VwGH vom 09.09.2010, 2008/22/0737
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des C, vertreten durch DDr. Hellwig Torggler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 10/5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 150.765/2-III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines philippinischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 und § 11 Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer die Familienzusammenführung mit seiner österreichischen Ehefrau anstrebe. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, dass seine Ehefrau EUR 895,-- (netto monatlich) verdienen und die Miete der Wohnung EUR 360,-- betragen würde. Diese Miete würde mit der Schwester der Ehefrau des Beschwerdeführers geteilt und diese Schwägerin würde auch den Beschwerdeführer finanziell unterstützen.
Der erforderliche Unterhalt für ein im gemeinsamen Haushalt lebendes Ehepaar betrage - so die belangte Behörde - nach dem Richtsatz des § 293 ASVG monatlich EUR 1.120,--. Die Mietbelastung (von EUR 360.-) sei unter Abzug des Werts der freien Station von EUR 239,15 (daher mit EUR 120,85) zu berücksichtigen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers müsste somit monatliche Unterhaltsmittel von insgesamt EUR 1.240,85 aufbringen. Sie verfüge jedoch nur über ein Einkommen von EUR 895,-- und es könne das Einkommen der Schwägerin nicht für die "Unterhaltsberechnung" herangezogen werden. Somit sei der Unterhalt des Beschwerdeführers nicht gedeckt.
Einer Ausländerfamilie stehe nicht das unbedingte Recht auf ein gemeinsames Familienleben in einem Vertragsstaat der EMRK zu. Es bestehe nicht die grundsätzliche Verpflichtung zur Herstellung des Familienlebens und es habe jeder Vertragsstaat das Recht, die Einreise von Fremden einer Kontrolle zu unterwerfen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 11 Abs. 2 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn (u.a.) der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte (Z 4).
§ 11 Abs. 5 NAG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 157/2005 lautet:
"Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen."
Der belangten Behörde ist Recht zu geben, dass sie den Unterhaltsbedarf des Beschwerdeführers an Hand des Richtsatzes des § 293 ASVG geprüft hat. Ihr ist jedoch insofern ein Rechtsirrtum unterlaufen, als sie zum erforderlichen Einkommen die Mietbelastung - wenn auch gekürzt durch den "Wert der freien Station" - hinzugerechnet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0711, Pkt. 5.4.). Ein weiterer Rechtsirrtum liegt darin, dass sie vom monatlichen Nettoeinkommen der Ehefrau des Beschwerdeführers ausgegangen ist, dabei aber die Sonderzahlungen des 13. und 14. Monatsgehalts nicht berücksichtigt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0835).
Entgegen der Beschwerdemeinung ist das Einkommen der Schwägerin des Beschwerdeführers nicht zu berücksichtigen, hat dieser doch gegenüber seiner Schwägerin keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch. Gemäß § 11 Abs. 6 NAG muss die Zulässigkeit, den Nachweis des Einkommens mit einer Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15 NAG) erbringen zu können, ausdrücklich beim jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein. Dies ist bei dem hier in Betracht kommenden Aufenthaltstitel nach § 47 Abs. 2 NAG nicht der Fall (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0111).
Dennoch ist der oben aufgezeigte Rechtsirrtum relevant. Wird nämlich das monatliche Nettoeinkommen von EUR 895,-- auf eine 14- malige Auszahlung umgelegt, ergibt sich (selbst ohne Berücksichtigung des ermäßigten Steuersatzes) ein monatliches Nettoeinkommen von gerundet EUR 1.044,--.
Damit kommt auch dem Verfahrensfehler Relevanz zu, der darin liegt, dass die belangte Behörde keine Feststellungen zu dem bereits im Verwaltungsverfahren behaupteten Sparguthaben über EUR 2.500,-- getroffen hat (vgl. auch dazu das zit. Erkenntnis 2008/22/0835). Wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, ist der hier erstmals auszustellende Aufenthaltstitel auf die Dauer eines Jahres zu erteilen (§ 20 Abs. 1 NAG in der Stammfassung), weshalb zusätzliche Geldmittel aus dem Sparguthaben von monatlich gerundet EUR 208,-- zur Verfügung stehen. Insgesamt ergibt sich daher ein Betrag von ca. EUR 1.252,-, der als Familieneinkommen verfügbar ist und über dem Richtsatz des § 293 ASVG liegt.
Nach dem Gesagten ist der angefochtene Bescheid sowohl mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit als auch mit einem relevanten Verfahrensmangel belastet, weshalb der angefochtene Bescheid wegen der vorrangig wahrzunehmenden inhaltlichen Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
XAAAE-85274