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VwGH vom 22.08.2019, Ra 2019/21/0133

VwGH vom 22.08.2019, Ra 2019/21/0133

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des I C in G, vertreten durch Dr. Bernhard Kettl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , G312 1405504- 2/15E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005, Rückkehrentscheidung, Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Republik Kosovo, stellte nach seiner Einreise in das Bundesgebiet im November 2006 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Jahr 2009 zurückzog. Er ist nach dem festgestellten Sachverhalt (in zweiter Ehe) mit einer kosovarischen Staatsangehörigen verheiratet und hat drei (2004, 2014 und 2015 geborene) Kinder, jeweils Staatsangehörige der Republik Kosovo; die 2004 geborene Tochter stammt aus der ersten Ehe des Revisionswerbers. Ihm waren nach der Aktenlage wiederholt Aufenthaltstitel, zuletzt eine bis zum gültige "Rot-Weiß-Rot Karte plus", erteilt worden.

2 Der Revisionswerber war mehrfach strafgerichtlich verurteilt worden. Zuletzt hatte das Landesgericht Wels über ihn mit rechtskräftigem Urteil vom (bestätigt mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom ) insbesondere wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels eine zweijährige Freiheitsstrafe verhängt, die bis zum vollzogen wurde.

3 Bereits mit Bescheid vom hatte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ausgesprochen, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Es erließ gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach § 46 FPG in den Kosovo zulässig sei, erließ mit Bezug auf die wiederholte Straffälligkeit des Revisionswerbers gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 3 Z 2 FPG ein auf fünf Jahre befristetes Einreiseverbot, gewährte ihm gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise und erkannte gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab. 4 Mit dem angefochtenen (nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung bereits am ergangenen) Erkenntnis vom wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 In seiner Begründung stellte das BVwG u.a. fest, der Revisionswerber sei "in den Jahren 2008 bis 2016 als Informant bzw. VP für die österreichische Polizei" tätig gewesen und habe als solcher "bei der Aufklärung zahlreicher Straftaten nach dem SMG und dem StGB maßgeblich beigetragen".

Rechtlich führte das BVwG insoweit aus, die "vorgebrachte Tätigkeit als Informant bzw. VP für die österreichische Polizei" sei "im Strafverfahren bekannt" und entsprechend berücksichtigt worden. Insgesamt seien keine konkreten Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Herkunftsstaat Kosovo unzulässig wäre. Derartiges habe er auch in seiner Beschwerde an das BVwG nicht konkret behauptet. 6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , E 720/2019, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

7 Über die in der Folge ausgeführte Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

8 Die Revision ist - wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt - zulässig und auch berechtigt.

Der Revisionswerber verweist zutreffend auf das in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG (mit Bezug auf seine festgestellte Tätigkeit als Informant für die österreichische Polizei) erstattete Vorbringen, auf Grund entsprechender Drohungen damit zu rechnen, sofort getötet zu werden, wenn er wieder in den Kosovo zurückkehren müsste. Er habe nämlich viele (in diesem Staat lebende) Personen kosovarischer und albanischer Nationalität verraten, um damit Drogendelikte zu verhindern bzw. diese aufklären zu können. Vor 17 Monaten sei sein Name in die Zeitung gekommen und auch im Kosovo verbreitet worden.

9 Mit diesem Vorbringen hat der Revisionswerber ausreichend konkret ein Gefährdungspotenzial zum Ausdruck gebracht. Damit hat sich das BVwG aber nicht näher befasst und ist somit in nicht nachvollziehbarer Weise ohne Weiteres zu dem Ergebnis gekommen, es seien keine konkreten Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Herkunftsstaat Kosovo unzulässig wäre. Im Übrigen wäre vor dem Hintergrund des § 51 Abs. 2 FPG zu erörtern gewesen, ob darin die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz zu erblicken sei (vgl. zum Ganzen etwa , Rn. 10, und und 0158, Rn. 11 und 12, jeweils mwN).

10 Anzumerken ist im Übrigen, dass das Verwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren bei Erlassung seines Erkenntnisses regelmäßig von der im Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszugehen hat (vgl. dazu etwa , Rn. 17, und , Rn. 7, jeweils mwN).

Soweit das BVwG im Gegensatz dazu (unter Vernachlässigung der am erfolgten Haftentlassung des Revisionswerbers) vom "unstrittigen" Fehlen einer Haushaltsgemeinschaft mit seinen in Österreich lebenden Angehörigen ausgeht, erweist sich dies somit jedenfalls als verfehlt.

11 Nach dem Gesagten ist das BVwG von der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, was die Zulässigkeit der Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG bewirkt und aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG zur Aufhebung des gesamten Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes führt. 12 Der Kostenzuspruch gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das in dieser Verordnung nicht gedeckte Mehrbegehren war abzuweisen. 13 Von der in der Revision beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4, 5 und 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210133.L00

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