VwGH vom 22.12.2011, 2011/07/0083
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde des Ing. Mag. WK in W, vertreten durch Dr. Sebastian Lenz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Laurenzerberg 1/30, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , Zl. BMLFUW-LE.5.4.1/0335- PR/1a/2010, betreffend eine Angelegenheit des Ingenieurgesetzes 2006, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Verleihung "eines zweiten Ingenieurstitels" aus dem Fachbereich Forstwirtschaft.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde diesem Antrag nicht stattgegeben.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" verliehen worden sei. Am habe der Beschwerdeführer die Externistenreifeprüfung an einer Höheren Lehranstalt für Forstwirtschaft absolviert. Mit sei der Beschwerdeführer einer Abteilung der Forstsektion des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft zugewiesen worden, wo er bis zu seiner Karenzierung am tätig gewesen sei. Mit Ablauf des sei er in den Ruhestand versetzt worden.
Rechtlich führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" durch Bescheid erfolge. Das Ingenieurgesetz 2006 (in der Folge: IngG) regle die Verleihung zur Berechtigung der Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur", nicht aber die Verleihung für bestimmte Fachrichtungen. Die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" sei bereits mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom verliehen worden. Der Antrag vom sei daher auf die Verleihung derselben Berechtigung gerichtet gewesen. Durch die Erlassung eines stattgebenden Bescheides würde weder ein bestehendes Recht festgestellt noch ein bisher nicht bestehendes Recht begründet werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das IngG, BGBl. I Nr. 120/2006, lautet auszugsweise:
"§ 1. (1) Die Standesbezeichnung 'Ingenieur' darf nur nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes geführt werden.
(2) Personen, die zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" berechtigt sind, dürfen
1. diese ihrem Namen in Kurzform oder in vollem Wortlaut beifügen und
2. deren Eintragung in amtlichen Urkunden verlangen.
(3) Personen, die zur Führung der Standesbezeichnung 'Ingenieur' oder des akademischen Grades 'Diplom-Ingenieur' berechtigt sind, dürfen das Wort 'Ingenieur' auch in Wortgruppen oder Wortverbindungen führen.
…
§ 2. Die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung 'Ingenieur' ist Personen zu verleihen, die
1. a) die Reife- und Diplomprüfung nach dem Lehrplan inländischer höherer technischer und gewerblicher oder höherer land- und forstwirtschaftlicher Lehranstalten erfolgreich abgelegt und
b) eine mindestens dreijährige fachbezogene Praxis absolviert haben, die gehobene Kenntnisse auf jenen Fachgebieten voraussetzt, auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden können, oder
2. a) eine Reife- oder Abschlussprüfung nach ausländischen Lehrplänen erfolgreich abgelegt haben, sofern diese Prüfung gleichwertige Kenntnisse, wie sie die inländischen Lehrpläne vorsehen, umfasst und
b) eine mindestens dreijährige fachbezogene Praxis absolviert haben, die gehobene Kenntnisse auf jenen Fachgebieten voraussetzt, auf denen Reife- und Diplomprüfungen abgelegt werden können, oder
3. a) die Voraussetzung nach Z 2 lit. a erfüllen und
b) im Ausland zur Führung einer entsprechenden Berufs- oder Standesbezeichnung berechtigt sind oder
4. a) die Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht erfüllen, aber gleichwertige fachliche und allgemeine Kenntnisse, wie sie an den höheren technischen und gewerblichen oder höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten bis zur Reife- und Diplomprüfung vermittelt werden, und
b) eine mindestens sechsjährige zu den erworbenen Kenntnissen fachbezogene Praxis, die gehobene Kenntnisse voraussetzt, nachweisen."
Der Beschwerdeführer bringt vor, dass er die Voraussetzung gemäß § 2 Z. 1 IngG erfülle, zumal er am die Externistenreifeprüfung an einer Höheren Lehranstalt für Forstwirtschaft nach einem (inländischen) Lehrplan die Reifeprüfung abgelegt und in der Sektion Forstwirtschaft unter der Leitung eines Forstwirtes gearbeitet habe. Die Voraussetzungen bestünden unabhängig von jenen Voraussetzungen, die Grundlage für die Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" gemäß Bescheid vom gewesen seien. Die nunmehrigen Voraussetzungen seien auch erst nach diesem Bescheid eingetreten. Gemäß § 2 IngG bestehe kein Ermessen, die Berechtigung bei Vorliegen der Voraussetzungen zu verweigern.
"Ingenieur" sei eine Berufsbezeichnung für wissenschaftlich ausgebildete Fachleute auf technischem Gebiet in verschiedenen Fachbereichen. Ingenieure seien in einer (oder wie der Beschwerdeführer in mehreren) Fachrichtungen ausgebildet und tätig. Wesentliche Voraussetzung für die Verleihung sei nicht nur die Aneignung von theoretischem Wissen, sondern auch die Absolvierung umfangreicher fachbezogener Praxis. In Art. 54 der Richtlinie 2005/36/EG werde klargestellt, dass auch nicht akademische Ausbildungsbezeichnungen, wie etwa der Ingenieur in anderen Mitgliedstaaten verwendet werden dürften. Ausbildung und Berufspraxis in einem bestimmten Fachbereich im Sinne des § 2 IngG seien zentraler Gegenstand des Gesetzes sowie in den Gesetzesmaterialien, was die Interpretation des Begriffes "Standesbezeichnung" im Sinne einer "Berufsbezeichnung" und/oder "Ausbildungsbezeichnung" verdeutliche. Völlig unerheblich sei, dass - unabhängig von der konkreten Fachrichtung - der Ingenieurstitel keinen fachbezogenen Zusatz aufweise. Gemäß dem IngG könnten die Voraussetzungen zur Verleihung aus verschiedenen Fachbereichen bzw. Fachgebieten erfüllt werden. Dass das jeweilige Fachgebiet dem Titel nicht beigefügt werde, ändere nichts an dem Anspruch, bei Erfüllung der Voraussetzungen auch einen weiteren Ingenieurstitel verliehen zu erhalten.
Darüber hinaus regte der Beschwerdeführer an, der Verwaltungsgerichtshof möge einen Gesetzesprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof stellen, weil der Begriff "Standesbezeichnung" verfassungskonform im Sinne von "Ausbildungsbezeichnung" und/oder "Berufsbezeichnung" zu interpretieren und nicht im Sinne des historischen Ständewesens zu verstehen sei und der Verwaltungsgerichtshof bei gegenteiliger Sichtweise zu einem verfassungswidrigen Auslegungsergebnis komme.
Die belangte Behörde hält dem in ihrer Gegenschrift entgegen, gegen die Auffassung des Beschwerdeführers spreche, dass die Z. 1 bis 4 des § 2 IngG nicht durch das Bindewort "und", sondern "oder" miteinander verbunden seien und daher eine kumulative Verleihung nach mehreren Bestimmungen des § 2 IngG nicht erfolgen könne. Die Standesbezeichnung "Ingenieur" sei nicht Voraussetzung für den Antritt eines Berufes oder einer weiterführenden Ausbildung sowie eine reine innerösterreichische Bezeichnung. Es seien mit dieser Standesbezeichnung keinerlei Rechte verbunden. Die Verletzung des gesetzlich gewährleisteten subjektiven Rechts auf Verleihung einer (weiteren) Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung sei nicht gegeben.
Bei der Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung, sondern wäre die belangte Behörde vielmehr bei Vorliegen der im Gesetz genannten Voraussetzungen zur Verleihung der Berechtigung verpflichtet (arg. "ist" in § 2 IngG; vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/04/0115).
Die nach dem IngG zu verleihende Standesbezeichnung lautet undifferenziert "Ingenieur". Eine Hinzufügung des jeweiligen Fachgebietes (vgl. §§ 1 f Ingenieurgesetz-Durchführungsverordnung 2006, BGBl. II Nr. 362/2006) ist nicht vorgesehen. Auch eine mehrfache Verleihung ist nicht normiert. Ein solcher Anspruch lässt sich jedoch - wie ein Vergleich mit Bestimmungen über die Verleihung akademischer Titel zeigt - auch nicht im Wege der Interpretation ableiten:
§ 87 Abs. 4 Universitätsgesetz - UG 2002, BGBl. I Nr. 120/2002 normiert, dass in dem Fall, dass die Voraussetzungen für einen akademischen Grad mit demselben Wortlaut mehr als einmal erbracht werden, derselbe akademische Grad auch mehrfach zu verleihen ist (so auch schon § 66 Abs. 4 Universitäts-Studiengesetz-UniStG, BGBl. I Nr. 48/1997). Dem IngG ist eine solche Anordnung nicht zu entnehmen. Vielmehr ergibt sich aus dem Wesen der Standesbezeichnung "Ingenieur", dass diese nur einmal verliehen werden kann.
Auch wenn als Voraussetzung für die Verleihung nach der alternativen Aufzählung des § 2 IngG nur die in einer Ziffer genannten Kriterien erfüllt sein (und diese also nicht kumulativ vorliegen) müssen, kann bei Erfüllen mehrerer Verleihungsvoraussetzungen des § 2 diese Standesbezeichnung nur einmal verliehen werden. Der Verleihungstatbestand des § 2 steht somit, ungeachtet der Möglichkeit, die Voraussetzungen auf verschiedene Weise zu erfüllen, einer neuerlichen Verleihung entgegen.
Mit der Verleihung des Ingenieurstitels mit dem Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom ist das Recht des Beschwerdeführers somit konsumiert und wurde der Antrag auf neuerliche Verleihung zu Recht abgewiesen.
Auch aus dem Vorbringen zur Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen lässt sich für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts gewinnen. Aus der Bezugnahme auf Aufnahme- und Herkunftsmitgliedstaat ergibt sich, dass ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegen muss, der im Beschwerdefall nicht gegeben ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hegt keine Zweifel an der Verfassungskonformität des IngG im Allgemeinen sowie an dem Begriff der "Standesbezeichnung" im Besonderen, weshalb er der Anregung des Beschwerdeführers ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen, nicht beitritt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
RAAAE-85396