VwGH vom 29.06.2016, 2013/15/0240
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Dr. Köller, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Beschwerde der OÖ. G GmbH in L, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs-und Steuerberatungsgesellschaft in 4020 Linz, Kudlichstrasse 41, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/0403- L/13, betreffend Erdgasabgabe 2011, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Im Zuge einer Außenprüfung wurde festgestellt, dass die beschwerdeführende GmbH, ein Gasversorgungsunternehmen, ab dem Jahr 2010 keine Erdgasabgabe auf die an ihre Kunden verrechneten Mengen an Biogas zum Ansatz gebracht hatte. Sie habe dies damit begründet, dass Biogas der Unterposition 2711 29 00 der Kombinierten Nomenklatur (im Folgenden KN) zuzuordnen und gemäß § 2 Erdgasabgabegesetz nur Erdgas der Unterposition 2711 21 00 der KN Steuergegenstand der Erdgasabgabe sei. Demgegenüber vertrat der Prüfer die Ansicht, dass das den Kunden tatsächlich gelieferte Gas als Erdgas der Unterposition 2711 21 00 einzustufen sei, weil der darin enthaltene Anteil an Biogas minimal sei. Zwar könnten die Kunden der beschwerdeführenden GmbH den gewünschten Biogasanteil (von 5%, 30% oder 60%) je nach Tarifmodell wählen, doch entspreche der dem Kunden laut Vereinbarung verrechnete Biogasanteil nicht dem tatsächlichen Liefergegenstand, weil - wie näher dargestellt - der in das Leitungsnetz eingespeiste Biogasanteil nur ca. 0,5% betrage.
2 Das Finanzamt schloss sich der Ansicht des Prüfers an und erließ einen Bescheid, mit dem die Erdgasabgabe für das Jahr 2011 festgesetzt und ein Betrag von 1.038,62 EUR zur Nachzahlung vorgeschrieben wurde.
3 In ihrer dagegen erhobenen Berufung verwies die beschwerdeführende GmbH auf den Umstand, dass das in das Erdgasnetz eingespeiste Erdgas "bilanziell bzw. rechnerisch an den Ort der Verwendung (Verbrauchsanlage) transportiert" werde. Zwar erfolge kein technischer Transport, weil bei Vermischung der physikalisch ähnlichen Stoffe das Gasgemisch letztlich nicht mehr in seine ursprünglichen physikalischen Bestandteile getrennt werden könne, doch werde die Menge des Steuergegenstandes Erdgas durch Vermischung mit dem "Nicht-Steuergegenstand" Biogas weder erhöht noch vermindert. Die eindeutige bilanzielle Zuordnung der physikalisch vermengten Biogasmengen werde vom neuen Gaswirtschaftsgesetz 2011 vorgeschrieben. Damit sei sichergestellt, dass für eine aus dem Erdgasnetz entnommene Gasmenge am Ende des Kalenderjahres an anderer Stelle eine vergleichbare Menge an Biogas in das Erdgasnetz eingespeist werde. Das entsprechende Register sei analog zur Stromnachweisdatenbank geschaffen worden. Das Register stelle für jeden registrierten Marktteilnehmer Nachweise über Qualität und Herkunft des von ihm in das Erdgasnetz eingespeisten Biomethans aus. Diese Herkunftsnachweise würden auch vom Land Oberösterreich als Nachweis zur Erlangung von Förderungen anerkannt. Somit spiele es keine Rolle, dass das Biogas nach der Einspeisung und Vermischung mit Erdgas technisch nicht mehr vom Erdgas zu trennen sei. Auch in Deutschland werde die Energiesteuer seit dem Jahr 2008 für das in ein Erdgasnetz eingespeiste Biogas nach § 50d EnergieStG rückvergütet.
4 Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Erdgasabgabe unterliege gemäß § 1 Abs. 1 ErdgAbgG die Lieferung von Erdgas, wobei die Lieferung nach Abs. 2 leg. cit. an dem Ort erfolge, an dem der Empfänger über das Erdgas verfügen könne. § 2 ErdgAbgG definiere "Erdgas" als "Waren der Unterposition 2711 21 00 der Kombinierten Nomenklatur". Die belangte Behörde gehe von einer einheitlichen Gaslieferung an die Kunden aus. Daran ändere die gesonderte Erwähnung des Biogasanteiles im Vertrag mit den Abnehmern nichts. Das Biogas werde in mehreren Schritten je nach Gasbeschaffenheit des Biogases und des Erdgases auf Erdgasniveau gebracht. Das Biogas könne erst nach einer umfassenden (im angefochtenen Bescheid näher dargestellten) Aufbereitung in das Erdgasnetz eingespeist werden. Biogas müsse, damit es denselben Standard wie Erdgas erreiche und zusammen mit Erdgas verkauft werden könne, sehr intensiv aufbereitet und praktisch auf Erdgasniveau gebracht werden. Da es in die Erdgasleitung eingespeist und dem Erdgas weitgehend angeglichen werde, liege unzweifelhaft eine einheitliche Lieferung vor.
5 Nach der Kombinierten Nomenklatur sei bei Mischungen die Allgemeine Vorschrift 3b einzuhalten. Danach seien Mischungen, die nicht nach der Bestimmung 3a eingereiht werden könnten, nach dem Stoff oder Bestandteil zu reihen, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann. Da die beigefügte Biogasmenge im Vergleich zur Gasmenge nur untergeordnet sei, müsse die Lieferung zur Gänze der Unterposition 2711 21 00 zugeordnet werden. Biogas sei nur dann in die Unterposition 2711 29 00 einzureihen, wenn ausschließlich oder überwiegend Biogas geliefert werde. Die Regelung im Gaswirtschaftsgesetz und die Kontrolle durch die Register Austria ermöglichten die von der beschwerdeführenden GmbH mit den Kunden abgeschlossenen Verträge über einen "Energiemix". Sie seien aber nicht relevant für die Frage nach der Besteuerung der gemischten Lieferung. Entscheidend sei nicht der Umstand, dass der Anteil des eingespeisten und entnommenen Biogases genau bestimmt werden könne; dies wäre nur dann von Relevanz, wenn das ErdgAbgG eine Entlastung des anteiligen Biogases (wie dies in Deutschland der Fall sei) vorsähe. An der in § 2 ErdgAbgG geregelten Einstufung nach dem Zolltarif ändere die Berechenbarkeit der Einspeisungen nichts, zumal "gelieferte" und "eingespeiste" Gasanteile - wie selbst in der Berufung konzediert werde - ohnehin nicht konform gingen.
6 Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt, dass Biogas, welches in ein Erdgasnetz eingespeist werde, nicht der Erdgasabgabe unterworfen werde.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die für den Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Erdgasabgabegesetz, BGBl. Nr. 201/1996 (§ 1 in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2003), lauten:
" Steuerbare Vorgänge, Steuergebiet
§ 1. (1) Der Erdgasabgabe unterliegen
1. Die Lieferung von Erdgas im Steuergebiet, ausgenommen an Erdgasunternehmen im Sinne des § 6 Z 13 des Gaswirtschaftsgesetzes (GWG) und an sonstige Wiederverkäufer, soweit das Erdgas zur Weiterlieferung bestimmt ist.
2. Der Verbrauch von Erdgas durch Erdgasunternehmen sowie der Verbrauch von selbst hergestelltem oder in das Steuergebiet verbrachtem Erdgas im Steuergebiet.
(2) Die Lieferung im Sinne des Abs. 1 Z 1 erfolgt an dem Ort, an dem der Empfänger über das Erdgas verfügen kann.
(3) Steuergebiet im Sinne dieses Bundesgesetzes ist das Bundesgebiet, ausgenommen das Gebiet der Ortsgemeinden Jungholz (Tirol) und Mittelberg (Vorarlberg).
Steuergegenstand
§ 2. (1) Erdgas im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Waren der Unterposition 2711 21 00 der Kombinierten Nomenklatur.
(2) Kombinierte Nomenklatur im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Warennomenklatur nach Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom (ABl. EG Nr. L 256 S 1) in der jeweils geltenden Fassung."
9 Die Beschwerde behauptet nicht, dass die Einreihung des Gasgemisches durch die belangte Behörde nicht den Vorgaben der Kombinierten Nomenklatur entsprechen würde. Sie vertritt vielmehr die Ansicht, dass die Allgemeinen Vorschriften der Kombinierten Nomenklatur (3b der Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN sieht die Einreihung von Mischungen nach dem Stoff vor, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht) nicht unbesehen auf das Erdgasabgabegesetz angewandt werden dürften. Die belangte Behörde übersehe, dass das Erdgasabgabegesetz aus einer Zeit stamme, in der noch keine Biogaseinspeisung möglich gewesen sei. Gerade bei älteren Gesetzen komme der teleologischen Interpretation vorrangige Bedeutung zu. Im Falle einer vom Gesetzgeber noch nicht bedachten Änderung der Verhältnisse sei im Rahmen des Möglichen dem eingetretenen Wandel durch eine sich am Zweck der Norm orientierenden Auslegung Rechnung zu tragen.
10 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (72 BlgNR XX. GP, 204) zum Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201/1996, mit dem das Erdgasabgabegesetz eingeführt wurde, wird ausgeführt, aus ökologischer Sicht sei es notwendig, neben dem Mineralöl und Flüssiggas auch leitungsgebundene Energieträger wie Erdgas und elektrische Energie einer Besteuerung zu unterziehen. Beide Energieträger seien leitungsgebunden, sodass ein ähnliches Besteuerungskonzept zweckmäßig erscheine. Die Besteuerung solle grundsätzlich anlässlich der Lieferung an den Letztabnehmer bzw. Verbraucher der Energieträger erfolgen.
11 Der in den Erläuterungen zum Ausdruck kommende Gesetzeszweck steht der Besteuerung des gegenständlich vorliegenden Gasgemisches nicht entgegen. Die Beschwerdeführerin stützt ihre gegenteilige Ansicht auf den hypothetischen Fall des Überwiegens des Biogases am Gasgemisch. In einem solchen Fall wäre - folge man der Auslegung der Kombinierten Nomenklatur - das gesamte Gasgemisch steuerfrei zu stellen, was nach Ansicht der Beschwerdeführerin dem Telos des Erdgasabgabegesetzes widerspräche. Aus der in den Erläuterungen angesprochenen ökologischen Sicht ließe sich aber ebenso argumentieren, mit dem Abstellen auf die Einreihung nach der KN sei ein Anreiz geschaffen worden, den Anteil von Erdgas so weit zu senken, dass der abgegebene Energieträger nicht mehr den Charakter von Erdgas aufweist. Die Nichtbesteuerung eines derartigen überwiegend aus Biogas bestehenden Gasgemisches entspreche daher dem Telos der Bestimmung und trage dem "eingetretenen Wandel" Rechnung.
12 Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang einwendet, dass die Konzentration an Biogas in der Nähe der Einspeisestelle höher sei und u.U. auch 50% überschreiten könnte (bei besonderer Nähe der Entnahmestelle zum Einspeisepunkt), ist ihr - abgesehen vom möglichen Verstoß dieses Vorbringens gegen das Neuerungsverbot - entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde die Einordnung des Gasgemisches in die Unterposition 2711 21 00 auch darauf stützen konnte, dass das eingespeiste Biogas derart aufbereitet werde, dass es Erdgasniveau erreiche und von Erdgas physikalisch praktisch nicht mehr zu unterscheiden sei.
13 Hinweise auf das deutsche Energiesteuergesetz, das eine Rückvergütung der auf den Biogasanteil entfallenden Energiesteuer vorsehe, vermögen der Beschwerde auf Grund der unterschiedlichen Gesetzeslagen nicht zum Erfolg zu verhelfen. Für eine Rückvergütung fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage, sodass entgegen den Beschwerdeausführungen auch keine Parallelen zur Ökostromvergütung gezogen werden können.
14 Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
15 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
16 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am