VwGH 08.09.2014, 2011/06/0185
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | BauG Stmk 1995 §26 Abs1; BauG Stmk 1995 §26 Abs4; BauG Stmk 1995 §41 Abs6; |
RS 1 | Gemäß § 41 Abs. 6 Stmk BauG 1995 steht den Nachbarn ein Recht auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zu, wenn die Bauarbeiten, die baulichen Anlagen oder sonstigen Maßnahmen im Sinne der Abs. 1, 3 und 4 ihre Rechte (§ 26 Abs. 1) verletzen. Es kommt dabei auf eine tatsächliche Verletzung von Nachbarrechten gemäß § 26 Abs. 1 Stmk BauG 1995 an. Für eine zulässige Antragstellung genügt es, dass die behauptete Rechtsverletzung in einem in § 26 Abs. 1 Stmk BauG 1995 statuierten Nachbarrecht möglich ist. Im Antrag sind die als verletzt erachteten Rechte gemäß § 26 Abs. 1 Stmk BauG 1995 darzulegen. Dieses Vorbringen in Bezug auf die in Frage stehende Rechtsverletzung steckt in diesem Zusammenhang den diesbezüglichen Prüfungsumfang ab. Die Baubehörde hat nicht von sich aus sämtliche in Frage kommenden subjektiven Rechte des Nachbarn, die verletzt sein könnten, in diesem Verfahren zu überprüfen (Hinweis E vom , 2009/06/0098, mwN). |
Normen | BauG Stmk 1995 §26 Abs1; BauG Stmk 1995 §33 Abs6; BauG Stmk 1995 §41 Abs1; BauG Stmk 1995 §41 Abs3; BauG Stmk 1995 §41 Abs4; BauG Stmk 1995 §41 Abs6; |
RS 2 | Für die Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages nach § 41 Abs. 6 Stmk BauG 1995 sind zwei Kriterien von Bedeutung, nämlich dass Bauarbeiten, eine bauliche Anlage oder sonstige Maßnahmen im Sinne der Abs. 1, 3 und 4 vorliegen und dass dadurch die Rechte des Nachbarn gemäß § 26 Abs. 1 Stmk BauG 1995 verletzt werden. Unter einer baulichen Anlage im Sinne des Abs. 3 ist eine vorschriftswidrige bauliche Anlage zu verstehen, was im Zusammenhalt mit Abs. 1 dieser Bestimmung dahin auszulegen ist, dass diese bauliche Anlage im Falle eines bewilligungspflichtigen Vorhabens ohne Bewilligung oder im Falle eines anzeigepflichtigen Vorhabens ohne Genehmigung im Sinne des § 33 Abs. 6 oder als baubewilligungsfreies Vorhaben nicht im Sinne des Stmk BauG 1995 ausgeführt wurde. Die antragsgemäße Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages gemäß § 41 Abs. 6 Stmk BauG 1995 kommt nur in Betracht, wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2009/06/0098 E RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde 1. der A und 2. des B, beide in Graz-Wetzelsdorf, beide vertreten durch Mag. Wolfgang Paar, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 29/II, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. A 17-040187/2008/0014, betreffend einen Bauauftrag (mitbeteiligte Partei: C in G, vertreten durch Dr. Gerhard Hackenberger und Mag. Jürgen Greilberger, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 27/DG; weitere Partei:
Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 42 Abs. 3a VwGG dahin abgeändert, dass der Antrag der mitbeteiligten Partei vom auf "Überprüfung, ob das ursprüngliche Gebäude konsensgemäß errichtet wurde und dem Steiermärkischen Baugesetz entspricht (insbesondere, ob der Grenzabstand eingehalten wurde)" abgewiesen wird.
Die Landeshauptstadt Graz hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Mitbeteiligte als Eigentümer des Grundstückes Nr. 137 der Liegenschaft EZ. 1111, GB 63128 W (N-weg 41), ist Nachbar der den Beschwerdeführern gehörenden Liegenschaft EZ. 1143, GB 63128 W, bestehend aus den Grundstücken Nr. 138/2 und .746 (N-weg 45).
Mit Schreiben vom stellte der (anwaltlich vertretene) Mitbeteiligte beim Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz hinsichtlich des Gebäudes der Beschwerdeführer den Antrag (soweit für das verfahrensgegenständliche Verfahren von Bedeutung), die Baupolizei möge
"2. überprüfen, ob das ursprüngliche Gebäude konsensgemäß errichtet wurde und dem Steiermärkischen Baugesetz entspricht (insbesondere ob der Grenzabstand eingehalten wurde)."
Dazu brachte der Mitbeteiligte vor, die Beschwerdeführer hätten auf ihrer Liegenschaft an der nordöstlichen Ecke ihres Wohnhauses entlang der Grundgrenze konsenslos einen geschlossenen Zubau errichtet. "Mangels konsensgemäßer Errichtung, der Grenzabstand zur Liegenschaft meiner Mandantschaft wurde nicht eingehalten, wurde hiedurch in das subjektive öffentliche Nachbarrecht eingegriffen." Mit Schreiben vom seien die Beschwerdeführer aufgefordert worden, das konsenslos errichtete Gebäude zu beseitigen, was jedoch nicht erfolgt sei.
Mit Schreiben vom stellte der Mitbeteiligte einen Devolutionsantrag nach § 73 Abs. 2 AVG an die Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz und mit Schreiben vom einen Devolutionsantrag an die belangte Behörde.
Der Mitbeteiligte brachte in weiterer Folge beim Verwaltungsgerichtshof die zu Zl. 2010/06/0269 protokollierte Säumnisbeschwerde vom ein. Infolge Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides durch die belangte Behörde wurde das Verfahren über die Säumnisbeschwerde mit hg. Beschluss vom eingestellt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde (soweit beschwerderelevant) den Beschwerdeführern "in Stattgebung des Antrages" des Mitbeteiligten der baupolizeiliche Auftrag erteilt, das ursprüngliche Gebäude an der Nordostecke so umzubauen, dass der konsensgemäße Grenzabstand von 3,00 m zum Nachbargrundstück Nr. 137, KG W, eingehalten und so der konsenswidrige Zustand des verringerten Grundabstandes von 2,70 m beseitigt werde. Als Erfüllungsfrist wurden sechs Monate ab Rechtskraft des Bescheides festgelegt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift - wie die mitbeteiligte Partei - die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Die Beschwerdeführer replizierten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
§ 41 Steiermärkisches Baugesetz 1995 (Stmk BauG 1995) idF
LGBl. Nr. 78/2003 lautet:
"Baueinstellung und Beseitigungsauftrag
§ 41. (1) Die Behörde hat die Baueinstellung zu verfügen, wenn Vorhaben gegen Bestimmungen dieses Gesetzes verstoßen, insbesondere wenn
bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung,
anzeigepflichtige Vorhaben ohne Genehmigung im Sinne des § 33 Abs. 6 oder
3. baubewilligungsfreie Vorhaben nicht im Sinne dieses Gesetzes ausgeführt werden.
(2) Werden unzulässige Bauarbeiten trotz verfügter Baueinstellung fortgesetzt, kann die Baubehörde die Baustelle versiegeln oder absperren und die auf der Baustelle vorhandenen Baustoffe, Bauteile, Geräte, Maschinen und Bauhilfsmittel in amtlichen Gewahrsam bringen.
(3) Die Behörde hat hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen.
(4) Die Behörde hat die Unterlassung der vorschriftswidrigen Nutzung aufzutragen, wenn eine bewilligungspflichtige Änderung des Verwendungszweckes von baulichen Anlagen oder Teilen derselben ohne Bewilligung vorgenommen wurde; Abs. 3 zweiter Satz gilt sinngemäß.
(5) Berufungen gegen Bescheide nach Abs. 1 und 4 haben keine aufschiebende Wirkung.
(6) Den Nachbarn steht das Recht auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zu, wenn die Bauarbeiten, die baulichen Anlagen oder sonstigen Maßnahmen im Sinne der Abs. 1, 3 und 4 ihre Rechte (§ 26 Abs. 1) verletzen."
Im § 26 Abs. 1 und Abs. 4 Stmk BauG 1995 sind die den Nachbarn in einem baurechtlichen Bewilligungsverfahren zustehenden Einwendungen, die sie, gestützt auf bestimmte Bauvorschriften, die auch ihrem Interesse dienen, erheben können, taxativ angeführt. Nachbarn können sich dabei insbesondere gemäß Z. 2 dieser Bestimmung auf die Abstandsregelung (§ 13) berufen.
Das verfahrensgegenständliche baupolizeiliche Verfahren wurde auf Antrag des Mitbeteiligten als Nachbar gemäß § 41 Abs. 6 Stmk BauG 1995 eingeleitet. Nach dieser Bestimmung steht den Nachbarn ein Recht auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zu, wenn die Bauarbeiten, die baulichen Anlagen oder sonstigen Maßnahmen im Sinne der Abs. 1, 3 und 4 ihre Rechte (§ 26 Abs. 1) verletzen. Es kommt dabei auf eine tatsächliche Verletzung von Nachbarrechten gemäß § 26 Abs. 1 Stmk BauG 1995 an. Für eine zulässige Antragstellung genügt es, dass die behauptete Rechtsverletzung in einem in § 26 Abs. 1 Stmk BauG 1995 statuierten Nachbarrecht möglich ist. Im Antrag sind die als verletzt erachteten Rechte gemäß § 26 Abs. 1 Stmk BauG 1995 darzulegen. Dieses Vorbringen in Bezug auf die in Frage stehende Rechtsverletzung steckt in diesem Zusammenhang den diesbezüglichen Prüfungsumfang ab. Die Baubehörde hat nicht von sich aus sämtliche in Frage kommenden subjektiven Rechte des Nachbarn, die verletzt sein könnten, in diesem Verfahren zu überprüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/06/0098, mwN).
Nach § 41 Abs. 6 Stmk BauG 1995 sind zwei Kriterien von Bedeutung, nämlich dass Bauarbeiten, eine bauliche Anlage oder sonstige Maßnahmen im Sinne der Abs. 1, 3 und 4 vorliegen und dass dadurch die Rechte des Nachbarn gemäß § 26 Abs. 1 leg. cit. verletzt werden. Unter einer baulichen Anlage im Sinne des Abs. 3 ist eine vorschriftswidrige bauliche Anlage zu verstehen, was im Zusammenhalt mit Abs. 1 dieser Bestimmung dahin auszulegen ist, dass diese bauliche Anlage im Falle eines bewilligungspflichtigen Vorhabens ohne Bewilligung oder im Falle eines anzeigepflichtigen Vorhabens ohne Genehmigung im Sinne des § 33 Abs. 6 leg. cit. oder als baubewilligungsfreies Vorhaben nicht im Sinne des Stmk BauG 1995 ausgeführt wurde. Die antragsgemäße Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages gemäß § 41 Abs. 6 Stmk BauG 1995 kommt nur in Betracht, wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. auch dazu das angeführte Erkenntnis vom ).
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zum einen eine Verletzung des Mitbeteiligten in seinen subjektivöffentlichen Rechten im Sinne des § 26 Abs. 1 Stmk BauG 1995 hinsichtlich des Zubaues verneint (dieser Spruchteil ist nicht beschwerderelevant), hingegen eine Verletzung der Abstandsbestimmungen hinsichtlich des ursprünglichen Gebäudes bejaht und insoweit einen baupolizeilichen Auftrag erlassen. Der belangten Behörde kann allerdings nicht gefolgt werden, wenn sie durch Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages in Bezug auf das ursprüngliche Gebäude jedenfalls implizit bejaht, dass insoweit im Antrag vom die Behauptung einer Verletzung des Mitbeteiligten in einem subjektiv-öffentlichen Recht geltend gemacht wurde, bezog sich doch das Vorbringen einer Rechtsverletzung zu dem oben wiedergegebenen Wortlaut des Antrages ausschließlich auf den behauptetermaßen konsenslosen und den Grenzabstand verletzenden Zubau. Mangels Geltendmachung einer Rechtsverletzung durch das ursprünglich errichtete Gebäude kam daher die antragsgemäße Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages gemäß § 41 Abs. 6 Stmk BauG 1995 nicht in Betracht. Die belangte Behörde wäre daher verhalten gewesen, Punkt 2. des Antrages des Mitbeteiligten vom abzuweisen, was sie aber in Verkennung der Rechtslage unterlassen hat. Bemerkt wird, dass die belangte Behörde für die erstinstanzliche Erlassung eines amtswegigen Antrages nicht zuständig war.
Der angefochtene Bescheid war daher in diesem Sinn gemäß § 42 Abs. 3a VwGG abzuändern.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG weiter anzuwendenden §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014). Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | BauG Stmk 1995 §26 Abs1; BauG Stmk 1995 §26 Abs4; BauG Stmk 1995 §33 Abs6; BauG Stmk 1995 §41 Abs1; BauG Stmk 1995 §41 Abs3; BauG Stmk 1995 §41 Abs4; BauG Stmk 1995 §41 Abs6; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2014:2011060185.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAE-85232