VwGH vom 21.06.2011, 2008/22/0825
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2008/22/0826 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vormals vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marxergasse 21, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 151.564/2- III/4/08, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines indischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 Z 3 sowie § 47 Abs. 3 letzter Satz iVm § 11 Abs. 2 Z 2, Z 3 und Z 4 iVm Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
In ihrer Begründung stellte die belangte Behörde darauf ab, es sei nicht nachgewiesen worden, dass der Zusammenführende im Sinn des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG dem Beschwerdeführer in seinem Heimatland Unterhalt geleistet hätte. Die Geldzahlungen seien von der Ehefrau des Zusammenführenden geleistet worden. Auch sei nicht klar, auf Grund welcher rechtlichen Verpflichtung Unterhalt geleistet worden sei, so dass nicht von Unterhaltsleistungen gesprochen werden könne.
Es sei aber auch die vom Zusammenführenden vorgelegte Haftungserklärung nicht tragfähig. Als Mitarbeiter der U verdiene der Zusammenführende monatlich durchschnittlich (inkl. Sonderzahlungen) brutto EUR 4.262,91. Diese würden ihm steuerfrei ausbezahlt. Aus den vorgelegten Lohnbestätigungen ergebe sich - unter Ausklammerung des Überstundenentgelts - ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 2.731,53. Seine Ehefrau habe ein durchschnittliches monatliches Einkommen von EUR 1.196,09. Somit betrage das Einkommen dieses Haushaltes EUR 3.972,62. Allerdings benötige der Zusammenführende selbst mindestens EUR 3.053,02. Dies ergebe sich daraus, dass er EUR 275,15 an Wohnkosten aufbringen müsse. Für zwei Kredite, die für Grundankauf und Hausbau aufgenommen worden seien, habe er monatlich Rückzahlungen von insgesamt EUR 1.658,05 zu leisten. Auch könne sich ein Zusammenführender nur mit jenem Einkommen zur Unterhaltsleistung an den Nachziehenden verpflichten, das den Betrag des pfändungsfreien Existenzminimums übersteige. Das Einkommen des Zusammenführenden sei aber, weil er Mitarbeiter der U sei, "sogar zur Gänze pfändungsfrei".
Im Ergebnis könnte der Zusammenführende dem Beschwerdeführer und seinem Cousin, der ebenfalls einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt habe, Unterhaltsmittel nur mit einem Einkommensteil von EUR 874,60 zur Verfügung stellen. Da er aber für beide Antragsteller EUR 1.494,- (zweimal den "Einzelpersonenrichtsatz" des § 293 Abs. 1 ASVG von EUR 747,-) aufwenden müsse, sei die Haftungserklärung nicht als tragfähig anzusehen.
Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb ihrer Ansicht nach auch gemäß § 11 Abs. 3 NAG die Erteilung eines Aufenthaltstitels an den Beschwerdeführer nicht geboten sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer, wie er zutreffend aufzeigt, zu jenem Sachverhalt, von dem sie ausging, kein Parteiengehör eingeräumt hat, so dass jenes sachverhaltsbezogene Vorbringen in der Beschwerde zu den erstmals im Berufungsverfahren getroffenen Feststellungen nicht dem Neuerungsverbot unterliegt.
Soweit die belangte Behörde dem Beschwerdeführer anhand der vorgelegten Bestätigungen abspricht, dass er in seinem Heimatland im Sinn des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG vom Zusammenführenden Unterhalt bezogen habe, wird mit Blick auf das - unter Vorlage einer eidesstättigen Erklärung bereits im Verwaltungsverfahren erstattete - Vorbringen, es seien zwar die Überweisungen von der Ehefrau des Zusammenführenden - aus Gründen der Zweckmäßigkeit, weil diese ihren Arbeitsplatz neben einer Zweigstelle der W Bank habe - getätigt worden, jedoch stammten die Leistungen vom Zusammenführenden, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom , 2008/22/0798, verwiesen. Aus den dort angeführten Erwägungen kann der belangten Behörde nicht gefolgt werden.
Wenn die belangte Behörde das Vorliegen von Unterhaltszahlungen mangels für sie ersichtlicher Rechtspflicht - gemeint: außerhalb vertraglicher Ansprüche - bezweifelt, ist dem entgegenzuhalten, dass § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG das Bestehen einer solchen nicht voraussetzt. Vielmehr sind nach dieser Bestimmung die tatsächlichen Gegebenheiten ausschlaggebend, zumal gerade bei den Angehörigkeitsverhältnissen, die von § 47 Abs. 3 Z 3 lit a NAG erfasst werden sollen, in der Regel - nicht zuletzt auch mit Blick darauf, dass hier im Sinne des § 11 Abs. 6 NAG die Möglichkeit eingeräumt ist, Unterhaltsmittel auch auf vertragliche Unterhaltsansprüche zu gründen (vgl. dazu des Näheren das hg. Erkenntnis vom , 2009/22/0241) - wohl davon ausgegangen werden muss, dass eine gesetzlich festgelegte Unterhaltspflicht nicht besteht.
Des Weiteren wird hinsichtlich der Grundsätze der Berechnung jener Unterhaltsmittel, die für den Zusammenführenden und seiner Familie zu verbleiben haben und für den Nachziehenden bereitzustellen sind, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0637, verwiesen. Aus den dort genannten Gründen erweist sich die von der belangten Behörde vorgenommene Art der Berechnung als nicht der Rechtslage entsprechend.
Aber selbst nach der Berechnung der belangten Behörde ergibt sich, dass dem Zusammenführenden EUR 874,60 für Unterhaltsleistungen an einen nachziehenden Fremden verblieben. Wenn die belangte Behörde zur Begründung der Antragsabweisung auch jene Unterhaltsmittel einbezieht, die der Zusammenführende für den ebenfalls einen Aufenthaltstitel begehrenden Cousin des Beschwerdeführers aufzubringen hätte, so entspricht dies nicht dem Gesetz. Es dürfen nämlich nicht beide Anträge abgewiesen werden, wenn die zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel zwar für einen, nicht jedoch für beide Nachziehende gemeinsam ausreichen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2007/21/0445, 0449, sowie jenes vom , 2008/21/0329). Dass der Antrag des Cousins des Beschwerdeführers bereits rechtskräftig bewilligt worden wäre und infolgedessen die dem Zusammenführenden zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel durch Unterhaltsleistung an diesen eine Schmälerung erfahren hätten, hat die belangte Behörde nicht festgestellt.
Ist aber die Haftungserklärung tragfähig, so kann mit einer solchen gemäß § 11 Abs. 6 NAG nicht nur der Nachweis der Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG, sondern auch des Bestehens der Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 und 3 NAG erbracht werden.
Wenn aber die belangte Behörde auch das geltende gemachte Verwandtschaftsverhältnis in Zweifel zieht und dies mit der Schreibweise des Namens des Großvaters in vorgelegten Personenstandsurkunden begründet, die einmal "N" und einmal "N" - sohin ein Unterschied nur darin vorhanden ist, dass einmal der Name mit einem Leerzeichen versehen war und in der anderen Urkunde dieses Leerzeichen nicht vorhanden war, sowie im Buchstaben A - erweisen sich die allein darauf abstellenden Überlegungen der belangten Behörde schon angesichts dessen, dass es notorisch ist, dass bei der Übertragung von Namen aus anderen Schriften immer wieder Divergenzen in der Schreibweise auftreten, unter Bedachtnahme auf die bloß geringfügigen Abweichungen als nicht schlüssig. Deutlich wird dies vor allem anhand der in den Urkunden auch ersichtlichen, ähnliche Abweichungen aufweisenden Schreibweisen des Namens der Ehefrau des Zusammenführenden. Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang aber insbesondere nicht festgestellt, dass die vorgelegten Urkunden gefälscht gewesen wären. Eine Begründung, weshalb eine Befragung des Beschwerdeführers, des Zusammenführenden oder dessen Ehefrau nicht geeignet gewesen wäre, insoweit zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, enthält der angefochtene Bescheid nicht.
Der angefochtene Bescheid war sohin schon nach dem Gesagten wegen - vorrangig wahrzunehmender - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das sonstige Beschwerdevorbringen eingegangen hätte werden müssen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das auf die Erstattung von Umsatzsteuer abzielende, den in der genannten Verordnung enthaltenen Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand übersteigende Mehrbegehren war abzuweisen, weil Umsatzsteuer im Pauschalbetrag bereits enthalten ist.
Wien, am
Fundstelle(n):
AAAAE-85461