerdeführerin versuche offenbar, "ein Kind, von welchem höchstwahrscheinlich ihr Ex-Gatte der Vater sei, ihm anzuhängen". Er werde "die Scheidung einreichen und einen Vaterschaftstest anstreben".

Aus den dargestellten Umständen ergebe sich, dass eine Aufenthaltsehe vorliege. Zu dieser Ansicht sei auch die Bundespolizeidirektion Wien gekommen, die deswegen in erster Instanz gegen die Beschwerdeführerin ein Aufenthaltsverbot erlassen habe. Im diesbezüglichen Verfahren sei der Beschwerdeführerin vom Verwaltungsgerichtshof schließlich aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. (Der das Aufenthaltsverbot betreffende im Instanzenzug erlassene Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0144, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.)

Ausgehend davon, dass es sich bei der Ehe der Beschwerdeführerin um eine Aufenthaltsehe handle, dürfe ihr gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG ein Aufenthaltstitel nicht erteilt werden. Dabei bestehe für eine Abwägung im Sinn des Art. 8 EMRK kein Raum. Aber selbst wenn eine solche vorgenommen würde, hätte diese zu Lasten der Beschwerdeführerin auszugehen. Ihr minderjähriger Sohn besitze zwar infolge der ehelichen Geburt die österreichische Staatsbürgerschaft. Die Beschwerdeführerin sei damals (und immer noch) mit dem österreichischen Staatsbürger S verheiratet gewesen. Da S aber die Vaterschaft in Abrede stelle, bestünden "- auch unter Berücksichtigung der nachweislich eingegangenen Aufenthaltsehe - erhebliche Zweifel an dieser und somit an der Ehelichkeit des Sohnes". Die Widerlegung der Ehelichkeitsvermutung könne aber von der Verwaltungsbehörde nicht betrieben werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Situation der Beschwerdeführerin bereits ausführlich in dem das Aufenthaltsverbotsverfahren betreffenden, bereits angeführten Erkenntnis vom , auseinandergesetzt. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG kann daher auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen werden.

Aus den dort unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom , C-34/09, Rs. Zambrano, genannten Gründen ist im Ergebnis auch im vorliegenden Fall der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet, weil sich auch die hier belangte Behörde mit den Auswirkungen der Verweigerung eines Aufenthaltsrechts für die Beschwerdeführerin auf die Lebenssituation ihres die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Sohnes nicht auseinandergesetzt hat und in Verkennung der durch den EuGH nunmehr klargestellten Rechtslage nicht anhand des unionsrechtlich vorgegebenen Maßstabes geprüft hat, ob der vorliegende Fall einen solchen Ausnahmefall, wonach es das Unionsrecht gebietet, dem Drittstaatsangehörigen den Aufenthalt zu gewähren, darstellt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0313).

Soweit die belangte Behörde der Beschwerdeführerin aber auch ein Fehlverhalten in Form des Eingehens einer Aufenthaltsehe zur Last legt, wird die belangte Behörde im Falle des Vorhandenseins von Gründen im obgenannten Sinn aber auch darauf Bedacht zu nehmen haben, dass die Verweigerung der Erteilung des Aufenthaltstitels nur dann zulässig wäre, wenn die Trennung der Beschwerdeführerin von ihrem die österreichischen Staatsbürgerschaft - und somit auch die Unionsbürgerschaft - besitzenden Sohn hinzunehmen wäre. Da es sich hiebei um die Einschränkung von aus der Unionsbürgerschaft herrührender Rechte handelt, kann bei dieser Beurteilung kein geringerer Maßstab angelegt werden als er von Unionsrecht im Fall eines Angehörigen eines sonstigen ("gewanderten") Unionsbürgers vorgegeben wird. Nur dann hat auch dieser die Trennung von seinen Angehörigen und somit allenfalls damit verbunden die Einschränkung der Rechte aus der Unionsbürgerschaft hinzunehmen (vgl. des Näheren das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0140).

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
BAAAE-85559