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VwGH vom 10.03.2016, 2013/15/0299

VwGH vom 10.03.2016, 2013/15/0299

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs in 3300 Amstetten, Graben 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1393-W/12, betreffend Einkommensteuer 2008 (mitbeteiligte Partei: Ing. J O in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte erzielt u. a. gewerbliche Einkünfte aus einem Installationsbetrieb. Bis 2007 ermittelte er seinen Gewinn gemäß § 5 EStG 1988 nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr (Bilanzstichtag 28. Februar).

2 Die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 wurde elektronisch - mit den Zahlen des Jahres 2007 - eingereicht.

3 Nachdem Ergänzungsersuchen des beschwerdeführenden Finanzamts ungeachtet diverser Erinnerungen und Verhängung einer Zwangsstrafe unbeantwortet blieben, setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2008 mit Bescheid vom ohne Mitwirkung des Mitbeteiligten fest. Dabei unterstellte es eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988, weil die maßgebliche Grenze des § 189 UGB in den Vorjahren unterschritten worden sei. Der ermittelte Übergangsgewinn in Höhe von 122.837,66 EUR resultierte aus aufgedeckten stillen Reserven des Grund und Bodens.

4 Am beantragte der Mitbeteiligte, den Einkommensteuerbescheid 2008 vom gemäß § 299 Abs. 1 BAO wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben. Angeschlossen war eine berichtigte Einkommensteuererklärung 2008 samt Beilagen, in denen beantragt wurde, die stillen Reserven des Grund und Bodens einer Rücklage gemäß § 4 Abs. 10 Z 3 lit. b EStG 1988 zuzuführen.

5 Das Finanzamt gab dem Antrag auf Bescheidaufhebung statt und erließ einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2008, wobei es allerdings dem Antrag auf Bildung der angeführten Rücklage mit der Begründung nicht entsprach, dass ein solcher Antrag nur in einer Steuererklärung gestellt werden könne, die vor dem Ergehen des betreffenden Einkommensteuerbescheides eingebracht worden sei.

6 Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid erhobenen Berufung Folge und ließ die Bildung der Rücklage zu. Begründend führte sie aus, dass die in den Einkommensteuerrichtlinien vertretene Ansicht, wonach der Antrag auf Bildung dieser Rücklage nur in einer vor Bescheiderlassung eingebrachten Steuererklärung gestellt werden könne, im Gesetz keine Deckung finde. Der Antrag könne grundsätzlich bis zur Rechtskraft des Verfahrens gestellt werden. Da im Berufungsverfahren kein Neuerungsverbot herrsche, sei eine Antragstellung bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens zulässig. Es müsse auch ein Nachholen des Antrags im Rahmen einer Wiederaufnahme des Verfahrens möglich sein, weil der frühere Bescheid zur Gänze beseitigt werde, und daher auch alle Verfahrensschritte wieder möglich seien. Nachdem sich aus dem Gesetzeswortlaut keine Einschränkung des Antragsrechts ergebe, könne ein solcher Antrag auch im Rahmen einer Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO gestellt werden.

7 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde des Finanzamtes.

8 Das gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG mit an die Stelle der belangten Behörde getretene Bundesfinanzgericht legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift. Der Mitbeteiligte beteiligte sich nicht am verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Das beschwerdeführende Finanzamt verweist auf die Erläuterungen zum Abgabensicherungsgesetz 2007 (270 BlgNR XXIII. GP, 6), mit dem das Erfordernis der Antragstellung in der Steuererklärung in § 4 Abs. 10 Z 3 lit. b EStG 1988 eingeführt worden sei. Dort werde die Neufassung damit begründet, in der Praxis sei vielfach beobachtet worden, dass die auf Grund und Boden entfallenden stillen Reserven beim Wechsel der Gewinnermittlungsart weder versteuert noch einer Rücklage zugeführt worden seien. Bei Entdeckung dieses Fehlers habe der Antrag auf Rücklagenbildung nach der bis dahin geltenden Rechtslage nachgeholt werden können. Dies solle mit der Neufassung verhindert werden, indem die Antragstellung nur mehr in der Steuererklärung des Jahres des Wechsels der Gewinnermittlung zulässig sei. Durch den Umstand, dass es im Berufungsverfahren kein Neuerungsverbot gebe, könnten gesetzliche Fristen für die Ausübung eines Wahlrechts nicht abgeändert werden. Die Antragstellung zur Bildung einer Rücklage sei außerdem mit der Willenserklärung zur Ausübung der Option des § 10 Abs. 3 KStG 1988 vergleichbar, für deren Abgabe eine Frist zur Verfügung stehe, die mit der (erstmaligen) Einbringung einer Körperschaftsteuererklärung ende.

11 § 4 Abs. 10 Z 3 lit. b EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung BGBl. I Nr. 99/2007, Abgabensicherungsgesetz 2007 - AbgSiG 2007 - lautet:

"Beim Übergang von der Gewinnermittlungsart gemäß § 5 auf eine andere Gewinnermittlungsart sind die stillen Reserven des Grund und Bodens und des gewillkürten Betriebsvermögens aufzudecken und zu versteuern. Auf Grund eines in der Steuererklärung (Feststellungserklärung) gestellten Antrages sind die stillen Reserven des zum notwendigen Betriebsvermögen gehörenden Grund und Bodens aber einer Rücklage (bei Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 einem steuerfreien Betrag) zuzuführen, die (der) erst im Zeitpunkt des Ausscheidens des Grund und Bodens aus dem Betriebsvermögen oder im Zeitpunkt der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebes insoweit zu versteuern ist, als die stillen Reserven in diesem Zeitpunkt noch vorhanden sind."

12 Im Beschwerdefall ist ausschließlich strittig, ob der Antrag auf Bildung einer Rücklage gemäß § 4 Abs. 10 Z 3 lit. b EStG 1988 auch noch in einer nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides eingebrachten berichtigten Steuererklärung nachgeholt werden kann. Gegenständlich wurde ein solcher Antrag von der mitbeteiligten Partei in einer berichtigten Einkommensteuererklärung im Rahmen eines Antrages auf Abänderung des Bescheids gemäß § 299 Abs. 1 BAO gestellt.

13 Gemäß § 4 Abs. 10 Z 3 lit. b EStG 1988 in der angeführten Fassung ist der Antrag auf Bildung einer Rücklage in der Steuererklärung des Jahres des Wechsels der Gewinnermittlung zu stellen. Die belangte Behörde reduziert das Erfordernis der Antragstellung "in der Steuererklärung" auf eine bloße Formvorschrift. Diese Auslegung widerspricht - wie das Finanzamt zutreffend aufzeigt - der in den Erläuterungen zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Absicht.

14 Nach den Erläuterungen zum Abgabensicherungsgesetz 2007 sollte die nach der bisherigen Rechtslage gegebene Möglichkeit, beim Wechsel der Gewinnermittlungsart aufzudeckende stille Reserven des Grund und Bodens weder zu versteuern noch einer Rücklage zuzuführen, und erst im Falle der Fehlerentdeckung einen Antrag auf Bildung einer Rücklage zu stellen, im Interesse der Sicherstellung der Besteuerung beseitigt werden. Ließe man den Antrag auch in einer im Zuge des Berufungsverfahrens, einer Wiederaufnahme des Verfahrens oder - wie im gegenständlichen Fall -

eines Antrages auf Aufhebung eines Bescheids gemäß § 299 Abs. 1 BAO eingebrachten berichtigten Steuererklärung zu, stellte sich das mit dem Abgabensicherungsgesetz 2007 statuierte Erfordernis der Antragstellung im Rahmen der Steuererklärung des entsprechenden Jahres als sinnentleerter Formalakt dar.

15 Dass im Berufungsverfahren kein Neuerungsverbot besteht und auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge im Laufe des Berufungsverfahrens (im nunmehrigen Beschwerdeverfahren) Bedacht zu nehmen ist, spricht gleichfalls nicht für den Standpunkt der belangten Behörde. Zeitliche Grenzen für eine Berücksichtigung von Parteienanbringen können sich aus Befristungen von Antragsrechten oder daraus ergeben, dass bestimmte Begünstigungen bereits in einer Abgabenerklärung oder in ihr beigelegten Verzeichnissen geltend zu machen sind (vgl. ).

16 Die Wortfolge "in der Steuererklärung" beinhaltet nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere auch einen zeitlichen Aspekt. Der zeitliche Rahmen zur Antragstellung wird dadurch dahingehend festgelegt, dass die Frist mit der Einreichung der Steuererklärung endet. Die Abgabe einer weiteren (berichtigenden) Einkommensteuererklärung ändert am bereits eingetretenen Fristenablauf nichts (vgl. sinngemäß zur Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie ).

17 Dies bedeutet, dass ein in der "ersten" Steuererklärung unterlassener Antrag gemäß § 4 Abs. 10 Z 3 lit. b EStG 1988 wegen der entgegenstehenden Befristung nicht in einer im Berufungsbzw. Beschwerdeverfahren eingebrachten berichtigten Steuererklärung nachgeholt werden kann. Ebenso kann eine Wiederaufnahme des Verfahrens oder die Aufhebung eines Bescheids gemäß § 299 BAO nicht dazu führen, dass eine bereits abgelaufene Antragsfrist wieder auflebt (vgl. ).

18 Gegenständlich hat der Mitbeteiligte seine Steuererklärung für das Jahr 2008 elektronisch eingereicht, die allerdings - wovon die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausgehen - auf Grund eines Irrtums die Zahlen aus dem Jahr 2007 enthielt. Dass auf Basis der in der Steuererklärung erfassten falschen Daten keine Möglichkeit bestanden hat, im Rahmen dieser Steuererklärung einen Antrag auf Bildung einer Rücklage iSd § 4 Abs. 10 Z 3 lit. b EStG 1988 zu stellen, ändert an der eingetretenen Fristversäumung nichts. Für derartige Konstellationen besteht nach Maßgabe des § 308 BAO grundsätzlich die Möglichkeit, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewirken (vgl. sinngemäß , und die dort angeführten Nachweise).

19 Dadurch, dass die belangte Behörde die antragsgebundene Bildung einer Rücklage gemäß § 4 Abs. 10 Z 3 lit. b EStG 1988 zugelassen hat, obwohl der entsprechende Antrag nicht fristgerecht gestellt und auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt worden war, hat sie ihre Entscheidung mit Rechtswidrigkeit belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

20 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am