TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 20.02.2014, 2011/07/0089

VwGH vom 20.02.2014, 2011/07/0089

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde der A GmbH in S, vertreten durch Dr. Wolfgang List, Rechtsanwalt in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , Zl. BMLFUW-UW.2.2.1/0004- VI/1/2011-Wa, betreffend Zurückweisung eines Feststellungsantrages gemäß § 10 Altlastensanierungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Bund, vertreten durch das Zollamt E), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom stellte die beschwerdeführende Partei bei der Bezirkshauptmannschaft W (BH) einen Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides nach § 10 des Altlastensanierungsgesetzes (AlSAG).

Die beschwerdeführende Partei beabsichtige mineralische Abfälle, die einer mechanisch-biologischen Behandlung unterzogen würden, einer Entsorgung zuzuführen. Weiters solle bei Einhaltung der jeweiligen Vorgaben des Bundesabfallwirtschaftsplanes 2006 eine Verwertung der biologisch behandelten Böden und Aushubmaterialien erfolgen. Nach Abschluss der biologischen Behandlung würden die behandelten Böden und Aushubmaterialien der Schlüsselnummer 31482g im Sinne der ÖNORM S 2100 zugeordnet.

Die BH möge im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 2 AlSAG feststellen, dass dieses Material als Erdaushub im Sinne des § 3 Abs. 1a Z. 5 AlSAG zu qualifizieren sei, welcher bei Ablagerung auf einer genehmigten Deponie unter Einhaltung der Grenzwerte im Sinne des Anhanges 1 zur Deponieverordnung, Tabelle 1 und 2 für Bodenaushubdeponien, Tabelle 3 bzw. 4 für Inertabfalldeponien jedenfalls aber Tabelle 5 und 6 für Baurestmassendeponien nicht beitragspflichtig im Sinne des § 3 Abs. 1 AlSAG sei.

Mit Schreiben vom forderte die BH die beschwerdeführende Partei auf, detailliert darzustellen, wie und wo die mechanisch-biologische Behandlung vollzogen werde und um welche genehmigte Deponie es sich beim vorliegenden Antrag handle (Einsatzzweck der hergestellten Erden).

Mit Eingabe vom nahm die beschwerdeführende Partei dazu Stellung.

Über Aufforderung der BH äußerte sich ein Amtssachverständiger für Chemie - Abfalltechnik mit Schreiben vom zum Antrag der beschwerdeführenden Partei.

Mit Bescheid vom stellte die BH gemäß § 10 Abs. 1 AlSAG fest, dass die von der beschwerdeführenden Partei "nach einer mechanisch-biologischen Behandlung hergestellten Erden nach ordnungsgemäßer Ausstufung gemäß § 7 AWG und nach rechtmäßiger Zuordnung der Materialien zu den Schlüsselnummern 31472, 31473, 31474, 31475 und 31482 Sp 88 als Erdaushub gemäß § 3 Abs. 1a Z 5 AlSAG zu qualifizieren sind und bei Ablagerung (auf) einer dafür genehmigten Deponie nicht dem Altlastenbeitrag unterliegen".

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde gemäß § 10 Abs. 2 AlSAG den Bescheid der BH vom dahingehend ab, dass der Feststellungsantrag der beschwerdeführenden Partei vom zurückgewiesen werde.

In ihrer Begründung gab die belangte Behörde die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und den Antrag der beschwerdeführenden Partei wieder.

Dieser Antrag ziele darauf ab, dass über einen fiktiven, noch nicht verwirklichten Sachverhalt in Bescheidform abgesprochen werde. Die BH ginge ohne weitere Begründung davon aus, dass ein solcher Antrag zulässig sei.

Die Zwecksetzung des § 10 AlSAG liege darin, Unklarheiten im Zusammenhang mit Beitragsfragen zu klären. Eine Antragstellung in den § 10 Abs. 1 Z. 2 und Z. 3 unterfallenden Bereichen schon vor Verwirklichung des möglicherweise zur Beitragspflicht führenden Sachverhaltes bewirke, dass die Feststellungsbehörde - da es sich um eine Beurteilung eines Projektes handle - zwar an den vom Antragsteller präsentierten Sachverhalt gebunden sei, sie aber anders als bei der Erteilung einer Projektgenehmigung keine Auflagen oder Bedingungen vorschreiben könne. Zudem könne der Antragsgegner den Sachverhalt naturgemäß ebenfalls nicht bestreiten, sondern sich nur zu den im Antrag aufgeworfenen Rechtsfragen äußern. Die Feststellungsbehörde habe wiederum darauf, ob das Projekt in der Folge auch tatsächlich verwirklicht werde oder nicht, und darauf, dass im rechtlich relevanten Zeitraum alle erforderlichen Bewilligungen auch tatsächlich vorlägen und eingehalten würden, ebenso wenig Einfluss wie darauf, ob das Projekt ohne Abweichungen von dem dem Feststellungsbescheid zugrunde gelegten Sachverhalt verwirklicht werde.

Angesichts dieser Überlegungen erweise sich, dass nach § 10 Abs. 1 Z. 2 und 3 AlSAG nur über bereits verwirklichte Sachverhalte, deren Beitragspflicht zweifelhaft sei, abgesprochen werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die mitbeteiligte Partei gab im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Stellungnahme ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen anzuwenden.

Die im vorliegenden Fall maßgebende Bestimmung des § 10 AlSAG

lautet samt Überschrift auszugsweise:

"Feststellungsbescheid

§ 10. (1) Die Behörde (§ 21) hat in begründeten Zweifelsfällen auf Antrag des in Betracht kommenden Beitragsschuldners oder des Bundes, vertreten durch das Zollamt, durch Bescheid festzustellen,


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
ob eine Sache Abfall ist,
2.
ob ein Abfall dem Altlastenbeitrag unterliegt,
3.
ob eine beitragspflichtige Tätigkeit vorliegt,
4.
welche Abfallkategorie gemäß § 6 Abs. 1 vorliegt,
5.
ob die Voraussetzungen vorliegen, die Zuschläge gemäß § 6 Abs. 2 oder 3 nicht anzuwenden,
6.
welche Deponie(unter)klasse gemäß § 6 Abs. 4 vorliegt.

(2) Der Bescheid samt einer Kopie der Akten des Verwaltungsverfahrens ist unverzüglich an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zu übermitteln. Unbeschadet des § 68 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, kann ein Bescheid gemäß Abs. 1 vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft innerhalb von sechs Wochen nach Einlangen abgeändert oder aufgehoben werden, wenn

1. der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde oder

2. der Inhalt des Bescheides rechtswidrig ist. Die Zeit des Parteiengehörs ist nicht in die Frist einzurechnen.

..."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Feststellungsverfahren nach § 10 Abs. 1 AlSAG den Zweck, über strittige (Vor )Fragen bescheidmäßig abzusprechen und sie damit in verbindlicher Weise für die jeweiligen Beitragsfestsetzungen zu klären. Es soll damit zur Rechtssicherheit und Verfahrensbeschleunigung beitragen. Ein Verfahren nach § 10 AlSAG dient der bescheidmäßigen Klärung und damit der rechtswirksamen Feststellung der Tatbestandsvoraussetzungen der Altlastenbeitragspflicht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 97/07/0174, vom , Zl. 2006/07/0150, und vom , Zl. 2009/07/0103).

Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde ermächtigt § 10 Abs. 1 Z. 2 und 3 AlSAG nicht nur, über bereits verwirklichte Sachverhalte, deren Beitragspflicht zweifelhaft ist, abzusprechen.

Vielmehr bedingt gerade die erhöhte Planungssicherheit des - in den Worten des § 10 Abs. 1 AlSAG - "in Betracht kommenden Beitragsschuldners" die Zulässigkeit der Erlassung eines Feststellungsbescheides über erst zu verwirklichende Sachverhalte.

Ein rechtliches Interesse einer Partei an einer bescheidmäßigen Feststellung ist bei Fällen, in denen die Erlassung eines Feststellungsbescheides im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist, gegeben, wenn der Feststellungsbescheid für die Partei ein geeignetes Mittel zur Beseitigung aktueller oder zukünftiger Rechtsgefährdung ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/06/0199). Der Feststellung muss somit in concreto die Eignung zukommen, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch die Gefährdung eines subjektiven Rechtes des Antragsstellers zu beseitigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/07/0171, mwN).

Nun ist gerade im vorliegenden Fall, wo der Gesetzgeber ausdrücklich die Möglichkeit eines Feststellungsbescheides normiert, die Klarstellung für die Zukunft so zu verstehen, dass dem potenziellen Abgabenschuldner ein Interesse daran zuzuerkennen ist, vor Durchführung einer Tätigkeit über deren Beitragspflicht in verbindlicher Form Bescheid zu wissen.

Der Feststellungsbescheid soll somit Rechtssicherheit betreffend die Beitragspflicht einer vorzunehmenden Tätigkeit schaffen, hängt doch die Durchführung einer solchen Tätigkeit nicht unwesentlich von deren Beitragspflicht ab.

Darin manifestiert sich im vorliegenden Fall das Feststellungsinteresse, wobei die Bindungswirkung eines solchen Feststellungsbescheides nur im Umfang seines Spruches eintreten kann. Bei Verwirklichung einer anderen Tätigkeit kommt diesem Feststellungsbescheid naturgemäß keine Bindungswirkung zu.

Dabei ist jedoch zu beachten, dass abstrakt gehaltene zukunftsgerichtete Feststellungsanträge, die einem Rechtsgutachten nahe kommen, unzulässig sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/07/0119, mwN).

Die Spezifizierung der Sache, auf welche sich der Feststellungsantrag bezieht, ist Sache desjenigen, der die Feststellung nach § 10 AlSAG von der Behörde begehrt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/07/0152, mwN).

Die beschwerdeführende Partei ist diesen sie nach § 10 Abs. 1 AlSAG treffenden Verpflichtungen im vorliegenden Beschwerdefall nachgekommen. Der vorliegende Feststellungsantrag war somit zulässig.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-AufwErsV, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am