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VwGH vom 11.09.2014, 2013/16/0018

VwGH vom 11.09.2014, 2013/16/0018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Beschwerde des S J in W, Deutschland, vertreten durch Mirko Stadler, Rechtsanwalt in Ettlingen, Deutschland, (Einvernehmensrechtsanwalt Dr. Georg Legat in 1010 Wien, Seilergasse 9/11) gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom , Zl. ZRV/0026-Z1W/12, betreffend u.a. Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird mit Ausnahme des Punktes 2. seines Spruches (betreffend Abgabenerhöhung) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der angefochtene Bescheid erging im fortgesetzten Verfahren, nachdem der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom , 2010/16/0206 (Vorerkenntnis), den damals angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben hatte.

Auf das Wesentliche zusammengefasst ergibt sich folgender Verfahrensablauf:

Mit Bescheid vom zog das Zollamt Wien den Beschwerdeführer als Zollschuldner nach Art. 202 Abs. 3 dritter Anstrich des Zollkodex (ZK) iVm § 2 Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) in näher angeführter Höhe heran, weil der Beschwerdeführer am 14. und 22. August sowie am insgesamt 15 Millionen Stück Zigaretten "erworben bzw. in Besitz gehabt" habe, obwohl er im Zeitpunkt "des Erwerbs oder Erhalts der Ware" gewusst habe oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass diese Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden seien.

Die dagegen erhobene Berufung wies das Zollamt mit Berufungsvorentscheidung vom ab, wogegen der Beschwerdeführer eine (Administrativ )Beschwerde erhob.

Mit dem durch das Vorerkenntnis aufgehobenen Bescheid vom änderte die belangte Behörde die vor ihr bekämpfte Berufungsvorentscheidung des Zollamtes dahingehend, dass der mit der Berufungsvorentscheidung - abgesehen von einer neuen Abgabenberechnung - übernommene Spruch des Bescheides des Zollamtes vom insofern geändert wurde, als die Zollschuld für den Beschwerdeführer gemäß Art. 202 Abs. 1 und Abs. 3 zweiter Anstrich ZK entstanden sei. Im Übrigen wies die belangte Behörde die (Administrativ )Beschwerde als unbegründet ab. Die belangte Behörde ging in jenem Bescheid von folgendem Sachverhalt aus:

"Der Bf. lernte im Jahre 2000 im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit als Lkw-Fahrer in Ungarn mehrere bislang nicht genau identifizierte ungarische Staatsangehörige kennen. Im Absprache mit diesen und den gesondert verfolgten U.S. und B.M. beschloss der Bf., aus Ungarn stammende, unverzollte und unversteuerte Zigaretten über Österreich und die Bundesrepublik Deutschland nach Großbritannien zu verbringen. Ungarn war zum Tatbegehungszeitpunkt noch nicht Mitglied der Europäischen Union.

Im Einzelnen handelte es sich um folgende Fälle:

1.: Am 14./ übernahm der Bf. insgesamt 11.000 Stangen Zigaretten auf der Autobahnraststätte Schloss Rötgen (DE). Diese wurden von U. S. in einem zuvor zu diesem Zweck angemieteten Lkw nach Leeds/England transportiert und dort an unbekannte Dritte übergeben, wobei der Bf. und B. M. U. S. begleiteten. Zuvor hatte der gesondert verfolgte A über Ersuchen des Bf. auf seinem PC zur Tarnung des Transports falsche Frachtpapiere erstellt.

2.: Am 22./ übernahm der Bf. insgesamt 32.000 Stangen Zigaretten in der Nähe von Wien. Erneut wurden die Zigaretten in einem zuvor angemieteten Lkw von U. S. nach Leeds/England transportiert und dort an unbekannte Dritte übergeben, wobei dieser wiederum vom Bf. und von B. M. begleitet wurde.

3.: Am übernahm der Bf. insgesamt 32.000 Stangen Zigaretten in der Nähe von Wien. Die Zigaretten wurden wiederum durch den gesondert verfolgten U. S. in einem zuvor angemieteten Lkw transportiert. Der Transport wurde allerdings von den britischen Zollbehörden entdeckt und die Zigaretten sichergestellt, sodass es nicht zu einer Auslieferung der Tabakwaren kam.

Für die Durchführung der Transporte erhielt der Bf. von seinen ungarischen Auftraggebern in den Fällen Ziffer 1 und 2 jeweils DM 2,00 pro Stange Zigaretten, somit DM 22.000,00 im Fall der Ziffer 1 und einen Betrag von DM 64.000,00 im Fall der Ziffer 2. Nach Abzug seiner Unkosten, die durch die Bezahlung der gesondert verfolgten U. S. und B. M., die Anmietung der LKW's, die Fährkosten von Calais nach Dover und Benzinkosten entstanden, verblieb dem Bf. im Fall der Ziffer 1 ein Gewinn von DM 5.000,00 und im Fall von Ziffer 2 von DM 24.800,00, der jedoch letztlich durch fehlgeschlagene Fahrten wegfiel."

Der Verwaltungsgerichtshof hob mit dem Vorerkenntnis diesen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf. Dem Bescheid des Zollamtes vom sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer die in Rede stehenden Zigaretten erworben habe oder Handlungen gesetzt haben soll, die zum rechtlichen Ergebnis führten, er hätte die Zigaretten im Besitz gehabt. Dem gegenüber gehe die belangte Behörde von einem Sachverhaltskomplex aus, wonach der Beschwerdeführer gerade nicht mit einem derartigen Erwerb oder Besitz der Zigaretten belastet wäre. Der Beschwerdeführer habe demgegenüber näher beschriebene Handlungen gesetzt, die zum rechtlichen Ergebnis führten, er habe zum vorschriftswidrigen Verbringen der Zigaretten beigetragen. Einen solchen anderen Sachverhaltskomplex dürfe die belangte Behörde aber nicht annehmen, denn § 289 Abs. 2 BAO (in der damals geltenden Fassung) erlaube nur die Änderung im Rahmen der Sache des Rechtsmittelverfahrens.

Nach Aufhebung ihres Bescheids durch das Vorerkenntnis änderte die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid abermals die Festsetzung der Abgaben gegenüber der Berufungsvorentscheidung des Zollamtes vom (Spruchpunkt 1), hob den Bescheid des Zollamtes vom , soweit er die Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG betraf, (ersatzlos) auf (Spruchpunkt 2), nahm eine Gegenüberstellung der "ursprünglichen" Abgabenfestsetzung mit derjenigen des nunmehr angefochtenen Bescheides vor (Spruchpunkt 3) und wies die Beschwerde im Übrigen als unbegründet ab (Spruchpunkt 4).

Die belangte Behörde legte dem nunmehr angefochtenen Bescheid die wortgleichen Sachverhaltsfeststellungen zugrunde, die sie dem durch das Vorerkenntnis aufgehobenen Bescheid zugrunde gelegt hatte.

Rechtlich wertete die belangte Behörde diesen Sachverhalt dahingehend, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der in Rede stehenden Zigaretten, welche vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden seien, als Zollschuldner nach Art. 202 Abs. 3 dritter Anstrich Zollkodex heranzuziehen sei, nämlich als Person, welche die betreffende Ware erworben oder in Besitz gehabt habe, obwohl sie im Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden war. Sie qualifizierte den zugrunde gelegten Sachverhalt dahingehend, dass der Beschwerdeführer die tatsächliche Herrschaft über die Tabakwaren ausgeübt habe. Daher sei er im Besitz der Zigaretten gewesen.

Mit der vorliegenden Beschwerde bekämpft der Beschwerdeführer diesen Bescheid in den Spruchpunkten 1, 3 und 4 (somit nicht im Spruchpunkt 2. über die Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 Zoll-RDG) und erachtet sich im Recht verletzt, nicht zu Abgabenzahlungen nach Art. 202 Abs. 3 Zollkodex verhalten zu werden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - durch einen gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Gemäß Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a) der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 302 vom , (Zollkodex - ZK) entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird.

Art. 202 Abs. 3 ZK lautet:

"(3) Zollschuldner sind:


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-
die Person, welche die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht hat;
-
die Personen, die an diesem Verbringen beteiligt waren, obwohl sie wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass sie damit vorschriftswidrig handeln,
-
die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie in dem Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden war."
Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG (in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung) stattgegeben hat, sind die Verwaltungsbehörden gemäß § 63 Abs. 1 VwGG verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Der tragenden Begründung des Vorerkenntnisses liegt die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes zu Grunde, dass die belangte Behörde mit dem aufgehobenen Bescheid über eine andere Sache iSd § 289 Abs. 2 BAO abgesprochen hatte als das Zollamt. Dies wurde im Vorerkenntnis damit begründet, dass das Zollamt mit seinem Bescheid vom über Handlungen des Beschwerdeführers abgesprochen hatte, die zum rechtlichen Ergebnis führten, er hätte die Zigaretten erworben oder im Besitz gehabt (Art. 202 Abs. 3 dritter Anstrich ZK), und dass der mit dem damals aufgehobenen Bescheid der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt nicht diesem Tatbestand (des Art. 202 Abs. 3 dritter Anstrich ZK) zu subsumieren sei.
In dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid ging die belangte Behörde ausdrücklich vom selben Sachverhalt aus, wie in dem durch das Vorerkenntnis aufgehobenen Bescheid. Die belangte Behörde war sohin an die im Vorerkenntnis geäußerte Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes gebunden, dass der zu Grunde liegende Sachverhalt rechtlich gerade nicht einem Erwerb oder Besitz der Zigaretten im Sinn des Art. 202 Abs. 3 dritter Anstrich Zollkodex durch den Beschwerdeführer entspricht.
Es war der belangten Behörde somit verwehrt, den festgestellten Sachverhalt mit neuen rechtlichen Überlegungen so zu beurteilen, dass der Beschwerdeführer an den in Rede stehenden Zigaretten Besitz erlangt hätte und somit Zollschuldner nach Art. 202 Abs. 3 dritter Anstrich ZK geworden wäre.
Einen gemäß § 63 Abs. 1 VwGG erlassenen Ersatzbescheid kann der Verwaltungsgerichtshof (über neuerliche Beschwerde) nur dahin prüfen, ob er der im vorangegangenen aufhebenden Erkenntnis geäußerten Rechtsanschauung entspricht (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2000/16/0330, und vom , 2007/16/0183). Da der angefochtene Bescheid der dem Vorerkenntnis zu Grunde liegenden und zu entnehmenden tragenden Rechtsanschauung nicht entspricht, war auf die rechtlichen Überlegungen im angefochtenen Bescheid, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer Besitz an den in Rede stehenden Zigaretten erlangte hätte, nicht mehr einzugehen.
Der angefochtene Bescheid war daher im bekämpften Umfang (sohin ausgenommen dessen Spruchpunkt 2 über die Abgabenerhöhung) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der im Beschwerdefall noch anwendbaren VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am