VwGH vom 22.05.2014, 2013/15/0298

VwGH vom 22.05.2014, 2013/15/0298

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des C T in W, vertreten durch Mag. Franz Podovsovnik, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Habsburgergasse 6-8/18, gegen den Bescheid des Finanzamts für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , Zl. GIS 0596/13, betreffend Befreiung von der Rundfunkgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Antrag vom hat der Beschwerdeführer an die GIS Gebühren Info Service GmbH (in der Folge GIS) einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebühr für Fernseh- und Radioempfangseinrichtungen gestellt. Darin hat er angegeben, mit seiner Ehefrau und zwei Töchtern der Ehefrau im gemeinsamen Haushalt zu leben, und die Meldebestätigung vorgelegt. Weiters gab er an, Bezieher von AMS-Leistungen (Notstandshilfe in Höhe von täglich 37,95 EUR) und für drei nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Kinder sorgepflichtig zu sein.

Auf schriftliche Aufforderung durch die GIS vom brachte der Beschwerdeführer den Nachweis der Gehaltsbezüge der Ehefrau von monatlich netto 1.059,53 EUR.

Mit Schreiben der GIS vom wurde dem Beschwerdeführer über das Ergebnis der Beweisaufnahme mitgeteilt, dass das Haushaltseinkommen die für die Gebührenbefreiung maßgebliche Betragsgrenze übersteige. Weiters hieß es in dem Schreiben:

"Bei der Bemessung werden im Anlassfall als Abzugsposten vom Finanzamt anerkannte außergewöhnliche Belastungen im Sinne der §§ 34 und 35 des EStG 1988 (Diäten, Körperbehinderung etc.) als auch der Hauptmietzins - einschließlich Betriebskosten (abzüglich Mietzins- oder Wohnbeihilfen) berücksichtigt. Um die Beilage geeigneter Nachweise wird gebeten."

Beigeschlossen war eine Berechnungsgrundlage der GIS, aus der eine Richtsatzüberschreitung in Höhe von 382,85 EUR ersichtlich war. Der Beschwerdeführer wurde zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens ersucht. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass nicht oder verspätet eingebrachte Einwendungen keine Berücksichtigung finden könnten und der Antrag in diesem Falle abzuweisen wäre.

Nachdem bei der GIS keine Stellungnahme des Beschwerdeführers eingelangt war, wies diese den Antrag auf Gebührenbefreiung mit Bescheid vom ab. Begründend verwies sie insbesondere darauf, dass das Haushaltseinkommen die für die Gebührenbefreiung bzw. Zuschussleistung maßgebliche Betragsgrenze übersteige und das "letzte Schreiben" der GIS an den Beschwerdeführer mit der Aufforderung, "die noch offenen Fragen zu klären", unbeantwortet geblieben sei.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Begründend führte er aus, dass seine finanzielle Situation nicht korrekt erhoben worden sei, weil insbesondere seine zahlreichen Sorgepflichten unberücksichtigt geblieben seien. Zudem treffe der Vorwurf, er habe keine Anfragen beantwortet, nicht zu, weil er kein derartiges Schreiben erhalten habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend führte sie nach wörtlicher Wiedergabe der § 3 Abs. 5 Rundfunkgebührengesetz sowie §§ 47 f Fernmeldegebührenordnung aus, nach dem Wortlaut des Gesetzes könnten nur Mietzins und Betriebskosten sowie vom Finanzamt anerkannte außergewöhnliche Belastungen einkommensmindernd berücksichtigt werden. Die vom Beschwerdeführer angeführten Sorgepflichten für Kinder in seinem Haushalt, aber auch für die drei nicht haushaltszugehörigen Kinder seien der GIS bekannt gewesen. Unterhaltspflichten bzw. Zahlungen von Alimenten für die nicht im Haushalt lebenden Kinder stellten keine einkommensmindernden Aufwendungen dar.

Auf das Berufungsvorbringen, das Schreiben der GIS vom (mit dem Ersuchen um Angaben betreffend Hauptmietzins, Betriebskosten und Mietzins- oder Wohnbeihilfen) nicht erhalten zu haben, ging die belangte Behörde nicht ein.

Dagegen richtet sich die Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde und Vorlage der Verwaltungsakten durch das Bundesverwaltungsgericht erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 5 Rundfunkgebührengesetz sind auf Antrag jene Rundfunkteilnehmer von den Gebühren zu befreien, bei denen die in §§ 47 bis 49 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung) genannten Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebühr vorliegen.

Eine der Voraussetzungen ist dabei, dass das Haushalts-Nettoeinkommen gemäß § 48 Fernmeldegebührenordnung eine bestimmte Betragsgrenze nicht übersteigt. Dabei kann der Befreiungswerber nach § 48 Abs. 5 Fernmeldegebührenordnung als abzugsfähige Ausgaben u.a. "den Hauptmietzins einschließlich der Betriebskosten im Sinne des Mietrechtsgesetzes" geltend machen, wobei eine gewährte Mietzinsbeihilfe anzurechnen ist.

Gemäß § 6 Abs. 1 letzter Satz Rundfunkgebührengesetz ist auf das Verfahren das AVG anzuwenden.

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG (in der Fassung vor dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33/2013) hat die Berufungsbehörde - außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall - sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Die Wendung, dass die Berufungsbehörde "in der Sache selbst" zu entscheiden hat, bedeutet, dass sie sich mit der vorliegenden Verwaltungssache in gleicher Weise wie die Behörde erster Instanz zu befassen hat. Sie hat den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen und rechtlich zu beurteilen und ein allenfalls bestehendes Ermessen auszuüben (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2011/17/0143, sowie vom , 97/06/0225). Die Behörde hat hierbei nach dem das Verwaltungsverfahren beherrschenden Grundsatz der Amtswegigkeit (§ 39 Abs. 2 AVG) und der materiellen Wahrheit (§ 37 AVG) von sich aus den Sachverhalt festzustellen (vgl. ebenfalls das zuvor zitierte Erkenntnis vom , 97/06/0225).

Diesen Grundsätzen ist die belangte Behörde im Beschwerdefall nicht nachgekommen, wenn sie ohne neuerlichen Vorhalt vom Nichtvorliegen abzugsfähiger Aufwendungen im Sinne des § 48 Abs. 5 Z 1 Fernmeldegebührenordnung ausgeht, obwohl der Beschwerdeführer in seiner Berufung vorgebracht hat, dass er das maßgebliche Schreiben der Abgabenbehörde erster Instanz hinsichtlich allfälliger abzugsfähiger Mietaufwendungen nicht erhalten hat.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Das abgewiesene Mehrbegehren betrifft die geltend gemachte Umsatzsteuer; ein über den Pauschalbetrag hinausgehender Ersatz für Schriftsatzaufwand aus dem Titel der Umsatzsteuer ist nicht vorgesehen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2011/16/0221).

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am