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VwGH vom 19.04.2016, 2013/15/0288

VwGH vom 19.04.2016, 2013/15/0288

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Sutter als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde des Finanzamts Innsbruck in 6021 Innsbruck, Innrain 32, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Innsbruck, vom , Zl. RV/0505-I/10, miterledigt RV/0506-I/10, betreffend u. a. Umsatzsteuer für den Zeitraum August 2005 - Fahrzeugeinzelbesteuerung (mitbeteiligte Partei: C B in I, vertreten durch Corazza Kocholl Laimer Rechtsanwälte OG in 6020 Innsbruck, Wilhelm-Greil-Straße 15/3), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Abspruch betreffend Umsatzsteuer wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Im Wege einer anonymen Anzeige wurde dem Finanzamt mitgeteilt, dass das Fahrzeug der Marke Volkswagen mit einem italienischen Kennzeichen des Mitbeteiligten über einen Zeitraum von 3 Tagen im Vor- und Hinterhof an der inländischen Adresse des Mitbeteiligten geparkt gewesen sei, der dort seit mindestens 10 Jahren wohnhaft sei.

2 Laut Abfragen im Zentralen Melderegister sind an der inländischen Adresse einerseits der Mitbeteiligte, ein italienischer Staatsbürger, seit mit Nebenwohnsitz und andererseits seine Ehefrau ebenfalls seit und die gemeinsamen zwei Kinder seit Geburt (1998, 2000) mit Hauptwohnsitz gemeldet.

3 Bei der Befragung am hat der Mitbeteiligte Folgendes zu Protokoll gegeben:

"Zum Fahrzeug: Es handelt sich um einen VW (...). Baujahr: 2005 Anschaffungspreis: ca. 28.000,00 EUR. Siehe beiliegende Rechnung.

Das Fahrzeug wird für die Fahrt nach Italien zur Arbeit verwendet und zum Besuch meiner Familie in (A). Es wird auch zur Fahrt in den Urlaub benutzt. Dreimal im Jahr besuche ich mit meiner Familie unsere Verwandten in Italien. Sämtliche Steuern und Abgaben für mein Auto werden und wurden in Italien bezahlt.

Zum Wohnsitz: Mein Wohnsitz in Italien ist am Brenner, (...). Dabei handelt es sich um eine Dienstwohnung (1 Zimmer). Telefonanschluß gibt es keinen. Keine Mitbewohner. Die Wohnung in Innsbruck (...) gehört den italienischen Eisenbahnen. Dabei handelt es sich auch um eine Dienstwohnung, für die eine Miete in Höhe von ca. 250,00 EUR mtl. bezahlt wird. Es handelt sich um eine Dreizimmerwohnung mit 80 m2. Bewohnt wird die Wohnung von meiner Frau und meinen zwei Kindern, die in Innsbruck in die Schule gehen.

Ich bin Verschiebearbeiter und zur Zeit am Brenner tätig. Da meine Familie in Innsbruck lebt, habe ich damals auch um eine Dienstwohnung in Innsbruck angesucht und bekommen. Als Bediensteter beim italienischen Staat darf ich außerhalb von Italien keinen Hauptwohnsitz (Residenz) haben.

Mein Dienstplan ist grundsätzlich vorgegeben. Es gibt aber immer wieder kurzfristige Abweichungen und Änderungen. Für diese Woche lautet mein Dienstplan folgendermaßen: Sonntag : von 13:00 bis 21:00 Uhr; Montag: 5 Uhr früh bis 13:00 Uhr und 21:00 bis 5 Uhr früh Di.; Dienstag: ab 5 Uhr frei Mittwoch: 13:00 bis 21:00 Uhr; Donnerstag: eigentlich von 5:00 Uhr früh bis 13:00 Uhr (Urlaub genommen) Nachtdienst von 21:00 Uhr bis 5:00 Uhr früh;

Freitag: von 13:00 bis 21:00 Uhr; Samstag: von 5:00 früh bis 13:00 Uhr und von 21:00 bis 5 Uhr früh sonntags; Sonntag: frei;

Montag: da habe ich nachmittags wieder Dienst.

Nach Innsbruck zu meiner Familie komme ich dann, wenn ich für

einen freien Tag keinen Dienst habe. (...)".

4 Vorgelegt wurden eine italienische Wohnsitzbescheinigung,

wonach der Mitbeteiligte seit (am Brenner) gemeldet ist, sowie die Rechnung des italienischen Unternehmens vom an den Mitbeteiligten über den Kauf des Fahrzeuges mit einem ausgewiesenen Kaufpreis von netto 23.625 EUR + 20 % Umsatzsteuer von 4.725 EUR, sohin brutto ("Totale")

28.350 EUR.

5 Seitens der Steuerfahndungsstelle wurde dem Finanzamt mitgeteilt, das betreffende Fahrzeug habe sich im Rahmen einer Kontrolle am um 9:10 Uhr, am um 19:10 Uhr, am um 14:55 Uhr, am um 8:17 Uhr, am um 16:20 Uhr, am um 9:30 Uhr und am um 10:30 Uhr am Parkplatz in Innsbruck befunden.

6 Mit Bescheiden vom schrieb das Finanzamt dem Mitbeteiligten Normverbrauchsabgabe und Umsatzsteuer (Fahrzeugeinzelbesteuerung) vor.

7 In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Mitbeteiligte vor, er habe seinen Hauptwohnsitz am Brenner. Als Bediensteter der italienischen Staatsbahnen bzw. des Nachfolgeunternehmens müsse er seinen Hauptwohnsitz dort haben, um bei immer wieder vorkommenden kurzfristigen Dienstplanänderungen schnell verfügbar zu sein. Zum Nachweis wurde eine Dienstbestätigung vorgelegt, wonach der Mitbeteiligte als Verschubaufseher seinen Dienst bei der Frachtendienststelle am Brenner leiste. Der hauptsächlich am Wochenende benützte Nebenwohnsitz in Innsbruck sei zwar geräumiger und wohne die Familie dort. Für das "überwiegende Naheverhältnis" müsse aber auch die Arbeitswelt des Mitbeteiligten berücksichtigt werden. Hinzu komme, dass er in Italien geboren und aufgewachsen sei, keine Bindungen zu Österreich bestünden und zB nur im Notfall ärztliche Hilfe in Österreich beansprucht werden könnte. Das Fahrzeug sei im September 2005 in Italien angeschafft, wegen des Hauptwohnsitzes zwingend in Italien angemeldet und sogleich für mehrere Besuchsfahrten in Italien (ca. 4.200 km) verwendet worden, sodass durch ein späteres Verbringen nach Österreich keine innergemeinschaftliche Lieferung erfolgt sei.

8 Dieser Berufung hatte die belangte Behörde mit Berufungsentscheidung vom , wegen Fehlens der Angabe des Zeitraumes, für den die Abgaben vorgeschrieben wurden, im Bescheidspruch stattgegeben und die Bescheide aufgehoben.

9 Das Finanzamt schrieb in der Folge dem Mitbeteiligten mit Bescheid vom nunmehr für den Zeitraum "August 2005" ausgehend von der Bemessungsgrundlage 18.900 EUR zum einen die 8%ige Normverbrauchsabgabe (NoVA) mit 1.512 EUR sowie zum anderen die 20%ige Umsatzsteuer mit 3.780 EUR vor. Begründend führte das Finanzamt aus, bei Fahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen sei auf den Hauptwohnsitz des Verwenders abzustellen. Bei mehreren Wohnsitzen sei der Mittelpunkt der Lebensinteressen, der die stärksten persönlichen Beziehungen auf sich vereinige, festzustellen. Anhand der vorliegenden Ermittlungen sei davon auszugehen, dass der Mitbeteiligte, seine Gattin und die Kinder die Wohnung in Innsbruck ständig benützten, er sohin dort mit seiner Familie wohne und auch regelmäßig nach Dienstende dorthin zurückkehre. Ungeachtet der Hauptwohnsitzmeldung in Italien sei daher als Mittelpunkt der Lebensinteressen der Familienwohnsitz in Innsbruck zu betrachten. Das Fahrzeug sei um 28.350 EUR in Italien angeschafft worden. Hiervon sei wegen bereits erfolgter Benutzung bei Verwendung in Österreich ein Abschlag von geschätzt 20 % vorzunehmen sowie die italienische Umsatzsteuer abzuziehen, wodurch sich die Bemessungsgrundlage auf 18.900 EUR reduziere. Nachdem sich der Standort des Fahrzeuges aufgrund des Familienwohnsitzes im Inland befinde, liege hinsichtlich des Erwerbs des Neufahrzeuges durch den Mitbeteiligten als Privatperson nach Art. 1 Abs. 7 UStG 1994 ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor und sei Umsatzsteuer vorzuschreiben.

10 In der dagegen erhobenen Berufung wandte der Mitbeteiligte u. a. ein, es seien keine Feststellungen getroffen worden, wann das Fahrzeug ins Inland verbracht bzw. im Inland verwendet worden sei. Selbst die Erhebung, das Fahrzeug habe sich am 1., 2. und im Inland befunden, löse noch keine Abgabepflicht im August 2005 aus und bestünde diesfalls (wegen bloß drei Tagen) auch keine Verpflichtung zur Zulassung in Österreich, weil dadurch kein dauernder Standort des Fahrzeuges gegeben sei. Eine Verwendung im Inland sei nach § 82 Abs. 8 KFG durchaus während eines Monates (bzw. auch zweier Monate) zulässig. Bei der Frage des Hauptwohnsitzes gehe es wesentlich um die Absicht, sich niederzulassen. Diese Absicht sei dem Mitbeteiligten verwehrt, weil er als Arbeitnehmer der italienischen Staatsbahnen seinen Hauptwohnsitz in Italien haben und behalten müsse und diesen nur kurzfristig, bedingt durch eine Ausnahmebewilligung, verlassen dürfe. Er dürfe sohin gar keine Absicht haben, sich in Österreich niederzulassen. Im Übrigen sei dem Mitbeteiligten eine Zulassung des Fahrzeuges im Inland unter Verweis auf den italienischen Hauptwohnsitz verweigert worden. Wenn das Finanzamt in Zusammenhalt mit der Umsatzsteuer einen 20%igen Abschlag von der Bemessungsgrundlage vornehme, welcher Wert einem Fahrzeug mit über 6.000 km entspreche, so gehe es offenbar nicht von einem Neuwagen, sondern selbst von einem gebrauchten Fahrzeug aus. Die Vorschreibung von Umsatzsteuer für ein Gebrauchtfahrzeug sei vom Gesetz nicht vorgesehen und unzulässig. Da der Mitbeteiligte selbstverständlich in Italien die Umsatzsteuer entrichtet habe, käme es zu einer Doppelbesteuerung (USt von 40 %). Der Bescheid sei daher ersatzlos aufzuheben.

11 Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde u. a. der Berufung betreffend Umsatzsteuer Folge und hob den Bescheid diesbezüglich ersatzlos auf. Begründend führte sie zur Umsatzsteuer aus, gemäß Art. 1 Abs. 7 UStG 1994 unterliege der Erwerb eines neuen Fahrzeuges durch eine Privatperson, wenn das Fahrzeug aus dem Gebiet eines EU-Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaates geliefert werde, als innergemeinschaftlicher Erwerb der Umsatzsteuer. Die Privatperson werde in diesem Fall zum umsatzsteuerlichen Unternehmer. Es gelte das Bestimmungslandprinzip, dh. das Fahrzeug werde ohne ausländische Umsatzsteuer (der Verkäufer verrechne keine Umsatzsteuer) nach Österreich geliefert, und hier müsse die 20- prozentige Umsatzsteuer entrichtet werden. Im Beschwerdefall gehe das Finanzamt jedoch offenbar selbst von einem bei der Einfuhr bzw. dem Beginn der Verwendung in Österreich gebrauchten Fahrzeug aus und nehme, dies berücksichtigend, einen 20%igen Abschlag vor. Hinzu komme, dass laut der Rechnung vom der italienischen Fahrzeughändler zweifelsohne die 20%ige italienische Umsatzsteuer ausgewiesen und in Rechnung gestellt habe, das Fahrzeug sohin nicht ohne ausländische Umsatzsteuer nach Österreich geliefert worden sei. Aus diesen Gründen sei aber ein innergemeinschaftlicher Erwerb eines Neufahrzeuges durch einen Privaten iSd Art. 1 Abs. 7 UStG 1994 auszuschließen.

12 Gegen diesen Teil des angefochtenen Bescheides wendet sich die Amtsbeschwerde des Finanzamts. Begründend führte das Finanzamt aus, die belangte Behörde gehe fälschlich von einem Gebrauchtfahrzeug aus. Es sei unstrittig, dass das betreffende Fahrzeug im Jahr 2005 in Italien neu gekauft und vom Mitbeteiligten nach Österreich verbracht worden sei. Ein motorbetriebenes Landfahrzeug gelte dann als neu, wenn die erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als sechs Monate zurückliege oder wenn das Landfahrzeug nicht mehr als 6.000 Kilometer zurückgelegt habe (Art. 1 Abs. 9 UStG 1994). Die belangte Behörde stütze ihre Annahme eines Gebrauchtwagens allein auf den (irrtümlich) vom Finanzamt vorgenommenen 20%-igen Abschlag bei der Bemessungsgrundlage im Rahmen der vom Finanzamt vorgenommenen Erwerbsbesteuerung. Damit sei keine nachvollziehbare Sachverhaltsfeststellung getroffen worden.

13 Der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift, in der er insbesondere in Abrede stellte, dass das streitgegenständliche Fahrzeug über einen inländischen dauernden Standort verfüge.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

15 Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2013/15/0277, mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, zu einem gleich gelagerten Fall ausgeführt hat, muss die Begründung eines Bescheides erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Die Begründung eines Abgabenbescheides muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist.

16 Diesen Anforderungen an eine Bescheidbegründung genügt der angefochtene Bescheid nicht, denn nach Art. 1 Abs. 9 UStG 1994 gilt ein Fahrzeug als neu, wenn die erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs bei motorbetriebenen Landfahrzeugen nicht mehr als sechs Monate zurückliegt oder das Landfahrzeug nicht mehr als 6.000 Kilometer zurückgelegt hat. Von welcher Bemessungsgrundlage das Finanzamt bei Festsetzung der Erwerbsteuer ausgegangen ist, taugt zur Feststellung der objektiv im Zeitpunkt des Erwerbs gegebenen Verhältnisse nicht. Vielmehr ist es Sache der Berufungsentscheidung, zunächst darüber zu befinden, ob die Tatbestandsvoraussetzungen für die Besteuerung des gegenständlichen Erwerbsvorganges in Österreich vorliegen (vgl. dazu näher das Erkenntnis vom , 2013/15/0277), und für den Fall der Bejahung dieser Voraussetzungen die zutreffende Bemessungsgrundlage zu bestimmen.

17 Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im Umfang seiner Anfechtung, somit hinsichtlich Umsatzsteuer, aufzuheben.

18 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am