VwGH vom 24.04.2012, 2008/22/0819
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Josef Unterweger und Maga. Doris Einwallner, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 146.990/2- III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem am bei der Bundespolizeidirektion Wien eingebrachten Antrag vom begehrte der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, nach den damals geltenden Vorschriften des Fremdengesetzes 1997 (FrG) die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Zweck "begünstigter Drittsta. - Ö., § 49 Abs. 1 FrG". In diesem Antrag verwies er auf seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin und legte Urkunden bei, aus denen ersichtlich war, dass der österreichische Reisepass seiner Ehefrau vom Österreichischen Generalkonsulat D (unter Vermerk des Wohnortes K) ausgestellt worden war und ihr auch für Deutschland ab Mai 1995 Aufenthaltserlaubnisse erteilt worden waren.
Dieser Antrag wurde von der Bundespolizeidirektion Wien infolge des In-Kraft-Tretens des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG () an den nunmehr in erster Instanz zuständig gewordenen Landeshauptmann von Wien abgetreten. Diese Behörde wertete den Antrag des Beschwerdeführers als auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" - im Sinn des § 47 Abs. 2 NAG - gerichtet. Sie wies den Antrag mit Bescheid vom gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG unter Hinweis auf den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ab.
In seiner dagegen gerichteten Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, § 54 NAG sei so auszulegen, dass auch sein Fall davon erfasst sei. Somit komme ihm das Recht zu, "die Ausstellung eines - rechtsbescheinigenden - Aufenthaltstitels (Daueraufenthaltskarte) in Österreich abzuwarten". Seine Ehefrau hätte in Deutschland von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht. Im Berufungsantrag hielt der Beschwerdeführer ausdrücklich fest, die Berufungsbehörde möge der Berufung Folge geben und den Bescheid dahingehend abändern, dass "dem Einschreiter eine Daueraufenthaltskarte ausgestellt" werde. In eventu beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger". Im Berufungsverfahren legte der Beschwerdeführer ergänzend eine Kopie der für seine Ehefrau von der Stadt K am ausgestellten, zuletzt in ihrer Gültigkeit bis verlängerten "Aufenthaltserlaubnis für Angehörige eines Mitgliedstaates der EWG" vor.
Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) die Berufung gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 und Abs. 4 Z 1 sowie § 21 Abs. 1 NAG ab. Sie ging in ihrer Begründung - ebenso wie die Behörde erster Instanz - davon aus, der vom Beschwerdeführer am eingebrachte Antrag sei auf Grund der geänderten Rechtslage des NAG als Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" zu werten.
Im Weiteren legte die belangte Behörde dar, weshalb dem Beschwerdeführer dieser Aufenthaltstitel nicht erteilt werden dürfe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 751/07-6, ablehnte und die Beschwerde über gesonderten Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluss vom , B 751/07-8, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - im Verfahren ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerde macht geltend, der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren dargelegt, dass seine österreichische Ehefrau das ihr zustehende Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hätte. Es kämen die Bestimmungen der §§ 51 bis 56 NAG zur Anwendung. Auch habe er auf die Rechtsprechung des EuGH, wonach in einem solchen Fall die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung an einen Drittstaatsangehörigen nur feststellenden Charakter aufweise, verwiesen. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Der Beschwerdeführer hat seinen Antrag noch während der Geltung des am außer Kraft getretenen FrG gestellt. Diesen Antrag wertete nach In-Kraft-Treten des NAG bereits die Behörde erster Instanz - ohne den Beschwerdeführer dazu zu hören - als auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 47 Abs. 2 NAG gerichtet. Dem trat der Beschwerdeführer in der Berufung entgegen, indem er ausdrücklich die Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte begehrte und darauf hinwies, seine Ehefrau hätte auf Grund (längeren) Aufenthalts in Deutschland das ihr unionsrechtlich eingeräumte Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen. Lediglich eventualiter beantragte der Beschwerdeführer, ihm einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" zu erteilen.
Dessen ungeachtet ging die belangte Behörde weiterhin davon aus, der Beschwerdeführer habe (als Hauptantrag) einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gestellt.
Damit wurde aber der durch den Antrag des Beschwerdeführers bestimmte Verfahrensgegenstand von der Behörde nicht im Sinn der Berufung gedeutet. Zum Verfahrensgegenstand eines Antrages im Anwendungsbereich des NAG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt, dass nach dessen Bestimmungen eine amtswegige Umdeutung eines Antrages grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Dies ergibt sich nicht nur aus der aus § 19 Abs. 2 NAG hervorgehenden strengen Antragsbindung, sondern auch aus § 23 Abs. 1 NAG, wonach die Behörde den Antragsteller zu belehren hat, wenn sich ergibt, dass der Fremde einen anderen als den beantragten Aufenthaltstitel (oder eine Dokumentation) benötigt. Die Richtigstellung (Änderung) des Antrages - innerhalb einer von der Behörde gemäß § 13 Abs. 3 AVG zu setzenden Frist - ist Sache des Antragstellers (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/22/0004, mwN).
Somit war es der Behörde verwehrt, aus eigenem den Antrag ohne weiteres umzudeuten und den - was der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren auch ausdrücklich klargestellt hat - auf die Ausstellung einer Dokumentation eines Aufenthaltsrechts gerichteten Antrag als auf Erteilung eines (konstitutiv wirkenden) Aufenthaltstitels zu werten.
Somit war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Soweit die belangte Behörde im Rahmen ihrer Auffassung, weshalb ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, nicht aber einer Dokumentation vorliege, ohne nähere Feststellungen zu treffen, dem Vorbringen des Beschwerdeführers von vornherein jegliche Eignung abgesprochen hat, einen tauglichen Grund für die Anwendung der §§ 51 bis 57 NAG darzustellen, ist sie ergänzend auf das zur hier maßgeblichen Rechtslage ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0386, hinzuweisen. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird insoweit auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am