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VwGH vom 09.09.2010, 2008/22/0734

VwGH vom 09.09.2010, 2008/22/0734

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der M, vormals vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marxergasse 21, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 318.170/2- III/4/08, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer serbischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß den §§ 19, 21 Abs. 1, 21 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin am mit einem ab diesem Tag bis zum gültigen Visum C nach Österreich gereist sei. Sie habe am einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und am selben Tag per Post den gegenständlichen Antrag abgeschickt, der am bei der erstinstanzlichen Behörde eingegangen sei.

Gemäß § 19 Abs. 1 NAG seien Anträge persönlich bei der Behörde zu stellen, weshalb der vorliegende Antrag schon deswegen "rechtswidrig" sei. Dieser Mangel sei nicht verbesserungsfähig.

Überdies seien gemäß § 21 Abs. 1 NAG Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen und es sei die Entscheidung im Ausland abzuwarten. Der Antrag sei nach Ablauf des Visums bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangt und somit nicht während eines rechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Österreich gestellt worden. Da diese sich auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag nicht rechtmäßig im Inland aufhalte, stehe § 21 Abs. 1 NAG einer Bewilligung des gegenständlichen Antrages entgegen.

Als besonders berücksichtigungswürdige Gründe habe die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung angegeben, dass ein Rechtsanspruch auf Wahrung des Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK bestehe. Die Tatsache allein, dass sie mit einem Österreicher verheiratet sei, vermöge noch keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Sinn des § 72 NAG darzustellen. Es könne daher nicht vom Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Gründe ausgegangen werden.

Soweit die Beschwerdeführerin eine Inländerdiskriminierung angesprochen habe, sei ihr zu erwidern, dass die unterschiedliche Behandlung von Familienangehörigen von Österreichern ohne Freizügigkeitssachverhalt und Angehörigen mit Freizügigkeitssachverhalt sachlich gerechtfertigt und damit nicht gleichheitswidrig sei. Die Beschwerdeführerin erfülle nicht die in der Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG festgelegten Voraussetzungen. Sie habe nicht dargetan, dass ihr Ehemann das Recht auf die gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit in Anspruch genommen habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 21 Abs. 1 NAG sind Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten.

§ 21 Abs. 2 leg. cit. normiert abweichend von Abs. 1 eine Berechtigung zur Antragstellung im Inland u.a. für Familienangehörige von Österreichern, EWR-Bürgern und Schweizer Bürgern, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt, nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthaltes (Z 1).

§ 21 Abs. 4 NAG (in der Stammfassung) hält fest, dass eine Inlandsantragstellung u.a. nach Abs. 2 Z 1 kein über den erlaubten sichtvermerksfreien Aufenthalt hinausgehendes Bleiberecht schafft.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sie sich seit ihrer Einreise mit einem Visum C in Österreich aufhält. Sie hätte jedoch nach Ablauf ihres Visums die Entscheidung über den gegenständlichen Antrag im Ausland abwarten müssen. Nur eine (fortdauernde) Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts hätte es zugelassen, bis zur Entscheidung über den gegenständlichen Antrag im Inland zu bleiben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0291). Da die in § 21 Abs. 1 NAG normierte Auslandsantragstellung einschließlich des Abwartens der Entscheidung im Ausland eine Erfolgsvoraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels bildet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2009/22/0022), durfte die belangte Behörde diese Bestimmung zur Abweisung des Antrages heranziehen.

Soweit die Beschwerdeführerin meint, einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug zu ihrem österreichischen Ehemann zu haben, übergeht sie die dabei einzuhaltenden gesetzlichen Bestimmungen, zu denen auch § 21 NAG gehört. Ihrem auf eine Inländerdiskriminierung abstellenden Vorbringen ist zu entgegnen, dass der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , G 244/09 u.a., gleichheitsrechtlichen Bedenken in Bezug auf § 57 NAG nicht gefolgt ist. In keiner Weise wird behauptet, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin das ihm zustehende gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeitsrecht in Anspruch genommen habe.

Das Recht, die Entscheidung über den Antrag im Inland abzuwarten, kommt daher im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG (in der Stammfassung) in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG (ebenfalls in der Stammfassung) vor, ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei die Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. auch dazu für viele das zit. Erkenntnis 2009/22/0022).

Bei der nach Art. 8 EMRK geforderten Verhältnismäßigkeitsprüfung unterlag die belangte Behörde insofern einem Rechtsirrtum, als sie meinte, dass die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Sinn des § 72 NAG darstelle. Gerade im Gegenteil folgt aus einer solchen Ehe ein beträchtliches Interesse an einem inländischen Aufenthalt.

Andererseits kommt der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften aus dem Gesichtspunkt der Wahrung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Das daraus erfließende öffentliche Interesse hat die Beschwerdeführerin durch ihren unrechtmäßigen Verbleib im Inland verletzt. Da sie sich zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides erst ca. ein halbes Jahr in Österreich aufgehalten hat, durfte die belangte Behörde zum Ergebnis gelangen, dass kein besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Sinn des § 72 NAG einer Abweisung des Antrages unter Anwendung des § 21 Abs. 1 NAG entgegenstehe.

Die Beschwerde meint, dass ein drohender Existenzverlust und eine gesundheitliche Gefährdung der Beschwerdeführerin für den Fall der Trennung von ihrem Ehemann nicht angesprochen, sondern mit Stillschweigen übergangen worden seien. Von solchen Umständen ist jedoch in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid keine Rede und es wird auch in der Beschwerde nicht behauptet, dass ein entsprechendes Vorbringen bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren erstattet worden wäre. Somit ist darauf im Blick auf das verwaltungsgerichtliche Neuerungsverbot nicht weiter Bedacht zu nehmen.

Weiters ist entgegen der Beschwerdeansicht nicht ersichtlich, inwieweit die belangte Behörde das Parteiengehör der Beschwerdeführerin verletzt habe, indem sie ihr verwehrt hätte, ein entsprechendes Vorbringen in der Berufung oder in einem nachfolgenden Schriftsatz zu erstatten.

Nach dem Gesagten erweist sich die Abweisung des vorliegenden Antrags unter Berufung auf § 21 Abs. 1 NAG nicht als rechtswidrig, weshalb es nicht schadet, dass die belangte Behörde rechtsirrig die Antragstellung per Post als nicht verbesserungsfähig nach § 19 Abs. 1 NAG wertete (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/22/0073).

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht - im begehrten Ausmaß - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am

Fundstelle(n):
OAAAE-85264