VwGH vom 22.02.2012, 2011/06/0210
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des Vereines Y, vertreten durch Dr. Mag. Michael E. Sallinger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. RoBau-8-1/708/3-2011, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde S), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Gemeinde wird abgewiesen.
Begründung
Im Beschwerdefall geht es um die Verwaltung von Räumlichkeiten in einem Gebäude im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde. Die Baubewilligung für das Gebäude wurde mit Bescheid des Bürgermeisters vom erteilt. Mit weiterem Bescheid des Bürgermeisters vom erfolgte eine Änderung dieser Baubewilligung; genehmigt wurde unter anderem eine Änderung der Raumnutzung im Erdgeschoß dahin, "dass anstelle der vier Geschäftseinheiten eine Geschäftseinheit, bestehend aus fünf Büroräumen, einem Gang und diversen Nebenräumen ausgeführt wird". Das Baugrundstück war damals als gemischtes Wohngebiet (§ 12 Abs. 2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 - TROG 1984) gewidmet (dies seit 1986, wie in der Gegenschrift der mitbeteiligten Gemeinde vorgetragen wird). Es handelt sich um die nun streitgegenständlichen Räumlichkeiten, die zunächst von einem (auch in der Kfz-Branche tätigen) Versicherungsunternehmen (auch als Kfz-Zulassungsstelle) genutzt wurden.
Unstrittig ist, dass die Räumlichkeiten im Jahr 2011 vom beschwerdeführenden Verein (in der Folge auch kurz: Verein) im Wohnungseigentum erworben wurden und seither vom Verein, der sich als Kulturzentrum bezeichnet, genutzt werden; strittig ist, ob die nunmehrige Nutzung dem bewilligten Verwendungszweck entspricht. Das Baugrundstück ist nun gemäß dem im Jahr 2003 beschlossenen (und 2004 in Kraft getretenen) Flächenwidmungsplan als (reines) Wohngebiet gewidmet.
In den Verwaltungsakten befindet sich eine Einladung zur Eröffnung dieses Kulturzentrums für den , in der es heißt, einige in der mitbeteiligten Gemeinde und in der Umgebung lebende, näher bezeichnete Personen hätten diesen Verein gegründet. Der Gedanke bei der Gründung sei gewesen, dass sich die ständig entwickelnde Gesellschaft genau dann und nur dann gesund entwickeln könne, wenn auch die Bürger zu dieser Entwicklung etwas beisteuerten. So seien sie (die Verfasser der Einladung) der Meinung, dass auch sie soweit möglich Leistungen erbringen müssten, die der gesamten Gesellschaft zugute kommen sollten. Mit den 250 Mitgliedern hätten sie sich für ein Zentrum an einem näher bezeichneten Ort (das ist der gegenständliche Standort) entschieden. Die Räumlichkeiten entsprächen ihren Erwartungen. Sie eigneten sich für etwaige Projekte wie für Sprachkurse oder für Abendveranstaltungen wie für Erwachsenenbildung, auch für ihr Hauptanliegen, welches die Bildung und damit die Sozialisierung der Jugend in die Gesellschaft sei. Sie seien der Auffassung, dass mit Nachhilfe und Betreuung vielen Kindern und Jugendlichen das Leben erleichtert werden könne (…). Eine ihrer Veranstaltungen führe die Bezeichnung "Elternschule" und werde am stattfinden. Sie bestehe aus fünf Teilen, in denen unterschiedliche Experten das Wort ergriffen.
Der Bürgermeister teilte dem Verein (zu Handen seines Obmannes) mit Schreiben vom mit, bei einer Prüfung durch den Techniker des Stadtbauamtes am habe festgestellt werden können, dass in den bestehenden Büroräumlichkeiten Räume für Schulungszwecke eingerichtet und in einem Raum ca. 50 bis 60 Stühle für Vorträge, Seminare und dergleichen aufgestellt worden seien. Somit bestehe die Möglichkeit, dass die Räumlichkeiten zugleich von mindestens 60 bis 70 Personen genutzt werden könnten. Die Räume seien (Verwendungszweck) als Büroräume mit Nebenräumen gewidmet. Eine Benützung dieser Räumlichkeiten dürfe daher nur für einen solchen Zweck erfolgen. Die Abhaltung von Seminaren sei daher in diesen Räumlichkeiten aus baupolizeilicher Sicht nicht statthaft. In weiterer Folge bestünden auch Bedenken hinsichtlich der Sicherheit, weil die erforderlichen Fluchtwegbreiten, vor allem bei den Türen, nicht gegeben seien. Zusätzlich seien bei Räumlichkeiten in dieser Größe und gemäß dem beabsichtigten Verwendungszweck auch WC-Anlagen nach Geschlechtern getrennt erforderlich. Bei einer Änderung des Verwendungszweckes wäre auch der Nachweis von Pkw-Stellplätzen erforderlich. Das Areal sei als Bauland-Wohngebiet gewidmet. Nach der Umschreibung der zulässigen Nutzungen in § 38 des Tiroler Raumordnungsgesetzes (2006) sei davon auszugehen, dass mit der Bewilligung der erforderlichen Änderung des Verwendungszweckes nicht gerechnet werden könne.
Es werde daher ersucht, sich umgehend mit dem Stadtbauamt in Verbindung zu setzen. Es sei leider mitzuteilen, dass Veranstaltungen aus den zuvor genannten Gründen in den derzeit als Büroräumlichkeiten gewidmeten Räumen untersagt werden müssten.
Nach weiteren Verfahrensschritten (auch Schriftverkehr) untersagte der Bürgermeister mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom dem beschwerdeführenden Verein gemäß § 37 Abs. 4 lit. d der Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001) die Benützung der gegenständlichen Büroräumlichkeiten "für kulturelle Zwecke - Abhaltung von Sprachkursen, Abendveranstaltungen sowie Erwachsenenbildung" und schloss gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung aus. Zur Begründung heißt es zusammengefasst, der mitbeteiligten Gemeinde sei am von Miteigentümern der Wohnanlage und Nachbarn mitgeteilt worden, dass die Büroräumlichkeiten im Erdgeschoß durch den Verein "zweckwidmungsfremd" benutzt würden. Auf Grund des bewilligten Verwendungszweckes der Räume (Büroräume mit Nebenräumen) dürften diese vom Verein nicht als Veranstaltungsräume zur Abhaltung von Sprachkursen, Abendveranstaltungen, Erwachsenenbildung und dergleichen benützt werden, weil dies im Widerspruch zu § 38 des Tiroler Raumordnungsgesetzes stehe.
Der Verein erhob mit Schriftsatz vom Berufung. Darin heißt es, er habe die Räumlichkeiten mit Vertrag vom käuflich erworben. Er sei ein Kulturverein, welcher mit Vereinen, die den gleichen oder ähnlichen Verwendungszweck verfolgten, kooperiere. Er werde die Räumlichkeiten so nutzen, wie der Voreigentümer (eine Versicherung) diese Räumlichkeiten benutzt habe, nämlich zu Bürozwecken. Es sei völlig aus der Luft gegriffen, wenn behauptet werde, dass er die Räumlichkeiten zu Veranstaltungszwecken nutze. Dies treffe nicht zu. Auch der Voreigentümer habe diese Räumlichkeiten als Büros, Besprechungsräume sowie für den Parteienverkehr genutzt. Der Verein verfolge keinen anderen Verwendungszweck. Er werde die Räumlichkeiten für Büro- und Administrationstätigkeit und für den Parteienverkehr zur Beratung von Mitgliedern in kulturellen, schulischen sowie in Belangen der Integration verwenden. Weiters würden die Räumlichkeiten als Koordinationsstelle mit zweckähnlichen Vereinen verwendet. Es sei nicht in seinem Interesse, die Räumlichkeiten für Veranstaltungszwecke zu nutzen. Er werde für seine Veranstaltungen nach wie vor andere geeignete Räumlichkeiten mieten. Er habe keine Veranstaltungen oder Kurse in diesen Räumlichkeiten abgehalten und werde auch in Zukunft keine solchen abhalten. Er habe nicht einmal ein Ansuchen gestellt, den Verwendungszweck zu ändern, weshalb die Vorgangsweise sehr merkwürdig erscheine.
Nach verschiedenen Erhebungsschritten wies der Stadtrat mit Bescheid vom die Berufung als unbegründet ab, änderte aber den Untersagungsauftrag dahin ab, dass gemäß § 37 Abs. 4 lit. d der Tiroler Bauordnung 2001 die Benutzung dieser Büroräume "zu allen anderen Tätigkeiten als für Bürotätigkeiten eines Geschäftslokales - insbesondere für Abendveranstaltungen, Sprachkurse, Seminare, Nachhilfe, Veranstaltungen u. dgl. - untersagt" werde.
Zur Begründung heißt es zusammengefasst, die fragliche Geschäftseinheit sei durch die Voreigentümerin, ein Versicherungsunternehmen, für Bürotätigkeiten und Kundenverkehr zweckentsprechend verwendet worden. Zusätzlich zu den Argumenten der Behörde erster Instanz lägen der Berufungsbehörde mehrere Beweismittel vor, aus denen sich eindeutig ergebe, dass diese Räume nicht im Sinne einer Geschäftseinheit verwendet würden:
Der Verein nenne sich selbst "Kulturzentrum", was bereits auf die "zweckwidmungsfremde" Verwendung hinweise. In der Einladung zur Eröffnung werde auf Projekte wie "Sprachkurse oder Abendveranstaltungen, Erwachsenenbildung, Bildung der Jugend über Nachhilfe und Betreuungen vieler Kinder, … Erziehung" hingewiesen, besonders werde auf die Veranstaltungen unter dem Titel "Elternschule" aufmerksam gemacht.
Ein erster Augenschein sei am durch einen bautechnischen Sachverständigen erfolgt. Dieser habe dabei festgestellt, dass die bestehenden Büroräumlichkeiten als Räume für Schulungszwecke eingerichtet worden und in einem Raum ca. 50 bis 60 Stühle für Vorträge, Seminare udgl. aufgestellt gewesen seien. Es sei somit die offensichtliche Absicht zu erkennen, dass die Räumlichkeiten für diese Zwecke von mindestens etwa 60 Personen genutzt werden sollten. Am hätten der Stadtamtsleiter und der Stadtbaumeister einen weiteren Ortsaugenschein durchgeführt und dabei sei festgestellt worden, dass sich in den Räumlichkeiten vormittags ca. 18 bis 20 Personen aufgehalten hätten. Die offensichtliche Nutzung habe nicht der einer Büronutzung entsprochen, vielmehr habe die Nutzung des Hauptraumes eher einem "Eltern-Kind-Zentrum" geglichen. Die übrigen Räume seien als Schulklassen bzw. Versammlungsstätten bestuhlt gewesen. In drei näher bezeichneten Zeitungsartikeln hätten die Vertreter des Vereins selbst ausgeführt, dass bis zu 20 Kinder Nachhilfe in Deutsch, Englisch und Mathematik erhalten würden, einmal pro Woche gebe es einen abendlichen Treffpunkt. Für den Redakteur habe es sich um drei Klassenräume gehandelt, wie dies auf dem Bild auch deutlich zu erkennen sei. Einen Redakteur habe alles an ein Seminarzentrum erinnert. Am sei festgestellt worden, dass ab 19.30 Uhr ca. 9 Personen das Kulturzentrum frequentiert hätten, welche es um 22.30 Uhr wiederum verlassen hätten. Gemäß den Aussagen von drei Nachbarinnen vom kämen vor allem Kinder, aber auch größere Frauengruppen und Männer, dies auch spät am Abend, in das Kulturzentrum. Die Kinder würden vor allem samstags und sonntags, vor allem am Vormittag, gebracht, am Nachmittag eher jugendliche Mädchen und Burschen, was teilweise ganz nach einem Jugendtreff aussehe, wobei die Jugendlichen auch unter der Woche kämen. Es würden Jausen gebracht und es herrsche sodann "Kaffeehaus-Atmosphäre", teilweise sei auch laute Radiomusik zu hören. Es handle sich jeweils um größere Gruppen von Personen, die zumeist mit dem Auto kämen bzw. gebracht würden, und zwar auch spät abends bzw. bis in die Nacht hinein. An der Hausfassade sei durch den Verein ein entsprechendes Hinweisschild bezüglich "Nachhilfe Deutsch, Mathematik, Englisch" angebracht worden. Aus all dem ergebe sich, dass die Räumlichkeiten durch den Verein nicht als Büroräume einer Geschäftseinheit, sondern zu anderen Zwecken, nämlich zu Nachhilfe, Erziehungsarbeit, kaffeehausartigen Treffen, Kindererziehung und sonstigen Veranstaltungen, als Versammlungsraum u. dgl. zweckwidmungsfremd verwendet würden, was gegen den Baubewilligungsbescheid vom verstoße. Demnach sei "die behördliche Anwendung" des § 37 TBO 2001 verpflichtend (es folgen Ausführungen, dass der Verwendungszweck im Widerspruch zu § 38 Abs. 1 lit. d TROG 2006 stehe).
Der Verein erhob Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde.
Nach Darstellung des Verfahrensganges heißt es zur Begründung (zusammengefasst), es sei vor dem Hintergrund des § 20 Abs. 1 lit. c TBO 2001 (Bewilligungspflicht für die Änderung eines Verwendungszwecks) zu prüfen, ob die nunmehrige Nutzung der Räumlichkeiten als "Kulturzentrum" vom festgelegten Verwendungszweck umfasst sei oder eine darüber hinausgehende Nutzung vorliege, die die Bewilligung einer Änderung des Verwendungszweckes erfordere. Wie der beschwerdeführende Verein selbst ausführe, sei er ein gemeinnütziger Verein mit dem beabsichtigten Verwendungszweck "Förderung und Erziehung von Menschen, Hilfeleistung und Fürsorge von Personen in Not, Förderung der Wissenschaft, Förderung von universellen Werten wie Frieden, Nächstenliebe, Toleranz und Integration und Förderung im Rahmen von Orientierungsveranstaltungen für die berufliche und schulische Weiterbildung von Jugendlichen". Aus der Einladung zur Eröffnung des Kulturzentrums gehe hervor, dass Projekte wie "Sprachkurse oder Abendveranstaltungen, Erwachsenenbildung, Bildung der Jugend über Nachhilfe und Betreuungen vieler Kinder … Erziehung" und Veranstaltungen mit dem Titel "Elternschule" geplant seien. Sowohl der angegebene Vereinszweck als auch die Angebotsbeschreibung in der Einladung sowie alle weiteren im Berufungsverfahren dargelegten Beweismittel wiesen eindeutig darauf hin, dass Räumlichkeiten nicht nur als "Geschäftseinheit mit Büros" genutzt würden, sondern eine darüber hinausgehende Nutzung vorliege.
Da die Änderung eines Verwendungszweckes bereits einer Baubewilligung bedürfe, wenn sie auf die Zulässigkeit des Gebäudes oder Gebäudeteiles nach den bau- und raumordnungsrechtlichen Vorschriften von Einfluss sein könne, sei in diesem Zusammenhang auf die raumordnungsrechtlichen Bestimmungen Bedacht zu nehmen.
Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass ein gemeinnütziger Verein mit dem Verwendungszweck dieses Vereines im allgemeinen der Befriedigung der sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung eines Wohngebietes diene, sodass zu prüfen sei, ob diese Einrichtung unter § 38 Abs. 1 lit. d TROG 2006 subsumiert werden könne. Dabei komme es auf das betreffende Wohngebiet an (Hinweis auf hg. Judikatur). Der Einzugsbereich des Vereines erstrecke sich aber über dieses Wohngebiet hinaus (wurde näher ausgeführt). Daraus, dass der Voreigentümer, das näher bezeichnete Versicherungsunternehmen, an diesem Standort ein "Verkaufslokal" betrieben habe und der Kundenverkehr nicht ausschließlich aus dem unmittelbaren Nachbarbereich lukriert worden sei, lasse sich für den beschwerdeführenden Verein nichts gewinnen, weil bei kulturellen Zwecken (§ 38 Abs. 1 TROG 2006) auf einen Nutzerkreis aus dem "betreffenden Gebiet" abzustellen sei.
Der Untersagungsauftrag sei daher zu Recht ergangen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwendungszweck der gegenständlichen Räumlichkeiten wurde mit dem Bescheid vom festgelegt. Damals war das Grundstück als gemischtes Wohngebiet gewidmet; es galt das Tiroler Raumordnungsgesetz 1984, LGBl. Nr. 4 (TROG 1984 - Wiederverlautbarung des TROG 1972 idF LGBl. Nr. 88/1983).
§ 12 Abs. 1 und 2 TROG 1984 lautete (unveränderte Stammfassung; Abs. 2 war dem § 12 TROG 1972 durch die Novelle LGBl. Nr. 88/1983 angefügt worden):
"12
Wohngebiete
(1) Wohngebiete sind jene Grundflächen, auf denen nur Wohnbauten mit den dazugehörigen Nebenanlagen errichtet werden dürfen. Darüber hinaus ist die Errichtung von Bauten für Betriebe und Einrichtungen, die der täglichen Versorgung sowie den sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung des Wohngebietes dienen, zulässig, wenn durch die Benützung dieser Bauten keine unzumutbaren Lärm-, Rauch-, Staub- oder Geruchsbelästigungen sowie keine Gefahr für Leben und Gesundheit der Wohnbevölkerung zu befürchten sind.
(2) Im Wohngebiet können Grundflächen als gemischtes Wohngebiet gewidmet werden. Auf solchen Grundflächen dürfen neben den in Abs. 1 angeführten Bauten auch öffentliche Bauten, Geschäfts- und Verwaltungsgebäude und Bauten für Gastgewerbebetriebe zur Beherbergung von Gästen mit höchstens 40 Betten errichtet werden, wenn durch die Benützung dieser Bauten keine unzumutbare Lärm-, Rauch- Staub- oder Geruchsbelästigung sowie keine Gefahr für Leben und Gesundheit der Wohnbevölkerung zu befürchten ist."
§ 14 TROG 1984 traf nähere Bestimmungen zu "Mischgebieten". Nach Abs. 2 lit. a leg. cit. konnte die Widmungskategorie "Kerngebiet" festgelegt werden demnach waren "Kerngebiete" Grundflächen, auf denen öffentliche Bauten, Geschäfts- und Verwaltungsgebäude, Bauten des Gast- und Schankgewerbes, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, im Übrigen aber nur die im Wohngebiet zulässigen Bauten errichtet werden dürfen.
Im Zeitraum des gemeindebehördlichen Verfahrens galt das Tiroler Raumordnungsgesetz 2006, LGBl. Nr. 27 (TROG 2006 - Wiederverlautbarung des TROG 2001).
§ 38 TROG 2006 lautet auszugsweise:
"§ 38
Wohngebiet
(1) Im Wohngebiet dürfen errichtet werden:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
a) | Wohngebäude, |
b) | Gebäude, die der Unterbringung von nach § 12 Abs. 1 lit. b zulässigen Ferienwohnungen oder der Privatzimmervermietung dienen, |
c) | Gebäude, die neben Wohnzwecken im untergeordneten Ausmaß auch der Unterbringung von Büros, Kanzleien, Ordinationen und dergleichen dienen, |
d) | Gebäude für Betriebe und Einrichtungen, die der täglichen Versorgung oder der Befriedigung der sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung des betreffenden Gebietes dienen und die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, und dessen Charakter als Wohngebiet nicht wesentlich beeinträchtigen. |
(2) Im Wohngebiet können Grundflächen als gemischtes Wohngebiet gewidmet werden. Im gemischten Wohngebiet dürfen neben den im Abs. 1 genannten Gebäuden auch öffentliche Gebäude, Geschäfts- und Verwaltungsgebäude, Gebäude für Gastgewerbebetriebe zur Beherbergung von Gästen mit höchstens 40 Betten und Gebäude für sonstige Kleinbetriebe errichtet werden, die unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die Wohnqualität im betreffenden Gebiet, insbesondere durch Lärm, Geruch, Luftverunreinigungen oder Erschütterungen, und dessen Charakter als Wohngebiet nicht wesentlich beeinträchtigen.
(3) Bestehen auf Grundflächen, die als Wohngebiet oder gemischtes Wohngebiet gewidmet sind, rechtmäßig bereits Gebäude für andere als die im Wohngebiet bzw. im gemischten Wohngebiet zulässigen Betriebe oder Einrichtungen, so dürfen darauf auch Gebäude für diese Betriebe oder Einrichtungen errichtet werden, wenn dadurch …"
Im Beschwerdefall ist weiters die Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94 (Wiederverlautbarung - TBO 2001), in der Fassung LGBl. Nr. 40/2009 anzuwenden.
§ 20 TBO 2001 lautet auszugsweise:
"§ 20
Bewilligungspflichtige und anzeigepflichtige
Bauvorhaben, Ausnahmen
(1) Einer Baubewilligung bedürfen, soweit sich aus den Abs. 2 und 3 nichts anderes ergibt:
…
c) die Änderung des Verwendungszweckes von Gebäuden oder Gebäudeteilen, wenn sie auf die Zulässigkeit des Gebäudes oder Gebäudeteiles nach den bau- oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften von Einfluss sein kann; hiebei ist vom bewilligten Verwendungszweck bzw. bei Gebäuden oder Gebäudeteilen, für die aufgrund früherer baurechtlicher Vorschriften ein Verwendungszweck nicht bestimmt wurde, von dem aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehenden Verwendungszweck auszugehen;
Nach § 37 Abs. 4 lit. d TBO 2001 hat die Behörde dem Eigentümer einer baulichen Anlage deren weitere Benützung ganz oder teilweise zu untersagen, wenn er sie zu einem anderen als dem bewilligten bzw. dem aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehenden Verwendungszweck benützt.
Wird die bauliche Anlage von einem Dritten benützt, so ist diesem die weitere Benützung zu untersagen.
Der beschwerdeführende Verein vertritt die Auffassung, er verwende die Räumlichkeiten ohnedies gemäß dem bewilligten Verwendungszweck. Er nutze die Räume zulässigerweise für die Verwaltung des Vereines, für dessen Büro- und Kanzleiarbeit, zu Treffen des Vorstandes und der Angestellten des Vereines, und zur Erteilung der Nachhilfe. Andere Nutzungen, wie von den Behörden angenommen, seien reine Vermutungen. Zulässig sei ein "Geschäftsbetrieb", die Beschränkung eines Geschäftsbetriebes auf reine Bürotätigkeiten sei unzulässig, weil zu eng. Jene Nutzungen, die untersagt worden seien, seien in einem gewidmeten Geschäftsraum zulässig.
Mit dem hier maßgeblichen Berufungsbescheid wurde die Benützung der fraglichen Büroräume zu allen anderen Tätigkeiten als für Bürotätigkeiten eines Geschäftslokales (hier gleichzusetzen mit "Geschäftseinheit") "insbesondere für Abendveranstaltungen, Sprachkurse, Seminare, Nachhilfeveranstaltungen" u. dgl. untersagt. Die Verwendung der Räumlichkeiten für "Bürotätigkeiten einer Geschäftseinheit" ist fraglos zulässig. Zu prüfen ist, ob die ausdrücklich untersagten Tätigkeiten vom bewilligten Verwendungszweck umfasst sind oder nicht. Der Verein hält diese weiteren Tätigkeiten einerseits für zulässig, räumt auch ein, dass in den Räumen Nachhilfeunterricht erteilt wird, bestreitet aber andererseits die weiteren untersagten Tätigkeiten, es handle sich dabei um Vermutungen der Behörden. Letzterem ist zu entgegnen, dass die Behörden aufgrund des Einladungsschreibens zur Eröffnung und der weiteren Wahrnehmungen (Ermittlungsergebnisse) im Zuge des gemeindebehördlichen Verfahrens jedenfalls von einer beabsichtigten derartigen Nutzung ausgehen konnten. Da sie der Verein überdies für zulässig erachtet, ist diese Frage einer Klärung zuzuführen.
Der Inhalt des mit dem Bescheid vom bestimmten Verwendungszweckes der gegenständlichen Räume ist (mangels abweichender gesetzlicher Anordnungen) nach der damaligen Rechtslage, insbesondere nach § 12 Abs. 2 (iVm Abs. 1) TROG 1984, zu beurteilen (vgl. in diesem Sinn - Auslegung nach der Rechtslage zur Zeit der Bewilligung - das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0238, zu Vorarlberg), und nicht, wie dies im Verwaltungsverfahren ansatzweise geschah und wohl auch in der Beschwerde vertreten wird, nach § 38 TROG 2006.
Der rechtmäßige Verwendungszweck ist nach dem Spruch des Bescheides vom "eine Geschäftseinheit, bestehend aus fünf Büroräumen, einem Gang und diversen Nebenräumen".
Der Begriff "Geschäft" oder auch "Geschäftshaus" war im TROG 1984 nicht näher definiert, wurde vielmehr als bekannt vorausgesetzt. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu einer insofern ähnlich gelagerten Problematik (Auslegung des Begriffes "Geschäft" gemäß einer Baubewilligung vom , also auf Grundlage des TROG 2001) in seinem auch in der Beschwerde bezogenen Erkenntnis vom , Zl. 2006/06/0184, dargelegt, auch wenn der Begriff "Geschäft" in anderen Gesetzen (beispielsweise im Mietrechtsgesetz oder im Wohnungseigentumsgesetz 2001) nach zivilgerichtlicher Judikatur weit zu verstehen sei, komme es nicht darauf an, sondern auf die Bedeutung des Begriffes in dem im damaligen Beschwerdefall maßgeblichen bau- und raumordnungsrechtlichen Sinn. Weiters wurde ausgeführt (es ging um die Frage, ob der Verwendungszweck "Geschäft" oder auch "Geschäftslokal" auch die Verwendung als Restaurant oder Cafe umfasse):
"Im allgemeinen Sprachgebrauch sind die Begriffe 'Geschäft' oder auch 'Geschäftslokal' nicht scharf umrissen; ein Restaurant oder Cafe wird darunter eher nicht verstanden. Brockhaus Wahrig, Deutsches Wörterbuch (1981) definiert 'Geschäft' im gegebenen Zusammenhang als 'kaufmännisches oder gewerbliches Unternehmen', auch als 'Laden'. Eine Legaldefinition des Begriffes 'Geschäft' oder 'Geschäftslokal' gibt es in der TBO 2001 oder im TROG 2001 (bzw. 2006) nicht. Der Begriff 'Geschäftsgebäude' kommt zwar in § 38 Abs. 2 TROG 2001 vor, wird aber (offenkundig) als bekannt vorausgesetzt. Aus der Systematik des Gesetzes, insbesondere aus dem Zusammenspiel der §§ 38, 39 und 40 TROG 2001, ergibt sich ein eingeschränkter Inhalt des Begriffes 'Geschäftshaus', dies schon im Unterschied zu einem (in § 38 Abs. 2 TROG 2001 ebenfalls genannten) Gebäude für Gastgewerbebetriebe (zur Beherbergung von Personen), wie auch zu Gebäuden mit unterschiedlichsten Verwendungszwecken (auch unterschiedlichen betrieblichen Verwendungszwecken). Unzutreffend ist daher die schon im Verwaltungsverfahren zum Ausdruck gebrachte Auffassung der Beschwerdeführer, unter dem Begriff 'Geschäft' sei, soweit hier erheblich, jeder beliebige Gewerbebetrieb zu verstehen."
Diese Überlegungen sind auch auf den Beschwerdefall zu übertragen.
Der Begriff "Geschäftseinheit" umfasst im (Begriffs )Kern Räumlichkeiten für erwerbsorientierte Unternehmen, kann aber auch, je nach den Umständen des Falles, die Tätigkeiten einer gemeinnützigen, nicht gewinnorientierten Organisation erfassen. Im Beschwerdefall besteht aber eine nähere Bestimmung des Verwendungszweckes dahin, dass es sich um fünf Büroräume (einer "Geschäftseinheit") handelt (um die Nebenräume geht es hier nicht).
Mag nun in Büroräumlichkeiten einer Geschäftseinheit zulässigerweise auch ein Kundenverkehr stattfinden, gehen die Tätigkeiten, die mit dem Berufungsbescheid untersagt wurden, nämlich "Abendveranstaltungen, Sprachkurse, Seminare, Nachhilfe, Veranstaltungen" u. dgl. über eine Bürotätigkeit, die typischerweise in Geschäftsräumlichkeiten ausgeübt wird, hinaus.
Eine solche weitergehende Verwendung ist, wie die belangte Behörde zutreffend hervorgehoben hat, im Grunde des § 20 Abs. 1 lit. c TBO 2001 bewilligungspflichtig (aus § 20 Abs. 2 und 3 leg. cit. ergibt sich nichts Abweichendes), weil diese Ausdehnung des Verwendungszweckes auf die Zulässigkeit des Gebäudeteiles nach den bau- oder ordnungsrechtlichen Vorschriften von Einfluss sein kann (auf die bloße Möglichkeit kommt es an). Ob eine solche Änderung des Verwendungszweckes bewilligungsfähig ist oder nicht, ist allerdings im gegenständlichen Bauauftragsverfahren nicht zu beurteilen.
Der von der Berufungsbehörde erteilte Unterlassungsauftrag erging daher zu Recht.
Der beschwerdeführende Verein rügt weiters, dass die "Unterinstanzen" die "aufschiebende Wirkung zu Unrecht aberkannt" hätten. Dem ist zu entgegnen, dass dies nur auf den erstinstanzlichen Bescheid zutreffen könnte, mit dem gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen wurde; das gemeindebehördliche Verfahren war aber mit der Zustellung des Berufungsbescheides formell rechtskräftig abgeschlossen, eine zeitlich weitergehende Wirkung hatte dieser erstinstanzliche Ausspruch nicht. Eine allfällige Rechtswidrigkeit dieses Spruchteiles des erstinstanzlichen Bescheides war daher von der Vorstellungsbehörde nicht zu prüfen. Es kann demnach keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides begründen, dass sich die belangte Behörde mit dieser Frage nicht befasst hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Gemeinde war abzuweisen. Begehrt wird die Zuerkennung des Aufwandersatzes; in Betracht käme nach der gegebenen Verfahrenslage nur Schriftsatzaufwand, dieser gebührt aber nicht, weil die Gegenschrift nicht durch einen Rechtsanwalt eingebracht wurde (§ 48 Abs. 3 Z 2 VwGG).
Wien, am
Fundstelle(n):
SAAAE-85309