VwGH vom 25.10.2012, 2011/07/0129
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2010/07/0182 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde der Agrargemeinschaft F in Z, vertreten durch Univ.Doz. Dr. Bernd A. Oberhofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 6b, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom , Zl. LAS - 1049/6-10, betreffend Feststellung von Gemeindegut (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Z, vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Salurner Straße 16), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) stellte mit Bescheid vom über Anträge der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft und der mitbeteiligten Gemeinde in Spruchpunkt I fest, dass näher bezeichnete Grundstücke des Regulierungsgebietes der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c des Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes 1996 (TFLG 1996), in der Fassung LGBl. Nr. 7/2010, seien. Das Grundstück Nr. 991/4, vorgetragen in EZ 44 GB Z., zähle hingegen nicht zum Gemeindegut.
Weitere Anträge der Agrargemeinschaft wurden mit Spruchpunkt II des genannten Bescheides abgewiesen; mit Spruchpunkt III wurde gemäß § 38 Abs. 2 TFLG 1996 festgestellt, dass nach Rechtskraft dieses Bescheides die Ersichtlichmachung der Bezeichnung "Gemeindegutsagrargemeinschaft" im Eigentumsblatt der EZ 44 vorzunehmen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Agrargemeinschaft Berufung, in der sie mit näherer Begründung ausführte, dass das Regulierungsgebiet in seiner Gesamtheit nie im Eigentum der politischen Ortsgemeinde oder deren Rechtsvorgängerin gestanden sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung insofern teilweise Folge, als in Bezug auf zwei weitere Grundstücke (Nr. 986 und Nr. 993 der EZ 44) festgestellt wurde, dass diese nicht Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c TFLG 1996 seien. Spruchpunkt II des Bescheides der AB vom wurde zur Gänze behoben und im Übrigen die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Die belangte Behörde stellte in der Begründung ihres Bescheides die historische Entwicklung des Regulierungsgebietes dar und gelangte mit näherer Begründung zur Ansicht, dass mit der im Grundbuch verwendeten Eigentümerbezeichnung "Katastralgemeinde Z-Berg" die politische Fraktion Z-Berg im gemeinderechtlichen Sinn als Eigentümerin angeschrieben worden sei, deren Rechtsnachfolgerin die politische Gemeinde Z sei. Es werde im Bereich des Z-Berges von einer gemeinderechtlichen Fraktion ausgegangen, in deren Gebiet die Stammsitzliegenschafter nur Wald- und Weidenutzungsrechte gehabt hätten.
Soweit die AB in den Bescheiden "Liste der Parteien", "Verzeichnis der Anteilsrechte" sowie im Regulierungsplan das Regulierungsgebiet als ein agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinne des § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952 (bzw. § 32 Abs. 1 lit. b TFLG 1969) qualifiziert hätte, hätte sie damit aber zum Ausdruck gebracht, dass ihrer Meinung nach kein Gemeindegut bzw. ehemaliges Fraktionsgut vorgelegen sei. Demnach habe sich die Agrarbehörde bei Erlassung der Bescheide des Regulierungsverfahrens klar gegen die Zuordnung der Regulierungsgrundstücke zum Gemeindegut bzw. ehemaligen Fraktionsgut entschieden. Darauf aufbauend sei die Agrarbehörde im Regulierungszeitpunkt zum Ergebnis gelangt, dass die Gemeinschaftsgrundstücke gar nicht im wahren Eigentum der politischen Gemeinde Z stünden, weshalb sie die Eigentumsfeststellung zugunsten der Agrargemeinschaft vorgenommen habe.
Nach Ansicht des Landesagrarsenates liege entschiedene Rechtssache aber nur bei gleichem Sachverhalt und unveränderter Rechtslage vor. Die Rechtslage habe sich aber gerade bezüglich des Gemeindegutes gegenüber dem Regulierungszeitpunkt der Agrargemeinschaft entscheidend verändert. So habe sich die rechtliche Behandlung des Gemeindegutes auf Grund der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom und vom gravierend geändert. Nun sei es geradezu geboten, frühere agrarbehördliche Entscheidungen unter Beachtung deren Rechtskraft verfassungskonform auszulegen, sodass die damaligen Feststellungen zur Qualität der Regulierungsliegenschaften im Lichte der vermeintlich zulässigen Übertragung des vollen Eigentums anders zu betrachten seien. Im vorliegenden Fall sei unstrittig, dass die Gemeinschaftsgrundstücke der Deckung des Haus- und Gutsbedarfes der die Agrargemeinschaft bildenden Stammsitzliegenschaften gedient habe, wie dies auch bereits anlässlich der Instruierungsverhandlung der AB authentisch angegeben worden sei. Weitergehende Rechte der Mitglieder der Agrargemeinschaft im Sinne von Substanznutzungsrechten seien nicht behauptet und auch im Regulierungsplan nicht festgelegt worden. Dieser beschränke sich auf die Regelung der Weide-, Wald- (Holz-) und Jagdnutzung. Festzustellen sei weiters, dass offenkundig mit der in den Bescheiden des Regulierungsverfahrens vorgenommenen Feststellung des Regulierungsgebietes die historischen Gegebenheiten vor der Grundbuchsanlegung, der wahre Inhalt der Eigentumsanschreibung im Grundbuch und die tatsächlichen Verhältnisse vor der Regulierung missinterpretiert worden seien. Daraus folge jedoch wiederum die zwischenzeitig als verfassungswidrig erkannte Eigentumsfeststellung zugunsten der Agrargemeinschaft, welche ursprünglich lediglich Holz- und Weidenutzungsrechte am Regulierungsgebiet gehabt hätte. Ausgehend vom vormaligen Eigentum der politischen Gemeinde an den Regulierungsliegenschaften und von der Nutzung der Gemeinschaftsgrundstücke durch die jeweiligen Eigentümer der Stammsitzliegenschaften der Agrargemeinschaft für Zwecke der Deckung ihres Haus- und Gutsbedarfes sei in Ansehung der Regulierungsgrundstücke Gemeindegut im Sinne der Bestimmung des § 33 Abs. 2 lit. c Z. 2 TFLG 1996 in der geltenden Fassung festzustellen.
Nach näherer Darlegung der Hintergründe, weshalb die Grundstücke Nr. 986 und Nr. 993 nicht Gemeindegut seien, fuhr die belangte Behörde fort, die Gemeinde habe im Rahmen des Regulierungsverfahrens keinesfalls der Übertragung von Eigentum zugestimmt. Vielmehr erscheine es so, dass sie die Gründung einer Agrargemeinschaft im Stadium der vorläufigen Konstituierung durch eine vorläufige Satzung in Frage gestellt habe bzw. nicht zur Kenntnis nehmen hätte wollen. Diese 1948 vorläufig verliehenen Satzungen hätten die Stammsitzliegenschaftseigentümer in die Lage versetzt, die agrargemeinschaftlichen Liegenschaften zu verwalten, ohne die Gemeinde einbinden zu müssen. Nach nahezu 20-jährigem Stillstand des Regulierungsverfahrens, in welchem die Nutzungsberechtigten offenbar laut Akteninhalt ungehindert eigentumsgleiche Rechte ausüben hätten können, sei das Regulierungsverfahren dann fortgeführt und 25 Jahre nach der Antragstellung abgeschlossen worden. Dieser längere Zeitraum erkläre, weshalb die Gemeinde ihre am Regulierungsgebiet grundsätzlich aus dem Eigentum zustehenden Rechte nicht weiter wahrgenommen habe, da ihr die Verfügungsmacht über das Gebiet mit der Verwaltungsübertragung für mehr als 20 Jahre nicht mehr zugekommen sei. Eine Zustimmung der Gemeinde zur Eigentumsentziehung liege darin aber nicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde der Agrargemeinschaft, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als kostenpflichtig abzuweisen.
Die mitbeteiligte Gemeinde erstattete ebenfalls eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Mit Schriftsatz vom erstattete die mitbeteiligte Partei ergänzende Ausführungen, worauf die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom replizierte.
Mit Schriftsatz vom erstattete schließlich die belangte Behörde ein ergänzendes Vorbringen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die entscheidungswesentliche Bestimmung des § 33 Abs. 2 lit. c Z. 2 TFLG 1996 in der Fassung LGBl. Nr. 7/2010 hat folgenden Wortlaut:
"§ 33. (1) …
(2) Agrargemeinschaftliche Grundstücke sind, unbeschadet der Rechte aus einer bereits vollendeten Ersitzung
Tabelle in neuem Fenster öffnen
a) | … |
c) | Grundstücke, die |
1. | ... |
2. | vormals im Eigentum einer Gemeinde gestanden sind, durch Regulierungsplan ins Eigentum einer Agrargemeinschaft übertragen wurden, vor dieser Übertragung der Deckung des Haus- und Gutsbedarfs von Stammsitzliegenschaften gedient haben und nicht Gegenstand einer Hauptteilung waren (Gemeindegut)." |
Im vorliegenden Fall ist fraglich, ob die als Gemeindegut nach dieser Bestimmung festgestellten Grundstücke des Regulierungsgebietes der Agrargemeinschaft zu Recht als Grundstücke nach § 33 Abs. 2 lit. c Z. 2 TFLG 1996 qualifiziert wurden. | |
Wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt, wandten sich die Waldnutzungsberechtigten am F Walde im November 1947 an die AB, welche daraufhin am eine Instruierungsverhandlung durchführte. Aus der Verhandlungsschrift geht hervor, dass der gemeinschaftliche Wald von den in der Präsenzliste aufgezählten Beteiligten zur Deckung des Brenn- und Bauholzbedarfes genutzt und der Wald und die beiden Weiden mit dem überwinterten Vieh beweidet worden sei. Die Verwaltung des Waldes sei immer einem Vertrauensmann aus F, dem sogenannten Dorfvogt, oblegen, der über den Wald die Aufsicht geführt habe. Erträge aus dem Walde, insbesondere aus Schlägerung, seien in die Waldkasse geflossen und seien nicht der Fraktion oder später etwa der Gemeinde Z zugeflossen. Anlässlich der Umschreibung des gemeinschaftlichen Gebietes gaben die Parteien nach dem Inhalt dieser Verhandlungsschrift übereinstimmend an, dass sowohl näher bezeichnete Grundstücke der EZ 44 als auch der EZ 45 "der Gemeinschaft F gehöre". | |
Anlässlich einer weiteren mündlichen Verhandlung vom gaben die anwesenden Parteien in Bezug auf das gemeinschaftliche Gebiet an, dass dieses aus sämtlichen in EZ 44 und 45 KG Z vorgetragenen Grundstücken bestehe. Der Verhandlungsschrift ist zu entnehmen, dass dieses Gebiet ein agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinne des § 36 Abs. 1 lit. b (TFLG 1952) darstelle und im Eigentum der mit vorläufiger Satzung körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft F stehe. Dies wurde insbesondere damit begründet, dass bisher sämtliche Steuern und Abgaben von der Gemeinschaft getragen worden seien. | |
Mit Bescheid der AB vom wurde das Verfahren zur Regulierung der gemeinschaftlichen Benützung und Verwaltungsrechte für den F Wald bestehend aus den Liegenschaften der EZ 44 und 45 KG Z eingeleitet. Aus der Begründung dieses Bescheides geht hervor, dass der Gemeinschaftsbesitz ein agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinne des § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952 darstelle. | |
Mit Bescheid der AB vom wurde die Liste der Parteien festgestellt und neuerlich im Bescheid festgehalten, dass die der Regulierung unterzogenen Grundstücke agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne des § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952 seien und im Eigentum der Agrargemeinschaft stünden. Im Bescheid der AB vom über das Verzeichnis der Anteilsrechte findet sich die gleiche Feststellung. | |
Mit Regulierungsplan vom wurde neuerlich die Feststellung getroffen, dass die in Rede stehenden Grundstücke agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne des § 36 Abs. 1 lit. b TFLG (wohl gemeint: 1952) seien und im Eigentum der Agrargemeinschaft stünden. | |
Daraus folgt für den hier vorliegenden Fall, dass sämtlichen im Regulierungsverfahren ergangenen Bescheiden zu entnehmen ist, dass es sich beim Regulierungsgebiet um agrargemeinschaftliche Grundstücke nach § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952 handle. Diese Qualifizierung wurde bereits vor der Erlassung des ersten Bescheides in der mündlichen Verhandlung vom vorgenommen und steht inhaltlich auch im Einklang mit den Erklärungen, die anlässlich der Instruierungsverhandlung im Jahr 1948 abgegeben worden waren. | |
Nach der vom Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang entwickelten Rechtsprechung (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , 2010/07/0091, ua) ist auf die Zuordnung des Gebietes in den Bescheiden des Regulierungsverfahrens abzustellen. Im vorliegenden Fall ist übereinstimmend in sämtlichen im Regulierungsverfahren ergangenen Bescheiden von agrargemeinschaftlichen Grundstücken nach § 36 Abs. 1 lit. b TFLG 1952 die Rede. | |
Eine der Rechtswirkungen solcher Bescheide ist die rechtskräftige Qualifizierung dieser Grundstücke als Gut einer Gemeinschaft von Nutzungsberechtigten und nicht als Gemeindegut der politischen Gemeinde im Sinne der Tiroler Gemeindeordnung (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , 2011/07/0039). Lag aber kein Gemeindegut vor, so konnte es auch nicht an die Agrargemeinschaft unter Aufrechterhaltung einer solchen Qualifikation übertragen werden. Damit fehlt es aber im vorliegenden Fall an der Voraussetzung, wonach das Eigentum an den Grundstücken im Regulierungsverfahren (oder durch einen vergleichbaren Akt) an die beschwerdeführende Agrargemeinschaft übertragen wurde. | |
Hinsichtlich der daraus ableitbaren Folgerungen genügt es gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung der hg. Erkenntnisse vom , 2011/07/0039, zu verweisen (vgl. aber auch die zur gleichlautenden Bestimmung des § 33 Abs. 1 lit. b TFLG 1978 ergangenen hg. Erkenntnisse vom , 2011/07/0050, und vom , 2010/07/0163). | |
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben. | |
Ein Eingehen auf die übrigen Beschwerdeargumente erübrigte sich daher. | |
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008. | |
Wien, am |
Fundstelle(n):
YAAAE-85508