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VwGH vom 23.01.2020, Ra 2019/21/0228

VwGH vom 23.01.2020, Ra 2019/21/0228

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des A E A, zuletzt in I, vertreten durch MMag. Rene Schwetz, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Wilhelm-Greil-Straße 21/VI, gegen das am mündlich verkündete und mit schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, G301 2199092-1/25E, betreffend insbesondere Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist kubanischer Staatsangehöriger. Er reiste (erstmals) im Herbst 1999 nach Österreich ein, wo er sich seither nach eigenen Angaben - mit Ausnahme eines 14-monatigen Aufenthalts 2012/2013 in Berlin - befindet.

2 Der Revisionswerber verfügte nach der Aktenlage über eine bis gültige Niederlassungsbewilligung; über einen Verlängerungsantrag vom wurde - ebenfalls nach der Aktenlage - nicht entschieden.

3 Von Oktober 2001 bis Mai 2017 existieren für den Revisionswerber keine inländischen Meldedaten. Im Mai 2017 wurde er dann allerdings festgenommen und in der Folge strafgerichtlich verurteilt. Im Besonderen wurde über ihn mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck in der Fassung des Urteils des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom (insbesondere) wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs. 1 StGB eine Zusatzfreiheitsstrafe - vorangegangen war eine Verurteilung zu einer Geldstrafe - in der Dauer von drei Jahren und sechs Monaten verhängt.

4 Gegen den Revisionswerber war bereits vor seinen strafgerichtlichen Verurteilungen ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung eingeleitet worden. Im Zuge dieses Verfahrens erstattete der Revisionswerber eine Stellungnahme, in der er u.a. angab, er "habe keine Rechte in Kuba" und sei mit lebenslanger Gefängnisstrafe bedroht; er sei in Kuba wegen Propaganda und "Konterrevolution" angeklagt und habe politische Verfolgung zu befürchten; außerdem habe er den Militärdienst verweigert und sei ein Deserteur.

5 Mit Bescheid vom sprach das Bundessamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Unter einem erließ es gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 Z 1 FPG, womit es insbesondere die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG verband, dass eine Abschiebung des Revisionswerbers nach Kuba zulässig sei, sowie ein zehnjähriges Einreiseverbot. Auf das zuvor wiedergegebene Vorbringen des Revisionswerbers (Rn. 4) ist das BFA in diesem Bescheid nicht eingegangen, es stellte allerdings allgemein zur Lage in Kuba - u.a. - fest, dass sich kubanische Staatsbürger (lediglich) 24 Monate im Ausland aufhalten dürfen; bei Übertretung dieser Frist werde die betreffende Person "als Emigrant und Abtrünniger" betrachtet. Außerdem traf das BFA Feststellungen zu "Haftbedingungen", und zwar dergestalt, dass die Gefängnisse überfüllt, die Zellen überbelegt und die Haftbedingungen "hart" seien; auch fehle es an ausreichendem Platz, Licht, Belüftung und Temperaturkontrolle; es gebe Berichte von Übergriffen durch Gefängnisbeamte; in den Zellen fehle es an ausreichendem Trinkwasser und adäquaten sanitären Einrichtungen; die hygienischen Zustände seien schlecht.

6 Der Revisionswerber erhob durch die ihm beigegebene Rechtsberatung Beschwerde. In der dann durchgeführten Beschwerdeverhandlung brachte er vor, sein Onkel habe 14 Jahre im Gefängnis verbracht, nur weil er "anders gedacht" habe als die Regierung; wenn er (Revisionswerber) zurückkehre, würden sie ihn wohl festnehmen und ins Gefängnis stecken.

7 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der Beschwerde insoweit teilweise Folge, als es die Dauer des Einreiseverbotes auf sieben Jahre herabsetzte. Im Übrigen wies es - abgesehen von einer hier nicht näher darzustellenden Ausnahme - die Beschwerde aber als unbegründet ab. Im Hinblick auf die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG begründete es das lediglich damit, dass keine konkreten Umstände hervorgekommen seien, dass "allenfalls auch unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens" eine Abschiebung des Revisionswerbers in seinen Herkunftsstaat Kuba unzulässig wäre.

8 Über die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision - das BVwG hat gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ausgesprochen, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei - hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das BVwG über die aus der Aktenlage ersichtliche Erteilung einer Niederlassungsbewilligung an den Revisionswerber sowie über den von ihm gestellten Verlängerungsantrag kommentarlos hinweggegangen ist. Vor allem aber ist ihm anzulasten, dass es sich - ebenso wie schon zuvor das BFA - nicht mit dem vom Revisionswerber noch ausreichend deutlich geltend gemachten Vorbringen über eine ihm in Kuba drohende Verfolgung (siehe oben Rn. 4 und Rn. 6) überhaupt nicht auseinandergesetzt hat. Insoweit hat zunächst die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG über die Zulässigkeit einer Abschiebung des Revisionswerbers nach Kuba keine tragfähige Basis. Das BVwG hat in diesem Zusammenhang aber auch nicht beachtet, dass es mit dem Revisionswerber zu erörtern gehabt hätte, ob er ausgehend von dem vorgebrachten Gefährdungsszenario die Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz beabsichtige, zumal es nicht Aufgabe des BFA bzw. des BVwG ist, im Verfahren zur Erlassung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme ein Verfahren durchzuführen, das letztlich der Sache nach einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz gleichkommt (siehe in diesem Sinn zuletzt , Rn.9, mit Verweis auf insbesondere und 0158, Rn. 11 und 12).

10 Im Hinblick darauf ist das angefochtene Erkenntnis - zur Gänze - mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

11 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019210228.L00
Schlagworte:
Besondere Rechtsgebiete

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