VwGH vom 08.02.2007, 2006/15/0252
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde des Magistrates der Stadt Wien in 1082 Wien, Ebendorferstraße 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , GZ. UVS-07/F/58/5042/2006/2, betreffend Übertretung der Wiener Abgabenordnung im Zusammenhang mit dem Vergnügungssteuergesetz (mitbeteiligte Partei: IA in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde auf Grund einer Berufung des Mitbeteiligten gegen das Straferkenntnis des beschwerdeführenden Magistrates der Stadt Wien wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 17 Abs. 3 VGSG i.V.m. § 251 Abs. 1 lit. a WAO im Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 VStG das bekämpfte Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt. In der Begründung ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass der Mitbeteiligte die für August 2005 angefallene Vergnügungssteuer für den unter der Steuerausweis Nr. ... in Wien gemeldeten Apparat, fällig gewesen am letzten Tag des Vormonats, bis am nicht (in voller Höhe) entrichtet und bis dahin auch die Gründe hiefür nicht bekannt gegeben habe. Die Vergnügungssteuer sei am dem Konto des beschwerdeführenden Magistrats gutgeschrieben worden. Als erste taugliche Verfolgungshandlung komme die Strafverfügung vom in Betracht.
§ 251 Abs. 1 lit. a WAO sei dahingehend auszulegen, dass nur ein Verhalten mit Strafe bedroht sei, bei dem zur bloßen Nichtentrichtung einer nicht bescheidmäßig festzusetzenden Abgabe noch hinzukomme, dass der Abgabepflichtige der Abgabenbehörde nicht bis zum 5. Tag nach der Abgabenfälligkeit die Höhe der Abgabenschuld und die Gründe für die nicht rechtzeitige Entrichtung der Abgabe bekannt gebe. Es stehe fest, dass der Mitbeteiligte seinen Verpflichtungen nach der WAO nicht nachgekommen sei und damit die objektiven Merkmale der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung gegeben seien. Nach der Aktenlage liege jedoch ein Strafaufhebungsgrund vor. Die Vergnügungssteuer sei als Selbstbemessungsabgabe konzipiert. Mit Erkenntnis vom , B 552, 848/94, habe der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass eine Selbstanzeige nach § 108 WAO einen Strafaufhebungsgrund bilde. Es genüge hiefür die Zahlung des geschuldeten Betrages unter Angabe des Entrichtungszeitraumes und der Abgabenart.
Es stehe nach der Aktenlage fest, dass der Mitbeteiligte die Vergnügungssteuer für den Monat August vor der ersten Verfolgungshandlung der Behörde erster Instanz (Strafverfügung vom ) bezahlt habe. Damit liege der beschriebene Strafaufhebungsgrund vor.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Amtsbeschwerde wird zunächst ausgeführt, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige in der WAO nicht vorgesehen sei. Der Verfassungsgerichtshof habe aber mit Erkenntnis vom , B 552, 848/94, festgestellt, dass zumindest die vor einer strafbehördlichen Verfolgungshandlung erstattete ("Selbst-")Anzeige nach § 108 WAO einen Strafaufhebungsgrund in einer der Selbstanzeige im Anwendungsbereich des Finanzstrafgesetzes nach dessen § 29 grundsätzlich gleichzustellenden Weise bilde. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich dieser Ansicht angeschlossen und ausgeführt, dass mit den Angaben über die Abgabenart und den Entrichtungszeitraum auf dem Einzahlungsabschnitt alle bedeutenden Umstände offen gelegt erscheinen und damit bei Selbstberechnungsabgaben die Selbstanzeige durch bloße Entrichtung erstattet sei.
Im Beschwerdefall sei die verspätet, aber vor der ersten Verfolgungshandlung geleistete Zahlung zunächst gar nicht wahrgenommen worden, weil diese erst am Tag der Erstellung der Strafverfügung aufgebucht worden sei. Im weiteren Verfahren sei sie aus folgenden Gründen nicht als strafbefreiend gewertet worden:
Anlässlich der automationsunterstützt erstellten Anzeigen der Nichtzahlung einer Abgabe zum Fälligkeitstermin werde eine "Strafenvorschlagsliste" - im Beschwerdefall am - erstellt und an die MA 4 weitergeleitet. Dort sei diese Mitteilung am in Bearbeitung genommen worden. Dadurch sei zu diesem Zeitpunkt die Tat entdeckt worden. Zahlungen, die bis zu diesem Zeitpunkt einlangen, würden als Selbstanzeige im Sinn des § 29 FinStrG gewertet werden. Im Beschwerdefall müsse zeitgleich der Abgabepflichtige durch Erhalt der Lastschriftanzeige vom Kenntnis davon erlangt haben, dass der Abgabenbehörde bekannt sei, dass die Vergnügungssteuer für August 2005 noch nicht entrichtet worden sei. Für die verspätet geleistete Zahlung sei jener vorgedruckte Zahlschein verwendet worden, welcher der Lastschriftsanzeige angeschlossen gewesen sei. Damit sei die Kenntnis des Anzeigers von der Entdeckung der Tat aktenkundig. Wenn aber zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat bereits ganz oder zum Teil entdeckt und dies dem Anzeiger bekannt sei, trete Straffreiheit nach § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG nicht ein.
Abgesehen davon seien die Voraussetzungen des § 108 WAO nicht gegeben. Die Verpflichtung zur Selbstanzeige, welcher strafbefreiende Wirkung zukomme, stelle demnach auf ein nachträgliches Erkennen des Abgabepflichtigen ab. Habe der Abgabepflichtige die Entrichtung der Abgabe bewusst, möglicherweise sogar vorsätzlich, unterlassen, scheide ein nachträgliches Erkennen begrifflich aus. Ein schlichtes Vergessen der Entrichtung der Abgabe erscheine einer Selbstanzeige gemäß § 108 WAO grundsätzlich zugänglich zu sein. Dies aber mit der Einschränkung, dass ein Erkennen des Abgabepflichtigen tatsächlich vorliegen müsse. Ein solches Erkennen sei jedenfalls dann zu verneinen, wenn der Abgabepflichtige von Dritter Seite - wie im Anlassfall durch eine Lastschriftanzeige der Abgabenbehörde - auf seine Säumnis aufmerksam gemacht worden sei. In diesem Fall sei nicht er selbst der Erkennende.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 251 Abs. 1 lit. a WAO macht sich einer Verwaltungsübertretung schuldig, wer Abgaben, die nicht bescheidmäßig festzusetzen sind, nicht spätestens am 5. Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abführt, es sei denn, dass der Zahlungs(Abfuhr-)Pflichtige bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages und die Gründe der nicht zeitgerechten Entrichtung (Abfuhr) bekannt gibt; im Übrigen ist die Versäumung eines Zahlungstermines für sich allein nicht strafbar. Die Verwaltungsübertretung wird gemäß § 251 Abs. 2 WAO in den Fällen des Abs. 1 lit. a mit einer Geldstrafe bis zu EUR 2.100,--, im Nichteinbringungsfall mit Arrest bis zu sechs Wochen geahndet.
Nach § 17 Abs. 3 des Vergnügungssteuergesetzes 1987 - VGSG gilt die Anmeldung von Apparaten (§ 14 Abs. 2) als Steuererklärung für die Dauer der Steuerpflicht. Die durch die Anmeldung erfolgte Selbstbemessung durch den Inhaber des für das Halten des Apparates benützten Raumes oder Grundstückes wirkt im Falle eines Wechsels in der Person unmittelbar auch gegen den neuen Inhaber, wenn der Apparat weiterhin gehalten wird. Die Steuer ist erstmals zum Termin für die Anmeldung und in der Folge jeweils bis zum Letzten eines Monats für den Folgemonat zu entrichten. Bei der Zahlung ist als Verwendungszweck der Apparat anzugeben, für den die Zahlung geleistet wird; Die Zahlung ist diesem Zweck entsprechend zu verrechnen.
Gemäß § 108 WAO ist ein Abgabepflichtiger verpflichtet, wenn er nachträglich, aber vor dem Ablauf der Verjährungsfrist (§ 154 bis 156) erkennt, dass er in einer Abgabenerklärung oder in einem sonstigen Anbringen der ihm gemäß § 92 obliegenden Pflicht nicht oder nicht voll entsprochen hat und dass dies zu einer Verkürzung von Abgaben geführt hat oder führen kann, hierüber unverzüglich der Abgabenbehörde Anzeige zu erstatten.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , B 552, 848/94, zu § 108 WAO ausgeführt, dass die Erfüllung der durch diese Bestimmung auferlegten Pflicht zur (Selbst-)Anzeige ausschließlich der (richtigen und vollständigen) Abgabenerhebung, in Ermangelung einer etwa dem § 29 FinStrG der Zielrichtung nach entsprechenden Vorschrift jedoch keinesfalls der strafrechtlichen Verfolgung des Abgabepflichtigen (durch ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde) dienen dürfe. Dies bedeute im Ergebnis, dass zumindest die vor einer strafbehördlichen Verfolgungshandlung erstattete (Selbst-)Anzeige nach § 108 WAO einen Strafaufhebungsgrund in einer der Selbstanzeige im Anwendungsbereich des Finanzstrafgesetzes nach dessen § 29 grundsätzlich gleich zu stellenden Weise bilde. Dass der in diesem Sinn verfassungskonform verstandene § 108 WAO bei einer derartigen Handhabung über die in § 29 FinStrG (verfassungsrechtlich unbedenklich) vorgesehene, von zahlreichen Voraussetzungen abhängige Begünstigung des mit einer Strafe bedrohten Abgabepflichtigen allenfalls hinausreicht, müsse dabei hingenommen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , 2002/17/0062) dieser Auffassung an. Eine Anzeige nach § 108 WAO hat zwar die selben Wirkungen wie eine Selbstanzeige nach § 29 FinStrG. Dass eine solche Anzeige nach Entdeckung der Tat die strafbefreiende Wirkung nicht mehr auslöse, kann der Bestimmung nicht entnommen werden. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Amtsbeschwerde beziehen sich auf § 29 Abs. 3 FinStrG. Eine - aus welchen Gründen immer - Übernahme auch der Erfordernisse des § 29 FinStrG für die Bestimmung des § 108 WAO ist nicht geboten. Bereits der Verfassungsgerichtshof hat darauf hingewiesen, dass der Umstand, dass § 108 WAO über die Bestimmung des § 29 FinStrG hinausreicht, hingenommen werden müsse. Die Ausführungen in der Amtsbeschwerde zur Tatentdeckung im Sinne des § 29 Abs. 3 FinStrG gehen daher ins Leere.
Den Ausführungen der Amtsbeschwerde betreffend das "Erkennen" iSd § 108 WAO kann nicht beigetreten werden. Das Erfordernis eines "nachträglichen Erkennens" stellt zunächst einen zeitlichen Aspekt her. Eine solche Anzeige ist demnach nach Einreichung einer Abgabenerklärung oder eines Anbringens bzw. im Beschwerdefall nach Versäumung des Zahlungstermines zu erstatten. Auf die Ursachen dafür, dass zunächst die Handlung unterblieben ist oder unrichtig abgegeben wurde, stellt die Bestimmung nicht ab. Des Weiteren sind die Gründe für das Erkennen nicht maßgeblich. Ob der Abgabepflichtige von sich aus, durch Mitarbeiter seines Unternehmens oder von dritter Seite, sei es auch durch die Abgabenbehörde, darauf aufmerksam gemacht wird, ist nicht entscheidend. Für den Anwendungsbereich dieser Norm im Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens kommt es lediglich darauf an, dass diese Anzeige vor einer strafbehördlichen Verfolgungshandlung gesetzt wird (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 552, 848/94, und das hg. Erkenntnis vom , 2002/17/0062). Dass dies im Beschwerdefall geschehen ist, ist nicht strittig. Die belangte Behörde hat daher zutreffend das Strafverfahren gegen den Mitbeteiligten eingestellt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am