VwGH vom 21.02.2013, 2011/06/0179
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, in der Beschwerdesache des R B in B, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns Bludenz vom , Zl. BHBL-I-4102.06-2011/0001, betreffend Vorstellung in Angelegenheit eines Bauauftrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Auf einem näher genannten Grundstück in der Gemeinde B. steht ein Wohnhaus. Mit Schreiben vom suchten die Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers, das Ehepaar B., um Nachsicht von der Bauabstandsregelung an, um eine Doppelgarage bis direkt an die Grundstücksgrenze heranbauen zu können. Sie legten eine Erklärung der Nachbarn, des Ehepaares R., bei, in der sich diese einverstanden erklärten, den Abstand von 3 m auf 0 m herabzusetzen. Im Gegenzug verpflichtete sich das Ehepaar B. unter anderem, über dem Garagenteil keine Terrasse zu errichten. Nach Erteilung der Abstandsnachsicht suchte das Ehepaar B. um eine Baubewilligung für eine Doppelgarage nördlich zum Wohnhaus bis direkt an die Grundgrenze des Ehepaares R. an. Laut Baubeschreibung vom sollte eine Doppelgarage mit näher bezeichneten Abmessungen, einem Streifenfundament, Betonsteinmauerwerk, Massivdecke als Flachdach mit Dachpappenisolierung, einem Isolierfenster, einer Horizontal- und Vertikalisolierung, einem Estrichboden sowie Belüftungsanlagen errichtet werden. (Der Baubewilligungsbescheid für die Errichtung der Garage ist laut Ausführungen im angefochtenen Bescheid nicht mehr auffindbar.)
Nachdem weitere Änderungen beantragt und auch (mit Bescheiden vom und vom ) genehmigt worden waren, wurden mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B. vom betreffend die Benützungsbewilligung für den An- und Umbau beim bestehenden Wohnhaus auf Grund festgestellter Mängel drei Auflagen gemäß § 45 Abs. 2 Vorarlberger Baugesetz - BauG, LGBl. Nr. 39/1972, erteilt. Die dritte, im gegenständlichen Verfahren relevante Auflage lautet:
"3. Die begehbare Garage ist den Vorschriften entsprechend abzusichern (Gelände 80 cm hoch)."
Mit Schreiben vom teilte der Bürgermeister der Gemeinde B. dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf eine Vorkorrespondenz mit, dass weder das Anbringen eines Geländes auf dem Garagendach noch die Verwendung des Garagendaches als Terrasse bewilligt worden sei. Der Beschwerdeführer werde daher aufgefordert, innerhalb eines Monats einen Bauantrag zu stellen. Anderenfalls müsse die Baubehörde die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes verfügen.
Mit Schreiben vom verwies der Beschwerdeführer auf den Bescheid vom , in welchem die Baubehörde für die begehbare Garage eine Absturzsicherung vorgesehen habe. Unter Hinweis auf diesen Baubescheid beantrage er neuerlich eine Baubewilligung wie im vorgenannten Verfahren. Es werde beantragt, die Absturzsicherung neuerlich zu genehmigen. (Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bürgermeisters B. vom wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, weil dem Beschwerdeführer bereits die Benützungsbewilligung erteilt worden sei, wenn bei der fertig gestellten Terrasse eine entsprechende Absperrung angebracht werde, sodass der Zugang zur begehbaren Garagendecke verhindert werde; der neuerliche Antrag beinhalte keine wesentliche Änderung des Sachverhalts; es handle sich um dieselbe Sache, über die bereits rechtskräftig entschieden worden sei.)
Der Bürgermeister der Gemeinde B. wies mit Schreiben vom nochmals darauf hin, dass die Garagendecke nie als begehbare Terrasse bewilligt worden sei. Dies auch deshalb, weil die betroffenen Nachbarn, das Ehepaar R., einer Bauabstandsnachsicht für die Errichtung der Garage nur unter der Bedingung zugestimmt hätten, dass auf der Garage keine Terrasse errichtet werde. Sollte der Beschwerdeführer dennoch eine Baubewilligung erwirken wollen, wäre ein dem § 24 BauG entsprechender Bauantrag samt den erforderlichen Planunterlagen und Nachweisen zu stellen. Zu dieser Nutzungsänderung sei dem Bauantrag eine schriftliche Zustimmung der Nachbarn beizulegen.
Mit Bescheid vom verfügte der Bürgermeister der Gemeinde B. gemäß § 40 Abs. 3 BauG die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes (Abbruch des bereits angebrachten Geländers) innerhalb von 3 Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides.
Der dagegen eingebrachten Berufung vom wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde B. vom keine Folge gegeben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid (vom ) gab die belangte Behörde der dagegen eingebrachten Vorstellung des Beschwerdeführers vom statt, hob den Bescheid der Gemeindevertretung vom auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeindevertretung zurück. Begründend führte sie aus, mit dem Bescheid des Bürgermeisters vom sei den Bauwerbern die Benützungsbewilligung für den bewilligten An- und Umbau beim bestehenden Wohnhaus unter anderem mit der Auflage erteilt worden, dass die begehbare Garage den Vorschriften entsprechend abzusichern sei. Für die belangte Behörde sei nicht ersichtlich, dass das Garagendach bei Errichtung der Garage im Jahr 1973 als begehbare Terrasse und das Anbringen eines Geländers zur Grundstücksgrenze geplant und bewilligt worden seien. Der entsprechende Baubewilligungsbescheid für die Errichtung der Garage sei nicht auffindbar. Gegen die Bewilligung einer begehbaren Terrasse spreche, dass sich die damaligen Bauwerber den Nachbarn gegenüber nachweislich verpflichtet hätten, über der Garage keine Terrasse zu errichten. Wenn das Garagendach schon damals als Terrasse bewilligt worden wäre, hätte die Baubehörde bereits damals entsprechende Absicherungen auf Grund der Höhe von bis zu 2 m über dem darunter liegenden Boden vorgeschrieben. Auch den Planunterlagen aus den Jahren 1980 und 1982 hätten keine Hinweise entnommen werden können, dass das Garagendach als begehbare Terrasse samt Geländer bewilligt worden wäre. Eine solche bauliche Maßnahme hätte jedenfalls einer Baubewilligung unter Erteilung einer Abstandsnachsicht bedurft, weil es sich dabei um eine Verwendungsänderung eines Gebäudes handle, die auf Grund des Abstands zum Nachbargrundstück die Rechte der Nachbarn beeinträchtige. Die im Bescheid vom formulierte Auflage habe sich auf eine damals noch nicht fertiggestellte Terrasse bezogen; sie habe die für das Bauvorhaben erteilte Baubewilligung jedenfalls nicht abändern können, soweit die Baubehörde damit nicht offensichtlich Abweichungen vom Baukonsens habe bewilligen wollen. Davon sei jedoch nicht auszugehen, weil in der Benützungsbewilligung ausgeführt worden sei, dass das Bauvorhaben im Wesentlichen plan- und beschreibungsgemäß ausgeführt worden sei.
Vom damaligen Bürgermeister der Gemeinde B., dem Gemeindebauleiter sowie dem Schriftführer im Bauverfahren sei auch bestätigt worden, dass nur die vor der nordöstlichen Hauswand befindliche Dachfläche der Garage von der Bewilligung als Terrasse umfasst gewesen sei, der restliche Teil des Garagendaches jedoch nicht. Der Gemeindebauleiter habe die Auflage vorgeschlagen, weil die Terrasse noch nicht fertiggestellt, das Garagendach jedoch erreichbar gewesen sei. Es sollte eine Absicherung an der Grenze der als Terrasse bewilligten Fläche in der Verlängerung der nordöstlichen Hauswand über der Garageneinfahrt angebracht werden. Der Holzzaun an der Grundstücksgrenze zu den Nachbarn sei mit der Auflage jedenfalls nicht gemeint gewesen.
Auch wenn - so die belangte Behörde weiter - weder dem Beschwerdeführer noch seinen Rechtsvorgängern eine Nutzung des gesamten Garagendaches als Terrasse bewilligt worden und mit der in der Benützungsbewilligung vom vorgesehenen Auflage nicht der errichtete Holzzaun an der Grundstücksgrenze gemeint gewesen sei, sei der Berufungsbescheid dennoch unstimmig.
Der Antrag des Beschwerdeführers vom um "erneute" Erteilung einer Baubewilligung für das Geländer sei mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B. vom wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden. Dies mit der Begründung, dass der Antrag des Beschwerdeführers keine wesentliche Änderung des Sachverhalts gegenüber dem mit Bescheid vom bewilligten An- und Umbau des Wohnhauses beinhalte. Einerseits gehe die Baubehörde davon aus, dass über die Frage der Nutzung des Garagendaches als Terrasse und das Anbringen einer Absicherung noch entschieden werden müsse und daher der Beschwerdeführer zur Einbringung eines Bauantrages aufgefordert werde, andererseits qualifiziere sie dieses Bauvorhaben im Rahmen der Zurückweisung des Antrages so, als ob die Baubewilligung schon versagt worden wäre. In diesem Fall wäre der Beschwerdeführer jedoch nicht aufzufordern gewesen, einen Bauantrag einzubringen, sondern es hätte sofort die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes verfügt werden müssen. Der Beschwerdeführer sei der Aufforderung der belangten Behörde zur Einbringung eines Bauantrages mit Schreiben vom fristgerecht nachgekommen, weshalb die Baubehörde seinen Antrag nicht als unzulässig hätte zurückweisen dürfen. Gegebenenfalls hätte sie einen Mängelbehebungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG erteilen müssen. Vor Erledigung dieses Antrages hätte die Baubehörde jedoch nicht die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes verfügen bzw. die dagegen eingebrachte Berufung nicht abweisen dürfen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Durch einen aufhebenden Vorstellungsbescheid können Rechte jener Partei, über deren Vorstellung der Bescheid der höchsten Gemeindeinstanz durch die Vorstellungsbehörde aufgehoben wurde (Art. 119a Abs. 5 B-VG), nur insoweit verletzt werden, als dadurch der Gemeindebehörde eine bestimmte Rechtsansicht überbunden wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0010, mwN). Die tragenden Aufhebungsgründe eines solchen Bescheides sind im fortgesetzten Verfahren nicht nur von den Gemeindebehörden, sondern auch von der Vorstellungsbehörde und schließlich vom Verwaltungsgerichtshof zu beachten (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2007/05/0010).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht eine Bindung an die - einem kassatorischen aufsichtsbehördlichen Vorstellungsbescheid beigegebene - Begründung nur insoweit, als die Begründung für die Aufhebung des mit Vorstellung bekämpften gemeindebehördlichen Bescheides tragend ist. Dementsprechend ist auch der obsiegende Vorstellungswerber berechtigt, den aufhebenden Vorstellungsbescheid deswegen vor dem Verwaltungsgerichtshof anzufechten, weil jene Gründe, die die Aufhebung tragen, seiner Ansicht nach unzutreffend sind. Die Teile der Begründung des aufhebenden Bescheides, die darlegen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen nach Auffassung der Aufsichtsbehörde Rechte des Vorstellungswerbers nicht verletzt worden sind, lösen jedoch keinerlei bindende Wirkung aus. Derartige Begründungselemente (mit denen die Vorstellungsbehörde etwa der Rechtsansicht der Gemeindebehörden in Teilbereichen beigetreten ist), die (ohne das Hinzutreten von Aufhebungsgründen hinsichtlich anderer Begründungselemente) zu einer Abweisung der Vorstellung führen hätten müssen, stellen keinen tragenden Grund für die Aufhebung des gemeindebehördlichen Bescheides dar (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/17/0157, und nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2007/05/0010).
Im vorliegenden Verfahren hob die belangte Behörde den Berufungsbescheid deshalb auf, weil dieser "unstimmig" sei. Ihrer Ansicht nach sei der Beschwerdeführer der Aufforderung der Berufungsbehörde zur Einbringung eines Bauantrages mit Schreiben vom fristgerecht nachgekommen, weshalb die Baubehörde seinen Antrag nicht als unzulässig zurückweisen hätte dürfen, sondern darüber - allenfalls nach Erteilen eines Mängelbehebungsauftrages - inhaltlich hätte entscheiden müssen. Während der Anhängigkeit dieses Verfahrens hätte jedoch die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes nicht verfügt werden dürfen.
Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen diesen, die Aufhebung des Gemeinderatsbescheides tragenden und somit bindenden Teil der Begründung des angefochtenen Bescheides. Er bringt vielmehr - wie bereits im Verwaltungsverfahren - vor, seinen Rechtsvorgängern sei auf Grund des Antrages vom nicht nur die Baubewilligung für die Errichtung einer Doppelgarage, sondern auch eine solche für die Benutzung des Daches der Garage als Terrasse erteilt bzw. mit Bescheid vom die Errichtung einer entsprechenden Absicherung vorgeschrieben worden. Sein Beschwerdevorbringen richtet sich somit nur gegen die Ausführungen der belangten Behörde, in denen aufgezeigt wird, welche der in der Vorstellung geltend gemachten Rechtsverletzungen keine Aufhebung des gemeindebehördlichen Bescheides nach sich zu ziehen hätte. Diese erzeugen jedoch keine Bindungswirkung; sie vermögen daher den Beschwerdeführer nicht in seinen subjektiven Rechten zu verletzen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. 2012/06/0178, mwN).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
LAAAE-85213