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VwGH vom 14.12.2010, 2008/22/0868

VwGH vom 14.12.2010, 2008/22/0868

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des B, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 318.376/2-III/4/08, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den am nach § 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 (FrG) auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger gerichteten Antrag des Beschwerdeführers, eines serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 und § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe den Antrag mit der Begründung gestellt, dass seine Ehefrau österreichische Staatsbürgerin sei. Das Verfahren über diesen Antrag sei nach den Bestimmungen des NAG zu Ende zu führen. Gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG dürften Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreite. Der Beschwerdeführer habe am erstmals versucht, mit einem verfälschten Dokument und durch Täuschung der Behörden in das Bundesgebiet zu gelangen. Am habe er bei der Ausreise einen Reisepass mit einer verfälschten deutschen Aufenthaltsbefugnis vorgewiesen. In der Folge sei er neuerlich illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe am eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Diese Ehe sei noch aufrecht, es bestehe aber derzeit kein gemeinsamer Haushalt. Der Beschwerdeführer sei jeweils wegen Urkundenfälschung rechtskräftig durch das Landesgericht Eisenstadt zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Jahr und durch das Landesgericht für Strafsachen Wien zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe jedes Mal durch Täuschung der Behörden versucht, einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu erlangen.

Das gegen ihn mit Bescheid vom wegen des Eingehens einer Aufenthaltsehe erlassene Aufenthaltsverbot sei mit Berufungsbescheid vom behoben worden, weil die rechtsmissbräuchliche "Eingehung" der Ehe länger als fünf Jahre zurückgelegen sei.

Vom bis sei der Beschwerdeführer geringfügig beschäftigt gewesen.

Durch die Straffälligkeit und den seit dem Jahr 2001 andauernden unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet habe der Beschwerdeführer gezeigt, nicht gewillt zu sein, sich an die in Österreich geltende Rechtsordnung zu halten. Von einer positiven Zukunftsprognose könne nicht ausgegangen werden, weshalb der Aufenthalt des Beschwerdeführers öffentlichen Interessen im Sinn des § 11 Abs. 2 Z 1 NAG widerstreite.

Gemäß § 21 Abs. 1 NAG seien Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen und es sei die Entscheidung im Ausland abzuwarten. Da sich der Beschwerdeführer seit der illegalen Einreise im Jahr 2001 und somit auch zum Zeitpunkt der Antragstellung sowie zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag nicht rechtmäßig im Inland aufhalte, stehe § 21 Abs. 1 NAG einer Bewilligung entgegen. Ein längerer unrechtmäßiger Aufenthalt rechtfertige in jedem Fall die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin allein "stellt noch kein Aufenthaltsrecht nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht dar".

An humanitären Gründen habe der Beschwerdeführer geltend gemacht, dass er seit sieben Jahren mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet wäre und in Österreich lebte. Zudem hielte sich auch seine Familie in Österreich auf, seine Mutter wäre österreichische Staatsbürgerin und ihr wäre die Obsorge für die 16 und 18 Jahre alten Söhne des Beschwerdeführers übertragen worden.

Aus diesem Grund sei von Amts wegen eine Überprüfung im Sinn des § 72 NAG durchgeführt worden. Seitens der belangten Behörde könnten keine humanitären Gründe im Sinn des § 72 NAG erkannt werden. Das Fehlen von Anknüpfungspunkten im Heimatland und die Integration in Österreich stellten keine Grundlage für einen besonders berücksichtigungswürdigen Fall dar.

Ein sogenannter Freizügigkeitssachverhalt im Sinn der §§ 51 ff NAG sei nicht behauptet worden.

Der Verfassungsgerichtshof hat die gegen diesen Bescheid an ihn erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom , B 1580/08-3, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, der über die ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage samt Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Beschwerdeführer tritt den behördlichen Feststellungen nicht entgegen. Er bekämpft auch nicht die zutreffende Rechtsansicht der belangten Behörde, dass das Verfahren über den gegenständlichen Antrag nach den Bestimmungen des NAG zu Ende zu führen ist. Er meint, dass ihm nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Aufenthaltsrecht zugekommen und somit auch die Inlandsantragstellung zulässig gewesen sei.

Dem ist zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer, der die Verwirklichung eines Freizügigkeitssachverhalts durch seine Ehefrau nicht behauptet, als Ehemann einer österreichischen Staatsbürgerin nach § 49 Abs. 1 des bis in Geltung gestandenen FrG als begünstigter Drittstaatsangehöriger eine Niederlassungsbewilligung im Inland beantragen durfte. Da - wenn, so wie hier, kein Anwendungsfall des Gemeinschaftsrechts vorlag - einer solchen Niederlassungsbewilligung jedoch konstitutive Wirkung zukam (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2006/18/0490, mwN), war der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich nie rechtmäßig. Nach Inkrafttreten des NAG mit wäre der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen, die Entscheidung über seinen Antrag im Ausland abzuwarten. So gesehen kommt dem Beschwerdevorbringen, dass den Beschwerdeführer - weil das Aufenthaltsverbot nie in Rechtskraft erwachsen sei - nie eine Ausreiseverpflichtung getroffen habe, keine Berechtigung zu.

Dem Beschwerdevorbringen in Richtung einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung in Ansehung des § 57 NAG ist schon deshalb nicht zu folgen, weil der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , G 244/09 u.a., diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht gefolgt ist.

Das Recht, die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland abzuwarten, kommt im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG (in der Stammfassung) in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG (ebenfalls in der Stammfassung) vor, ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland einschließlich des Abwartens der Entscheidung im Inland zuzulassen, wobei die Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0265 bis 0267, mwN).

Soweit die belangte Behörde auch in ihrer Gegenschrift meint, dass das Fehlen von Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat sowie eine Integration in Österreich keine humanitären Gründe bilden könnten, ist ihr zu entgegnen, dass - wie dies der Gerichtshof unter Hinweis auf die diesbezüglich klarstellende Novellierung des § 11 Abs. 3 NAG durch BGBl. I Nr. 29/2009 im Erkenntnis vom , 2008/22/0681, dargelegt hat - gerade das Ausmaß der inländischen Integration wie auch allenfalls fehlende Bindungen zum Heimatland Aspekte bei einer Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK sind.

Das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK kann aber nicht als rechtswidrig gesehen werden. Der Beschwerdeführer hält sich zwar im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits seit ca. sieben Jahren im Bundesgebiet auf und ist mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Da aber unbestrittenermaßen kein gemeinsamer Haushalt besteht und sich die berufliche Integration des Beschwerdeführers auf eine geringfügige Beschäftigung beschränkte, kommt seinen persönlichen Interessen kein solches Gewicht zu, dass das öffentliche Interesse an der Einhaltung eines geordneten Fremdenwesens, dem aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein großer Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten müsste. Bei dieser Abwägung durften die von der belangten Behörde festgestellten zweimaligen Täuschungshandlungen des Beschwerdeführers im Bereich des Fremdenrechts berücksichtigt werden.

Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer eine Wiedereingliederung in seinem Heimatland nicht möglich wäre. Sein Vorbringen, es sei seiner Ehefrau nicht zumutbar, zum Beschwerdeführer nach Serbien zu ziehen, ist dadurch relativiert, dass auch kein gemeinsamer Haushalt geführt wird.

Die belangte Behörde durfte somit die Interessenabwägung nach § 72 NAG zu Lasten des Beschwerdeführers vornehmen und demnach die Abweisung des Antrags auf § 21 Abs. 1 NAG stützen, weshalb der weiters herangezogene Abweisungsgrund des § 11 Abs. 2 Z 1 NAG dahinstehen kann.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht - im begehrten Umfang - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
TAAAE-85553