VwGH vom 28.02.2014, 2013/16/0053
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2013/16/0052 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma, die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der T GmbH in G, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Steuerberater in 1020 Wien, Franzensbrückenstraße 5/DG, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom , Zl. ZRV/0210-Z3K/12, betreffend Sicherstellungsauftrag für Mineralölsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt erließ gegenüber der beschwerdeführenden GmbH (Beschwerdeführerin) einen Sicherstellungsauftrag vom zur Sicherung der Einbringung von Mineralölsteuer für den Zeitraum Juni bis Dezember 2011. Im genannten Zeitraum sei unversteuertes Mineralöl in das Steuergebiet der Republik Österreich vorschriftswidrig eingebracht worden und die Beschwerdeführerin habe den Dieselkraftstoff versteuert an eine näher bezeichnete Tankstelle fakturiert und ein ordentliches Geschäft vorgetäuscht. Der tatsächlich gelieferte Dieselkraftstoff sei jedoch unversteuert aus einem deutschen Tanklager bezogen worden.
Dagegen berief die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom mit der Begründung, sie sei nicht die Abgabepflichtige, sie habe lediglich die Rechnungen ihrer Zulieferer bezahlt, in denen die in Rede stehenden Abgaben enthalten gewesen seien. Abgabenschuldner seien die Zulieferer.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Zollamt die Berufung als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin sei als Bezieherin des Mineralöls iSd § 41 MinStG anzusehen, weil sie als Lieferant der letztabnehmenden Tankstellen aufgeschienen sei und auch die Rechnungen dafür gelegt habe. Es sei bekannt, dass von der Geschäftsführerin und vom Alleingesellschafter der Beschwerdeführerin im Wissen um die tatsächliche Herkunft des Mineralöls (Tanklager in Deutschland) Rechnungen und Belege der genannten Lieferfirmen als offizielle Belege der Buchhaltung zugeführt worden seien, um so nicht reelle Geschäftsvorgänge vorzutäuschen.
Mit Schriftsatz vom erhob die Beschwerdeführerin dagegen eine (Administrativ )Beschwerde mit der Begründung, eine allfällige Steuerhinterziehung sei in Deutschland und nicht unter Beteiligung der Beschwerdeführerin begangen worden. Es fehle an einem Tatbestand, den die Beschwerdeführerin verwirklicht hätte und an den die Abgabenpflicht geknüpft werden könnte.
Mit Berufungsentscheidung vom wies die belangte Behörde die (Administrativ )Beschwerde als unbegründet ab.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin vor dem Verfassungsgerichtshof Beschwerde.
Mit Bescheid vom hob die belangte Behörde ihren Bescheid vom nach § 300 BAO auf und stellte den Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof klaglos.
Mit Beschluss vom stellte der Verfassungsgerichtshof das Beschwerdeverfahren ein.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die (Administrativ )Beschwerde (neuerlich) als unbegründet ab. Nach Schilderung des Verwaltungsgeschehens zählte die belangte Behörde Beweismittel auf, welche sie würdige. Daran anschließend enthält der angefochtene Bescheid Ausführungen "Zum Sachverhalt", der dem Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt am bekannt war:
Das Zollfahndungsamt München habe dem Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt am einen Ermittlungsbericht bekannt gegeben, wonach die Firma J., F, Deutschland, aus Polen große Mengen an sogenanntem Olej Rust Cleaner beziehe. Dabei handle es sich um steuerbefreite Ware, die auch als Dieselkraftstoff verwendet werden könne und auch als solcher verwendet worden sei. Am seien auf dem Gelände der Firma J. drei polnische Tanklastzüge und ein slowenischer Tanklastzug vorgefunden worden. Zwei polnische Tanklastzüge hätten ihre Ladung Olej Rust Cleaner von der polnischen Firma B. bereits in den Erdtank des J. gepumpt. Der LKW der slowenischen Firma G. sei gerade vom Erdtank heraus befüllt worden. Der dem Erdtank entnommene Treibstoff sei sowohl auf dem LKW als auch auf dem CMR-Frachtbrief als Diesel erfasst gewesen. Am Frachtbrief sei als Empfänger die österreichische Lagerhausgenossenschaft in S. erfasst. Die Untersuchung gezogener Proben habe ergeben, dass sich in den polnischen und slowenischen LKW als Olej Rust Cleaner bezeichneter Rostentferner der Tarifnummer 2710 1999 befunden habe. J. habe einen Mietvertrag mit A.S. und eine Handlungsvollmacht vorgelegt und angegeben, er habe sein Tanklager an den in Österreich ansässigen A.S. vermietet. Nach der Handlungsvollmacht sei das Tanklager einzig von A.S. geführt worden, der sämtliche An- und Ablieferungen organisiere.
Das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt habe auf Grund des Ergebnisses der im Gefolge dieser Mitteilung angestellten eigenen Ermittlungen davon ausgehen dürfen, dass zwischen 28. Juni und in zweihundert Fällen unversteuertes Mineralöl "(Olej Rust Cleaner)" durch eine "international agierende Tätergruppe" in das Steuergebiet der Republik Österreich vorschriftswidrig eingebracht und in Österreich an Tankstellen abgegeben worden sei. Dem Zollamt sei insbesondere bekannt gewesen, dass die Beschwerdeführerin Dieselkraftstoff an die Tankstelle der Lagerhausgenossenschaft in S. (Oberösterreich) als "verbrauchsversteuert" fakturiert habe und dass es sich dabei um eine unversteuert aus dem Tanklager in F, Deutschland, bezogenen Ware gehandelt habe.
Daran anschließend folgen Ausführungen "zum Sachverhalt", auf den sich die belangte Behörde "hinausgehend" habe stützen dürfen:
Von der Firma B, Polen, sei in ihrem zollbehördlich in Polen als Verbrauchsteuerlager bewilligten Herstellungsbetrieb ausschließlich "Olej Rust Cleaner" mit der Warennummer 2710 1999 hergestellt worden. Die Firma J., Deutschland, habe von der Fa. B. diesen in Deutschland steuerfreien "Olej Rust Cleaner" gekauft. In Österreich bei der Lagerhausgenossenschaft S. gezogene Proben hätten ergeben, dass der Inhalt von fünf Zapfsäulen in die Warennummer 2710 1999 einzureihen sei.
Nach der Wiedergabe verschiedener Rechtsvorschriften und Rechtssätze folgen im angefochtenen Bescheid rechtliche Überlegungen zum Begriff des "Abgebens" in § 21 Abs. 1 Z 5 MinStG.
Dazwischen finden sich die Sätze: "Im Gegenstand wurde das Mineralöl 'Olej Rust Cleaner' (Rostentferner/Schalungsöl der Unterposition 2710 1999) an Tankstellen in Österreich als Dieselkraftstoff abgegeben." und "Im Gegenstand erfolgte die Zweckwidmung in F, indem die Ware 'Olej Rust Cleaner' dort auf den LKW's und den Transportpapieren als Diesel bezeichnet wurde, damit erfolgte die Zweckwidmung vor der Abgabe der Ware, sodass eine Steuerschuld nicht mit deren Verwendung entstehen konnte." Die belangte Behörde folgert daraus rechtlich: "Es war die Bf, die das Mineralöl 'Olej Rust Cleaner' (Rostentferner/Schalungsöl der Unterposition 2710 1999) erstmals im Steuergebiet als Kraftstoff abgegeben hat." und "Die Bf hätte innerhalb einer Woche nach Belieferung der Tankstelle die MinSt beim Zollamt Linz/Wels anmelden, diese berechnen und auf das Konto des Zollamtes einzahlen müssen." Dann streut die belangte Behörde wieder eine Sachverhaltsfeststellung ein: "Die empfangenden Tankstellen hatten hinsichtlich des Bezuges der verfahrensgegenständlichen Ware Geschäftsbeziehungen ausschließlich mit der Bf." Die Beschwerdeführerin sei - so die belangte Behörde weiter - als Inhaberin eines Kraftstoffbetriebes anzusehen und habe als solche einen Kraftstoff erstmals zur Verwendung als Treibstoff abgegeben, weshalb sie als Schuldnerin der Verbrauchsteuer herangezogen werde.
In den nachfolgenden mehrseitigen Ausführungen des angefochtenen Bescheides, im Gemisch aus Sachverhaltselementen, rechtlichen Überlegungen und der Beweiswürdigung zuordenbaren Entgegnungen auf Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren findet sich folgende Wendung:
"Im Zwischen- und Abschlussbericht vom wird ausgeführt, dass die Aufgabe von H.S. die Rechnungslegung an die abnehmende Tankstelle war. Als Gegenleistung habe er für acht Transporte EUR 13.000 erhalten und sich dabei der Bf bedient, um mit dieser nach außen als ordentlicher Verkäufer von Mineralöl auftreten zu können."
Kurz danach führt die belangte Behörde in Beweiswürdigungsüberlegungen eingebettet aus, es sei unbeachtlich, dass die Beschwerdeführerin die Ware nicht von J. bezogen habe und es für sie keinen ausländischen Exporteur, sondern nur inländische Lieferanten gegeben habe, die über ein Büro in G. (Salzburg), die P. GmbH in L (Steiermark) und über die österreichische Niederlassung der A Kft in W verfügt hätten.
Einige Seiten weiter scheinen Ausführungen zum Sachverhalt auf, nämlich, dass die Beschwerdeführerin Belege der Lieferfirmen (A Kft und P. GmbH) der eigenen Buchhaltung "zugeführt" habe, um so einen reellen Geschäftsvorgang vorzutäuschen.
Der angefochtene Bescheid enthält schließlich Ausführungen zur Gefährdung der Einbringlichkeit und zum Ermessen.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der vor ihm dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom , B 259/13-3 und B 267/13-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall sind gemäß § 28 Abs. 5 BFGG iVm § 8 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des B-VG und des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.
Der Verwaltungsgerichtshof ist gemäß Art. 131 Abs. 1 und Abs. 2 B-VG nicht zur Prüfung des "Verwaltungsaktes", sondern zur Prüfung des letztinstanzlichen Bescheides berufen. Der Verwaltungsgerichtshof kann die ihm obliegende Gesetzmäßigkeitsprüfung nur vornehmen, wenn die Entscheidung der belangten Behörde die Beurteilung des Vorliegens einer Verletzung der als verletzt geltend gemachten Rechte der Beschwerdeführer (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG) oder einer Rechtswidrigkeit im Rahmen der Anfechtungserklärung (§ 28 Abs. 2 VwGG) auf der Grundlage der Bescheidbegründung auch ermöglicht. Lässt die Begründung eines angefochtenen Bescheides eine solche Beurteilung gar nicht zu, dann führt ein solcher Begründungsmangel gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides zwangsläufig schon aus diesem Grund.
Die Begründung einer Berufungsentscheidung muss erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet.
Mit der dazu erforderlichen zusammenhängenden Sachverhaltsdarstellung ist nicht etwa die Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens oder des Inhaltes von Aussagen, Urkunden oder gegebenenfalls Sachverständigengutachten gemeint, sondern die Anführung jenes Sachverhaltes, den die belangte Behörde als Ergebnis ihrer Überlegungen zur Beweiswürdigung als erwiesen annimmt. Die zusammenhängende Darstellung des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes kann nicht durch den bloßen Hinweis auf "Aktenmaterial" ersetzt werden. Das der zusammenhängenden Sachverhaltsdarstellung methodisch folgende Begründungselement eines Bescheides hat in der Darstellung der behördlichen Überlegungen zur Beweiswürdigung zu bestehen (vgl. zum Vorstehenden insb. die hg. Erkenntnisse vom , 2011/15/0122, vom , 2009/16/0076 bis 0078, und vom , 94/13/0200).
Die oben wiedergegebene Begründung des im vorliegenden Fall angefochtenen Bescheides lässt nicht eindeutig erkennen, von welchem Sachverhalt die belangte Behörde ausgegangen ist, und entspricht daher den beschriebenen Anforderungen an eine Bescheidbegründung nicht. Wiederkehrende Hinweise auf die vom Zollamt (gemäß § 100 Abs. 2 StPO) erstatteten Berichte an die Staatsanwaltschaft können die erforderliche Sachverhaltsfeststellung nicht ersetzen. Erst wenn die Behörde ein genaues Bild über die tatsächliche Abwicklung und den Weg der in Rede stehenden Waren, insbesondere vom Erdtank in F., Deutschland, zur jeweiligen Tankstelle in Österreich, und über die konkrete Tätigkeit der Beschwerdeführerin geschildert hat, kann ein Urteil über die Abgabepflicht, insbesondere zur Frage der Person des Steuerschuldners gebildet werden. So ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, welche Verbindung zwischen der Beschwerdeführerin und den slowenischen LKW bestünde, aus denen der in Rede stehende Kraftstoff in die Tanks der erwähnten Tankstelle in Österreich gefüllt worden sein soll. Dies ist im Beschwerdefall deshalb unerlässlich, weil die belangte Behörde das Entstehen der Steuerschuld auf § 21 Abs. 1 Z 5 MinStG gestützt hat, welche gemäß § 22 Abs. 1 Z 4 leg.cit. für die Beschwerdeführerin entstanden sein soll. Zur Klarstellung sei bemerkt, dass die Aussage im angefochtenen Bescheid, die Beschwerdeführerin habe die in Rede stehende Ware "erstmals abgegeben" eine rechtliche Beurteilung und keine Sachverhaltsdarstellung bildet.
Da es sich im Beschwerdefall um einen Sicherstellungsauftrag handelt, genügt für die Feststellung eines solchen Sachverhaltes die auf konkrete Umstände gestützte Vermutung, ohne dass von der Behörde bereits der Nachweis erbracht werden muss.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am