VwGH vom 10.11.2010, 2008/22/0797
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der Z, vertreten durch Mag. Claudia Vitek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 315.030/8-III/4/08, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den auf § 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 gestützten Antrag der Beschwerdeführerin, einer serbischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Dazu führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Landeshauptmann von Wien als zuständige Behörde diesen Antrag mit Inkrafttreten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes am als Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gewertet habe. Gemäß § 21 Abs. 1 NAG seien Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen und es sei die Entscheidung im Ausland abzuwarten. Die Beschwerdeführerin sei bereits im Jahr 2000 legal mit einem Visum C mit einer Gültigkeitsdauer bis zu Besuchszwecken in Österreich eingereist. Im Dezember 2000 habe sie ihren (späteren) Ehemann kennen gelernt und sei dann wieder nach Serbien zurückgekehrt. Nach einer neuerlichen Einreise mit einem Visum C am sei sie in Österreich geblieben. Am habe sie einen österreichischen Staatsbürger geheiratet, der am verstorben sei.
Ermittlungsergebnisse der Bundespolizeidirektion Wien und der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien hätten ergeben, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem damaligen Ehemann kein gemeinsames Privat- bzw. Familienleben geplant habe und nie ein gemeinsamer Haushalt begründet worden sei.
Da sich die Beschwerdeführerin somit zum Zeitpunkt der Antragstellung sowie zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag nicht rechtmäßig im Inland aufgehalten habe, stehe § 21 Abs. 1 NAG einer Bewilligung entgegen. Ein längerer unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertige die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Die belangte Behörde könne keine humanitären Gründe im Sinn des § 72 NAG erkennen. Der bloße Umstand, dass die Beschwerdeführerin mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet gewesen sei, stelle keinen humanitären Aspekt dar. Darüber hinaus könne die Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel mehr von ihrem verstorbenen Ehemann ableiten. Im vorliegenden Fall sei daher festzustellen, dass kein besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt gegeben sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass die belangte Behörde zur Antragsabweisung allein die Nichterfüllung der Erfolgsvoraussetzung des § 21 Abs. 1 NAG herangezogen hat.
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sie sich seit 2001 im Inland aufhält und lediglich über ein Visum C verfügt hat. Auch wenn Fremde im Geltungsbereich des Fremdengesetzes 1997 als Ehepartner eines österreichischen Staatsbürgers und somit als begünstigte Drittstaatsangehörige einen Niederlassungsbewilligungsantrag im Inland stellen durften, war zur Rechtmäßigkeit des Aufenthalts eine konstitutiv wirkende Niederlassungsbewilligung erforderlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2006/18/0490). Da ihr eine solche nicht ausgestellt wurde, hielt sich die Beschwerdeführerin nach Ablauf der Gültigkeit ihres Visums unrechtmäßig im Inland auf. Nach Inkrafttreten des NAG mit wäre sie gemäß § 21 Abs. 1 NAG verpflichtet gewesen, die Entscheidung über ihren Antrag im Ausland abzuwarten.
Das Recht, die Entscheidung darüber hier abzuwarten, kommt daher im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG (in der Stammfassung) in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG (ebenfalls in der Stammfassung) vor, ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung einschließlich des Abwartens der Entscheidung im Inland zuzulassen, wobei die Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0265 bis 0267, mwN).
Zur Interessenabwägung kommt der Feststellung der belangten Behörde wesentliche Bedeutung zu, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem damaligen Ehemann kein gemeinsames Familienleben geplant habe und auch tatsächlich kein gemeinsamer Haushalt begründet worden sei. Eine entsprechende Feststellung wurde bereits im erstinstanzlichen Bescheid vom unter Hinweis auf Ermittlungsergebnisse der Bundespolizeidirektion Wien und der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien getroffen. Dies wurde in der Berufung nicht bekämpft. Somit hegt der Gerichtshof im Rahmen der ihm zukommenden Überprüfungsbefugnis keine Bedenken gegen die zitierte behördliche Annahme. Daher ist für die Interessenabwägung maßgeblich, dass die Beschwerdeführerin zwar im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides auf einen ca. siebenjährigen durchgehenden inländischen Aufenthalt verweisen konnte und auch einer Beschäftigung nachgeht. Andererseits ist ihr österreichischer Ehemann bereits im Jahr 2005 gestorben und es gab bereits zuvor kein gemeinsames Familienleben. Angesichts dieser Umstände kann der Ansicht der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, dass ein besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt nicht vorliege, zumal dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen aus dem Gedanken des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt.
Letztlich ist auf den entsprechenden Beschwerdevorwurf zu antworten, dass der angefochtene Bescheid durchaus dem Begründungserfordernis des § 60 AVG entspricht.
Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
GAAAE-85407