VwGH vom 28.10.2010, 2006/15/0224
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des N in G, vertreten durch Mag. Gerhard Rein, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 8190 Birkfeld, Oberer Markt 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0052-G/06, betreffend Nichtfestsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2003 sowie die Zeiträume Februar bis Dezember 2004, Jänner bis Juni 2005 und Juli bis September 2005, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau erwarben von den Eltern des Beschwerdeführers mit Übergabevertrag vom Dezember 1999 landwirtschaftlich genutzte Liegenschaften und räumten der Mutter des Beschwerdeführers bis zum Zeitpunkt ihrer Pensionierung das alleinige, höchstpersönliche, unentgeltliche und uneingeschränkte Fruchtgenussrecht gemäß §§ 509 ff ABGB an den Liegenschaften ein (Vorbehaltsfruchtgenuss). Vom Fruchtgenussrecht ausgenommen waren nur die vom Beschwerdeführer, seiner Ehefrau und den Eltern des Beschwerdeführers bewohnten Räume in einem auf den Liegenschaften befindlichen Haus.
Im November 2004 reichte der Beschwerdeführer beim Finanzamt eine Umsatzsteuererklärung für 2003 und Umsatzsteuervoranmeldungen für die Folgezeiträume ein, aus denen sich Vorsteuerüberhänge ergaben. Im Juli 2005 wurde dem Finanzamt zudem ein Mietvertrag vorgelegt, der im Dezember 2004 zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Mutter abgeschlossen worden war. Gegenstand des Mietvertrages "ist der im Laufe der Jahre 2003 und 2004 errichtete Stallneubau, die Güllegrube und der Umbau des Abferkelstalles".
Anlässlich einer in weiterer Folge durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er und seine Ehefrau die Eigentümer der landwirtschaftlich genutzten Liegenschaften seien, die Landwirtschaft jedoch von seiner Mutter betrieben werde, die für eine Pension noch zu jung sei. Alle Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit der Landwirtschaft fielen der Mutter zu. Der Beschwerdeführer erhalte nur die Miete für "das landwirtschaftl. Objekt". In den Jahren 2003 und 2004 sei ein bestehendes Stallgebäude saniert und ein neues errichtet worden. Außerdem sei in diesem Zeitraum eine Güllegrube errichtet bzw. saniert worden.
Vom Prüfer wurde in Bezug auf die erklärten Mieteinkünfte die Auffassung vertreten, dass in wirtschaftlicher Betrachtung kein Mietverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Mutter vorliege, weil der Mutter während der Dauer des im Übergabevertrag vereinbarten Fruchtgenussrechtes "die Einnahmen und Ausgaben aus der Nutzung des Stalles" zuzurechnen seien.
Das Finanzamt schloss sich der Auffassung des Prüfers an und erließ Nichtfestsetzungsbescheide hinsichtlich der Umsatzsteuer für das Jahr 2003 sowie für die Zeiträume Februar bis Dezember 2004, Jänner bis Juni 2005 und Juli bis September 2005.
Der Beschwerdeführer berief gegen die angeführten Bescheide und brachte vor, er habe ein Stallgebäude errichtet und dieses an seine Mutter vermietet. Darüber sei ein Mietvertrag abgeschlossen worden, den der Prüfer weder in Bezug auf die Miethöhe noch aufgrund jener Kriterien, die Verträge zwischen nahen Angehörigen erfüllen müssten, beanstandet habe.
Der vermietete Stall habe bei Begründung des Fruchtgenussrechts nicht zum Bestand der übertragenen Liegenschaften gehört und könne daher nicht Bestandteil des Übergabevertrages und des zurückbehaltenen Fruchtgenussrechts sein. Der Mutter sei das Fruchtgenussrecht iSd §§ 509 ff ABGB eingeräumt worden. Gemäß § 513 ABGB habe der Fruchtgenussberechtigte zur Erhaltung der dienstbaren Sache die erforderlichen Ausbesserungen, Ergänzungen und Herstellungen zu besorgen und als bloßer Rechtsbesitzer die Substanz zu schonen. Die §§ 514 bis 516 ABGB würden Bauführungen regeln, die über die gewöhnlichen Erhaltungsmaßnahmen hinausgingen. Das Gesetz stelle jedem der beiden Teile die Bauführung frei, verpflichte aber keinen dazu und schaffe den wirtschaftlichen Ausgleich durch die Gewährung von Ersatzansprüchen. Der Beschwerdeführer habe eine Bauführung im Sinne des § 516 ABGB getätigt. Mit dem abgeschlossenen Mietvertrag würden ihm die dabei angefallenen Aufwendungen vergütet und die Bestimmung des § 516 ABGB umgesetzt.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab und führte begründend aus, dass sich aus § 516 ABGB nur ergebe, dass der Eigentümer dem Fruchtgenussberechtigten eine Entschädigung dafür zu gewähren habe, dass er bauen dürfe. Die Verpflichtung des Fruchtgenussberechtigten zu Mietzahlungen an den Eigentümer sei daraus nicht ableitbar. Der Fruchtgenussberechtigte dürfe ein vom Eigentümer auf eigene Initiative erbautes Objekt ohnehin nutzen. Freiwillige Mietzahlungen zwischen nahen Angehörigen könnten aber eine unternehmerische Tätigkeit nicht begründen.
Der Beschwerdeführer beantragte die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte ergänzend vor, der Mutter stünden für die Errichtung eines Stallgebäudes alle in Frage kommenden Finanzierungsvarianten (Errichtung im eigenen Namen mit und ohne Kredit, Leasing/Miete, etc.) offen. Die Mutter habe sich dafür entschieden, das Stallgebäude nicht im eigenen Namen zu errichten, sondern einen Mietvertrag einzugehen. Wäre dieser Mietvertrag mit einer Leasinggesellschaft abgeschlossen worden, würde über den Vorsteuerabzug der Leasinggesellschaft nicht diskutiert werden. Daher sollte auch der Vorsteuerabzug beim Beschwerdeführer außer Diskussion stehen.
Dass ein Gebäude, das der Eigentümer auf eigene Initiative auf einem mit einem Fruchtgenussrecht belastetem Grundstück errichtet habe, vom Fruchtgenussberechtigten im Rahmen seines Fruchtgenusses genutzt werden könne, sei richtig. Der in Rede stehende Stall sei aber auf Initiative der Mutter, der Betriebsführerin der Landwirtschaft, errichtet worden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.
Bei der Errichtung des neuen Stallgebäudes (der Güllegrube) handle es sich um Bauführungen im Sinne des § 516 ABGB, die der Beschwerdeführer nicht gegen den Willen der Mutter, sondern auf deren Initiative durchgeführt habe.
Der Abschluss eines Mietvertrages hinsichtlich des neuen Stallgebäudes (der Güllegrube) sei aber entbehrlich, weil der Mutter bereits im Übergabevertrag vom Dezember 1999 das unentgeltliche und uneingeschränkte Recht auf Nutzung des landwirtschaftlichen Betriebes eingeräumt worden sei. Ein Recht, das auch die Nutzung der in Rede stehenden nicht notwendigen Bauführungen umfasse.
Dass der Eigentümer nicht verpflichtet sei, nicht notwendige Bauführungen für den Fruchtgenussberechtigten vorzunehmen, treffe zu. Dies ändere aber nichts daran, dass bei Bestehen eines unentgeltlichen Nutzungsrechtes für ein Mietverhältnis auch dann kein Platz bleibe, "wenn der Eigentümer 'ohne rechtliche Verpflichtung' nicht notwendige, vom Fruchtnießer genutzte Bauausführungen getätigt hat (vgl. auch Rummel in Rummel 2, Rz 1 zu § 516 ABGB, wonach bei einer vom Eigentümer neu errichteten Anlage die Nutzung dem Fruchtgenussberechtigten zukommt)".
Auf wessen Initiative die Bauführung auf dem mit dem Fruchtgenussrecht belasteten Grundstück erfolgt sei, sei für die Lösung der vorliegenden Streitfrage ebenso wenig von Relevanz wie die - rein hypothetischen - Sachverhaltsannahmen bezüglich der möglichen Finanzierungsvarianten. Der Stall sei eben nicht von einer Leasinggesellschaft errichtet worden, sondern vom Beschwerdeführer zur - mit Vertrag vom Dezember 1999 vereinbarten -
unentgeltlichen Nutzung durch die Mutter.
Der Beschwerdeführer habe während der Dauer des seiner Mutter eingeräumten Nutzungsrechtes keine Möglichkeit, aus dem landwirtschaftlichen Betrieb, zu dem auch die in Rede stehenden Bauführungen zählten, Einkünfte zu erwirtschaften. Aus der Vermietung des Stallgebäudes könnten ihm aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen weder Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes zugerechnet werden, noch komme ihm diesbezüglich Unternehmereigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG 1994 zu.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 509 ABGB ist die Fruchtnießung das Recht, eine fremde Sache, mit Schonung der Substanz, ohne alle Einschränkung zu genießen.
Gemäß § 511 ABGB hat der Fruchtnießer ein Recht auf den vollen, sowohl gewöhnlichen als ungewöhnlichen Ertrag; ihm gehört daher auch die mit Beobachtung der bestehenden Bergwerksordnung erhaltene reine Ausbeute von Bergwerksanteilen und das forstmäßig geschlagene Holz.
Mangels einer abweichenden Vereinbarung fallen die Erträgnisse neuer Anlagen, die mit Zustimmung des Eigentümers auf der dienenden Liegenschaft (von wem immer) errichtet wurden, dem Fruchtnießer zu (vgl. z.B. die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom , 8 Ob 164/66, und vom , 7 Ob 513/85).
Die Beschwerde trägt vor, der neu errichtete Stall sei nicht Gegenstand des Übergabevertrages gewesen und könne nicht Bestandteil des zurückbehaltenen Fruchtgenussrechts gewesen sein. Die belangte Behörde vermeine, dass kein Platz für einen Mietvertrag verbleibe, wenn der Eigentümer ohne rechtliche Verpflichtung nicht notwendige, vom Fruchtnießer genutzte Bauführungen tätige, und verweise in diesem Zusammenhang auf den Kommentar Rummel in Rummel2 , Rz 1 zu § 516 ABGB, in dem auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , 7 Ob 513/85, verwiesen werde. Laut dieser Entscheidung sei eine neu errichtete Anlage im Zweifel vom Fruchtgenussrecht, wobei im Zweifel nur so interpretiert werden könne, dass eine davon abweichende Parteienvereinbarung anzuerkennen sei.
Dem Beschwerdevorbringen kommt Berechtigung zu.
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, dass ein einmal eingeräumtes Furchtgenussrecht jedenfalls die auf der dienenden Liegenschaft errichteten neuen Anlagen mitumfasst und hat damit die Rechtslage verkannt. Tatsächlich trifft dies nur im Zweifel zu, also insbesondere dann nicht, wenn eine abweichende Vereinbarung zwischen dem Eigentümer und dem Fruchtgenussberechtigten getroffen wurde.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde die behauptete Vereinbarung eines Mietverhältnisses zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Mutter an Hand der für Verträge zwischen nahen Angehörigen aufgestellten Kriterien zu messen haben. Dabei wird insbesondere zu berücksichtigen sein, dass der vorliegende Mietvertrag auch Anlagen zum Gegenstand hat, die zum Zeitpunkt der Einräumung des Fruchtgenussrechts bereits bestanden haben. Zudem wird - wiederum an Hand der für Verträge zwischen nahen Angehörigen aufgestellten Kriterien - abzuklären sein, aufgrund welcher Vereinbarungen die gegenständlichen Anlagen nur vom Beschwerdeführer errichtet oder saniert und vermietet wurden, obwohl laut vorliegendem Übergabevertrag der Beschwerdeführer und seine Ehefrau die Eigentümer der landwirtschaftlich genutzten Liegenschaften sind.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am