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VwGH vom 27.08.2020, Ra 2019/21/0079

VwGH vom 27.08.2020, Ra 2019/21/0079

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant, die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel, die Hofrätin Dr. Julcher sowie den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision der Landespolizeidirektion Niederösterreich gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , LVwG-S-159/001-2019, betreffend Sicherheitsleistung in einem Strafverfahren nach dem FPG (mitbeteiligte Partei: P M in T [G], vertreten durch Nikolaus Boos, MBA, Rechtsanwalt in 70736 Fellbach [Deutschland], Porschestraße 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1Der Mitbeteiligte, ein georgischer Staatsangehöriger, stellte sich am am Flughafen Wien-Schwechat der Einreisekontrolle. Eine Abfrage im Schengen-Informationssystem ergab, dass gegen ihn ein Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum vorlag, weshalb ihm die Einreise verweigert und seine Zurückweisung verfügt wurde.

2Außerdem wurde gegen ihn von der Landespolizeidirektion Niederösterreich (im Folgenden: LPD) ein Strafverfahren wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 27a Abs. 1 iVm § 120 Abs. 1c und 10 FPG eingeleitet. Mit Bescheid der LPD vom wurde ihm gemäß § 37 Abs. 1 VStG der Erlag einer Sicherheit in Höhe von € 450,-- aufgetragen, weil nach Zurückweisung in sein Heimatland „ein Abschluss des ggst. Verwaltungsstrafverfahrens sowie eine Strafvollstreckung unmöglich sein werden“.

3Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde statt, indem es ihn ersatzlos behob.

4Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Behörde den Auftrag zur Erlegung einer Sicherheitsleistung zunächst auf die voraussichtliche Unmöglichkeit der Strafverfolgung gestützt habe. Dazu sei festzuhalten, dass der Mitbeteiligte zwar seinen Wohnsitz in einem „Nicht-EU-Mitgliedstaat“ habe, mit dem kein Übereinkommen über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungsstrafsachen bestehe. Allerdings habe er sich insofern in das Strafverfahren eingelassen, als er die Aufforderung zur Rechtfertigung wegen der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung übernommen habe. Überdies sei er anwaltlich vertreten, sodass nicht von einer voraussichtlichen Unmöglichkeit der Strafverfolgung auszugehen sei.

5Die Behörde habe die Auferlegung der Sicherheitsleistung weiters auf die voraussichtliche Unmöglichkeit der Strafvollstreckung gestützt. Im Zusammenhang mit dem Ausspruch des Verfalls gemäß § 37 Abs. 5 VStG habe der Verwaltungsgerichtshof allerdings festgehalten, dass die Frage der Unmöglichkeit des Vollzugs einer Geldstrafe erst nach Abschluss des Strafverfahrens zu prüfen sei, weil erst dann feststehe, ob die Verwaltungsübertretung überhaupt begangen worden und daher eine Geldstrafe zu vollziehen sei. Würde für den Verfall einer Sicherheit tatsächlich schon ausreichen, dass der Vollzug einer allfälligen Strafe unmöglich wäre, ohne dass schon feststünde, ob überhaupt eine Strafe zu verhängen sei, wäre die tatsächliche Durchführung eines Strafverfahrens entbehrlich. Eine solche Sichtweise stünde nicht damit im Einklang, dass die Sicherheit die Durchführung des Strafverfahrens bzw. den Vollzug der Strafe sichern, aber nicht ersetzen solle.

6Diese Überlegungen ließen sich - so das Verwaltungsgericht - auch auf den gegenständlichen Fall des Auftrags einer Sicherheitsleistung übertragen: Auch wenn im Verfahren betreffend Auftrag einer Sicherheitsleistung im Unterschied zum Verfahren betreffend Verfall der Sicherheitsleistung noch nicht feststehen müsse, dass der Strafvollzug tatsächlich unmöglich sei, könne ein solcher Bescheid erst dann auf die voraussichtliche Unmöglichkeit des Strafvollzugs gestützt werden, wenn bereits eine Strafe verhängt worden sei. Daraus folge, dass dann, wenn die Durchführung eines Strafverfahrens möglich sei, der Erlag einer Sicherheit „nicht schon unter Berufung auf die Unmöglichkeit des Vollzugs einer allfällig zu verhängenden Strafe“ ausgesprochen werden dürfe.

7Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision der LPD, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

8Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung macht die Revision geltend, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verfall auch auf den Auftrag zur Sicherheitsleistung übertragen habe.

9Das trifft zu, weshalb sich die Revision als zulässig und berechtigt erweist.

10§ 37 VStG lautet auszugsweise:

„Sicherheitsleistung

§ 37. (1) Die Behörde kann dem Beschuldigten mit Bescheid auftragen, einen angemessenen Betrag als Sicherheit zu erlegen oder durch Pfandbestellung oder taugliche Bürgen, die sich als Zahler verpflichten, sicherzustellen,

1.wenn begründeter Verdacht besteht, dass sich der Beschuldigte der Strafverfolgung oder der Strafvollstreckung entziehen werde, oder

2.wenn andernfalls

a)die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung voraussichtlich nicht möglich wäre oder

b)die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung voraussichtlich einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

(2) ...

(3) ...

(4) Die Sicherheit wird frei, wenn das Verfahren eingestellt wird oder die gegen den Beschuldigten verhängte Strafe vollzogen ist, oder nicht binnen zwölf Monaten der Verfall ausgesprochen wurde. Die als Sicherheit beschlagnahmte Sache wird auch frei, wenn vom Beschuldigten die aufgetragene Sicherheit in Geld erlegt oder sonst sichergestellt wird oder ein Dritter Rechte an der Sache glaubhaft macht.

(5) Die Sicherheit ist für verfallen zu erklären, sobald feststeht, dass die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung nicht möglich ist. § 17 ist sinngemäß anzuwenden.

(6) ...“

11Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Verfall nach § 37 Abs. 5 VStG judiziert, dass er unter Berufung auf die Unmöglichkeit des Strafvollzugs erst ausgesprochen werden darf, wenn tatsächlich schon eine Strafe rechtskräftig verhängt worden ist (vgl. aus jüngerer Zeit , Rn. 18 ff, mwN). Das wurde - wie auch vom Verwaltungsgericht wiedergegeben - insbesondere damit begründet, dass die Sicherheitsleistung die Durchführung des Strafverfahrens bzw. den Vollzug der Strafe sichern, nicht aber ersetzen soll, womit in Widerspruch stünde, wenn es der Durchführung eines ordentlichen Strafverfahrens gar nicht bedürfte und es ohne Gewährleistung einer wirksamen Rechtsverfolgung durch den Ausspruch des Verfalls der Sicherheit zu einem Eingriff in die Vermögensrechte des Betroffenen käme.

12Die Verpflichtung zum Erlag einer Sicherheit setzt aber nur voraus, dass „die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung voraussichtlich nicht möglich wäre“. Dabei ergibt sich schon aus der Verwendung des Worts „Beschuldigter“ in § 37 Abs. 1 VStG, dass die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages zwar einerseits erst ab dem Zeitpunkt der ersten Verfolgungshandlung zulässig ist (vgl. ), andererseits aber das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen sein muss. Endet das Strafverfahren schließlich mit einer Einstellung, so wird die Sicherheit gemäß § 37 Abs. 4 VStG frei. Zu einer Substituierung der Strafe durch die Sicherheit kann es allein durch den Auftrag zum Erlag einer Sicherheit nicht kommen; erst mit dem rechtskräftigen Ausspruch des Verfalls und der dadurch bewirkten Eigentumsverschiebung wird nämlich endgültig in Vermögensrechte eingegriffen. Die Sicherheitsleistung erfüllt ihren Zweck gerade dann, wenn das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist, während nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens im Fall einer Bestrafung ohnedies unmittelbar die Strafe vollstreckt werden kann; der Auferlegung einer Sicherheit bedarf es in diesem Stadium in der Regel nicht mehr.

13Da das Verwaltungsgericht mit seiner Begründung die Rechtslage verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019210079.L00
Schlagworte:
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

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