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VwGH vom 21.06.2011, 2008/22/0800

VwGH vom 21.06.2011, 2008/22/0800

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2008/22/0801

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerden

1. des R, und 2. der M, beide in Akropong Kumasi, Ghana, beide vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom ,

1.) Zl. 150.614/2-III/4/07 (hg. 2008/22/0800), 2.) Zl. 150.614/3- III/4/07 (hg. 2008/22/0801), betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wurden Anträge der beschwerdeführenden Parteien, Staatsangehörigen von Ghana, auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen zwecks Familienzusammenführung mit ihrem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Vater gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde jeweils - im Wesentlichen gleichlautend - aus, dass am für die beschwerdeführenden Parteien via Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Fünfhaus, beim Fremdenpolizeilichen Büro der Bundespolizeidirektion Wien Erstanträge auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gestellt worden seien. Es sei die Familienzusammenführung mit M. begehrt worden, von dem die beschwerdeführenden Parteien angegeben hätten, er sei ihr Vater. Am habe der Erstbeschwerdeführer, am die Zweitbeschwerdeführerin die Volljährigkeit erlangt.

Mit Inkrafttreten des NAG am seien die Anträge als solche auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" zu werten.

Es lägen zweifelsfrei Erstanträge vor, die entgegen § 21 Abs. 1 NAG nicht bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland eingebracht worden seien, sondern direkt im Inland. Eine nicht dem Gesetz entsprechende Antragstellung führe zur Abweisung des Antrages. Ein unter § 72 NAG subsumierbarer Sachverhalt, der zur Zulassung der Inlandsantragstellung gemäß § 74 NAG hätte führen müssen, sei nicht einmal behauptet worden.

Auch sei im gesamten Verfahren nicht nachgewiesen worden, dass die beschwerdeführenden Parteien Kinder des M. seien und daher gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 3 Z 3 (gemeint wohl: Z 2) Fremdengesetz 1997 - FrG zur Antragstellung im Inland berechtigt gewesen wären.

Gegen diese Bescheide richten sich die Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die beschwerdeführenden Parteien bringen vor, ihr Vater habe am als ihr gesetzlicher Vertreter die Anträge bei der zuständigen Behörde eingebracht. Die beschwerdeführenden Parteien selbst hätten sich zu keinem Zeitpunkt in Österreich aufgehalten, sie seien während des gesamten Verfahrens (und nach wie vor) in Ghana aufhältig gewesen. Sie wenden sich auch gegen die Zweifel an der Vaterschaft des Zusammenführenden und weisen darauf hin, dass sie bereits im Verwaltungsverfahren die Durchführung von DNA-Tests angeboten hätten.

Die belangte Behörde stützte die von ihr ausgesprochenen Antragsabweisungen auf § 21 Abs. 1 NAG, wonach Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen sind und die Entscheidung im Ausland abzuwarten ist. Dem lag die Feststellung zugrunde, die Anträge seien "nicht bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland", sondern "direkt im Inland" eingebracht worden. Das trifft nach der Aktenlage insoweit zu, als die Anträge durch M., den österreichischen, in Österreich lebenden Vater der (damals noch minderjährigen) beschwerdeführenden Parteien in deren Namen eingebracht wurden. Dafür, dass sich die beschwerdeführenden Parteien selbst zum Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufgehalten oder - worauf es fallbezogen angekommen wäre - die Entscheidung nicht im Ausland abgewartet hätten, findet sich in den Verwaltungsakten hingegen kein Anhaltspunkt; Derartiges wurde von der belangten Behörde auch nicht festgestellt. Sollte der angefochtene Bescheid aber so zu verstehen sein, dass den beschwerdeführenden Parteien vorgeworfen wird, die Anträge (entgegen § 19 Abs. 1 NAG) nicht persönlich gestellt zu haben, so wäre dies schon deswegen verfehlt, weil das Nichterfüllen des Formalerfordernisses des § 19 Abs. 1 erster Satz NAG im Falle eines vor Inkrafttreten des NAG gestellten Antrages nicht zu einer negativen Entscheidung führen darf (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0820, mwN). Im Übrigen entspricht die Einbringung des Antrages durch den gesetzlichen Vertreter auch § 19 Abs. 1 NAG (vgl. den zweiten Satz dieser Bestimmung). Dass M. aber nicht der Vater (und bis zum Eintritt der Volljährigkeit der gesetzliche Vertreter) der beschwerdeführenden Parteien sei, hat die belangte Behörde - ungeachtet ihrer in dieser Hinsicht geäußerten Zweifel - nicht festgestellt.

Das Vorliegen der besonderen Erteilungsvoraussetzungen des - ausgehend von der Deutung der Anträge durch die belangte Behörde als solche auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" im Beschwerdefall maßgeblichen - § 47 Abs. 2 NAG wurde von der belangten Behörde nicht ausdrücklich geprüft. Diese Voraussetzungen erfüllten die beschwerdeführenden Parteien zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bescheiderlassung (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/22/0882, und vom , Zl. 2010/22/0188) auf Grund des Erreichens der Volljährigkeit nicht mehr. Auch dieser Umstand hätte die belangte Behörde aber nicht ohne weiteres zur Abweisung der Anträge berechtigt: Gemäß § 23 Abs. 1 NAG sind Fremde nämlich zu belehren, wenn sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren ergibt, dass diese einen anderen als den beantragten Aufenthaltstitel für den beabsichtigten Zweck benötigen (vgl. dazu zB das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0664), zumal auf Grund des Vorbringens der beschwerdeführenden Parteien nach Erreichen der Volljährigkeit offenkundig ein Aufenthaltstitel nach § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG dem in Aussicht genommenen Aufenthaltszweck entsprochen hätte.

Der angefochtene Bescheid war sohin wegen (der vorrangig wahrzunehmenden) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass es auf die dem hg. Beschluss vom , Zlen. EU 2011/0004 bis 0008-1, zugrundeliegenden unionsrechtlichen Fragen angekommen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
FAAAE-85416