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VwGH vom 27.08.2013, 2011/06/0173

VwGH vom 27.08.2013, 2011/06/0173

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag. Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der Montagne Hotel GmbH, vertreten durch die Sluka/Hammerer Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Alpenstraße 26, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 205-07/261/10-2010, betreffend Feststellung der Öffentlichkeit nach dem Salzburger Landesstraßengesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. G G, 2. Bj P, 3. J E, 4. P V, 5. A D, 6. P D, 7. B G, 8. S G, 9. H W, 10. H W, 11. M B, 12. K B, 13. J K, 14. C K, 15. J P, 16. C P, 17. E L, 18. W L,


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19.
W W, 20. S W, 21. T L, 22. J L, 23. P B, 24. R B, 25. R V,
26.
B V, 27. E Z 28. E L, 29. G B, 30. E B, alle vertreten durch Dr. Siegfried Kainz, Rechtsanwalt in 5760 Saalfelden, Lofererstraße 46; 31. Gemeinde S, alle vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, 32. Land Salzburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Antrag vom suchten die Rechtsvorgänger der erst- bis dreißigmitbeteiligten Parteien um bescheidmäßige Feststellung an, dass der J-Weg im Verlauf über die Grundstücke 1727/1, 1726/7 und 1759/1, 1754/1, 1759/2 und 1726/1 bis zur Skihütte J-Alm auf dem Grundstück 1726/10 als Privatstraße dem öffentlichen Verkehr diene, weil er in zumindest 20-jähriger Übung auf Grund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses allgemein und ungehindert benutzt worden sei. Begründend wurde ausgeführt, die Skihütte J-Alm umfasse 120 Sitzplätze und seit Jahren erfolge täglich ein starker Fahrzeugverkehr vor allem von Lieferanten und Gästen der J-Alm; das Landhaus J. umfasse ca. 40 Gästebetten und für den Gastbetrieb J-Alm erfülle der J-Weg seit zumindest 20 Jahren ein dringendes Verkehrsbedürfnis; darüber hinaus lägen die Land- und Forstwirtschaft J-Gut und das Landhaus J. sowie die entstandenen Wohnhäuser am J-Weg; die Gäste sowie Bewohnerinnen und Bewohner benützten den J-Weg als Privatstraße.

Im Grundbuch ist auf den Grundstücken 1727/1, 1727/2 und 1751 die Dienstbarkeit des Geh-, Fahrt- und Viehtriebsrechtes für die EZ 67 eingetragen; auf den Grundstücken 1727/1, 1727/2, 1751 ist die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes für das Grundstück 1726/7 sowie die EZ 67 eingetragen. Die Rechtsvorgänger der erstbis dreißigmitbeteiligten Parteien erwarben im Jahr 1993 aus der EZ. 67 einen Teil des Grundstückes 1726/1 (nunmehr Grundstück 1726/9) sowie Grundstück 1726/8. Einem Revisionsrekurs betreffend einen Antrag der Rechtsvorgänger der erst- bis dreißigmitbeteiligten Parteien um Ersichtlichmachung der Dienstbarkeit an den Grundstücken 1727/1 und 1727/2 für die Grundstücke 1726/8 und 1726/9 sowie die Anmerkung der von der berechtigten Liegenschaft EZ. 67 abgeschriebenen weiteren herrschenden Grundstücke 1726/8 und 1726/9 wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes (OGH) vom , 5 Ob 78/07t, nicht Folge gegeben, weil nicht alle Zweifel ausgeräumt seien, ob die begehrte Eintragung mit der tatsächlichen Rechtslage im Einklang stehe.

Mit Bescheid vom stellte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die Öffentlichkeit des J-Weges gemäß § 40 Salzburger Landesstraßengesetz 1972 (LStG 1972) fest. Die dagegen erhobene Berufung der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom abgewiesen.

Dagegen erhoben die Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin Vorstellung, der mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom Folge gegeben und der Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom behoben wurde. Begründet wurde dies insbesondere damit, dass ergänzende Ermittlungen durchzuführen seien, welche Nutzer des J-Weges Dienstbarkeitsberechtigte seien und welche ohne entsprechenden Privatrechtstitel den Weg benützten.

Die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde wies nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens mit Bescheid vom die Berufung der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin neuerlich ab. Ihren Feststellungen zufolge verfügten die Familie H. bzw. V. über Dienstbarkeiten für die EZ 67 sowie die Grundstücke 1726/7 (EZ. 829) und 1726/6; die Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin verfügten über Grunddienstbarkeiten für die EZ 982, die Grundstücke 1726/8 sowie 1726/9 und Susanne E. für die Grundstücke 1754/2 und 1726/5. Über keine Dienstbarkeiten an dem Grundstück 1727/1 verfügten Wolfgang H. hinsichtlich der EZ 993, Christa F. hinsichtlich der EZ 546 und 547, die Familie H. bzw. V. hinsichtlich der EZ 804 und die Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin hinsichtlich der EZ 982. Die befragten Zeugen H. und F. hätten übereinstimmend ausgesagt, dass es niemals Abschrankungen, ein Fahrverbot oder eine andere Einschränkung gegeben habe und auch Rechtsstreitigkeiten über die Berechtigung zur Zufahrt nie stattgefunden hätten. Beide hätten übereinstimmend ausgesagt, dass die Nutzung seit Jahrzehnten uneingeschränkt erfolgt sei. Die Frage des dringenden Verkehrsbedürfnisses im Sinn des § 40 Abs. 1 lit. b LStG 1972 sei durch ein Gutachten des Amtssachverständigen Ing. L. vom geprüft worden. Dieser sei zu dem Ergebnis gelangt, dass die im unmittelbaren Bereich der Wohnobjekte am J-Weg abgestellten Kraftfahrzeuge nur über diesen dorthin gelangen könnten; mangels einer anderen erkennbaren verkehrlichen Erschließung der Wohnobjekte befriedige dieser ein dringendes Verkehrsbedürfnis. (Der Sachverständige führte weiter aus, er könne die allgemeine und ungehinderte Benutzung in 20-jähriger Übung auf Grund seiner darüber fehlenden Kenntnis nicht feststellen; diese Aussage wurde jedoch nicht in den Berufungsbescheid übernommen). Die Fahrverbotstafel sei - so die Berufungsbehörde weiter - nach den Angaben der Beschwerdeführerin erst Mitte Juni 2007 angebracht worden, was nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens weit mehr als 20 Jahre nach Aufnahme der Benutzung des J-Weges durch die Allgemeinheit erfolgt sei. Die Benutzung sei somit nicht allein durch die Dienstbarkeitsberechtigten, sondern auch durch Personen erfolgt, die keine entsprechende zivilrechtliche Berechtigung besessen hätten, wie beispielsweise Personen, die zur Skihütte J-Alm (im Eigentum von Wolfgang H.), oder zum Landhaus J. mit 31 Gästebetten (im Eigentum von Christa F.) und zum Wohnhaus des Friedrich H. und des Jan V. gelangt seien. Dazu kämen noch die Personen, die diese Standorte aufgesucht hätten, ohne über entsprechende Dienstbarkeiten zu verfügen. Es könne somit nicht von einer bestehenden Einschränkung hinsichtlich der Nutzung gesprochen werden. Die Berufungsbehörde komme daher zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass allein durch die Notwendigkeit der Aufschließung diverser gastgewerblicher Objekte und der Wohnbauten, für die jeweils eigene Dienstbarkeitsberechtigung fehlten bzw. die bestehende landwirtschaftliche Dienstbarkeit die Zu- und Abfahrt zu den vorhandenen gastgewerblichen Objekten keinesfalls deckte, das dringende Verkehrsbedürfnis gegeben sei. Es bestehe keine andere Möglichkeit, diese Objekte mit Fahrzeugen oder zu Fuß zu erreichen. Dazu komme die touristische Nutzung durch die Gäste, die gleichfalls keine zivilrechtliche Benutzungsbefugnis - welcher Art auch immer - besäßen. Es werde auch nicht behauptet, dass nicht auch Urlaubsgäste, die nicht eines der dienstbarkeitsberechtigten Objekte bewohnt hätten, den J-Weg benützt hätten oder nicht hätten benützen dürfen.

Dagegen erhoben die Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom neuerlich Vorstellung und begründete dies im Wesentlichen damit, dass auf Grund von Dienstbarkeitsbestellungsverträgen aus den Jahren 1961 und 1980 alle vom J-Weg erschlossenen Grundstücke über eine Dienstbarkeit der landwirtschaftlichen Nutzung verfügten; sofern Grund- und Teilflächen ausgeschieden worden seien, sei nur aus formalen Gründen die genannte Dienstbarkeit nicht mitübertragen worden; materiell und außerbücherlich bestehe für alle diese Liegenschaften eine Dienstbarkeit (Verweis auf den bereits zitierten Beschluss des OGH, 5 Ob 78/07t) und somit kein dringendes Verkehrsbedürfnis. Für eine Beurteilung über den Bestand von Wegdienstbarkeiten seien auch außerbücherliche Dienstbarkeiten zu berücksichtigen (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/06/0082). Der Dienstbarkeitsvertrag für die Liegenschaft EZ 67 sei ein solcher für landwirtschaftliche Nutzung; auch die Grundstücke 1726/8 und 1726/9 seien von dieser Dienstbarkeit, die gemäß § 484 ABGB schonend auszuüben sei, quantitativ und qualitativ nicht ausgeweitet werden dürfe und insgesamt restriktiv ausgeübt werden müsse, sodass die Nutzung durch eine Vielzahl von Wohnungen jedenfalls unzulässig sei, umfasst. Einer allfälligen Ausdehnung der Dienstbarkeit etwa für privates Wohnen hätten die Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin nie ausdrücklich oder konkludent zugestimmt; der Ausweitung der Dienstbarkeit für die sonstigen Nutzungen am J-Weg sei hingegen konkludent zugestimmt worden. Zur Klärung, welche Nutzer des J-Weges dienstbarkeitsberechtigt seien bzw. welche diesen ohne einen Privatrechtstitel nutzten, sei es irrelevant, welche Personen ihren Wohnsitz oder Hauptwohnsitz in den jeweiligen Gebäuden hätten. Die von der Berufungsbehörde vernommenen Zeugen H. und F. wären selbst von außerbücherlichen Dienstbarkeiten ausgegangen. Das Ermittlungsverfahren sei auch insoweit mangelhaft geblieben, als das dringende Verkehrsbedürfnis erneut als amtsbekannt festgestellt worden sei, anstatt eine vollständige Ermittlung des Sachverhaltes anzustellen. Alle vom J-Weg erschlossenen Liegenschaften verfügten über eine landwirtschaftliche Dienstbarkeit, die entsprechend der jeweiligen Nutzung konkludent ausgeweitet worden sei. Diese Grunddienstbarkeiten umfassten auch die Gestattung der Zufahrt von Gästen, Familienmitgliedern, Besuchern, Lieferanten und dergleichen. Ein Gemeingebrauch könnte nur festgestellt werden, wenn es weitere Nutzungen ohne Dienstbarkeiten gebe. Ein solcher etwa für Wanderer werde bestritten, weil ab dem J-Gut kein Wanderweg mehr bestehe.

Im Rahmen der Aktenvorlage an die belangte Behörde wies die Berufungsbehörde in ihrem Schreiben vom darauf hin, dass die J-Alm als Gewerbebetrieb touristisch genutzt werde und seit Jahrzehnten von jedermann zu Fuß oder mit Kraftfahrzeugen erreichbar sei.

Während des Vorstellungsverfahrens erwarb die Beschwerdeführerin das Grundstück 1727/1 und trat in die Rechtsposition ihrer Vorgängerin als Vorstellungswerberin ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid (vom ) wies die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin vom gegen den Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom ab. Dies begründete sie - soweit für das Beschwerdeverfahren maßgeblich - damit, dass für das Verfahren nicht relevant sei, ob die Grundstücke 1726/8 und 1726/9 über landwirtschaftliche Dienstbarkeiten verfügten, sondern ob für alle tatsächlichen Nutzungen Dienstbarkeiten bestünden. Der angestrebte Umfang der Öffentlichkeit könnte von den Grundstücken 1726/8 und 1726/9 nicht abgeleitet werden, weil diesen schon der Zeitraum der Nutzung für die Begründung des Gemeingebrauchs fehle. Relevant sei ausschließlich, ob es Nutzungen über die Dienstbarkeitsverträge von 1961 und 1980 hinaus gebe, die ein dringendes Verkehrsbedürfnis auslösen könnten, und ob sämtliche dieser Nutzungen am J-Weg im Grundbuch als Servituten verankert seien oder dafür sonstige Dienstbarkeitsvereinbarungen außerbücherlich bestünden. Dazu habe die Berufungsbehörde zutreffend festgestellt, dass im Grundbuch keine Dienstbarkeiten für sämtliche Nutzungen am J-Weg bestünden und die vorhandenen landwirtschaftlichen Dienstbarkeiten, sofern sie bücherlich oder außerbücherlich vorhanden seien, die gastgewerblichen Nutzungen, die Wohnnutzungen, die Nutzung für Vermietungstätigkeit und eine allgemeine touristische Nutzung keinesfalls abdeckten. Dies ergebe sich aus § 484 ABGB, der eine einschränkende Auslegung über den Umfang einer Dienstbarkeit anordne. Diesbezüglich sei der Argumentation der Beschwerdeführerin nicht zu folgen, dass die gewerbliche Nutzung des J-Gutes als sanfte touristische Nutzung von der landwirtschaftlichen Dienstbarkeit mitumfasst sei. Im Salzburger Baurecht sei die Vermietung von drei Fremdenzimmern auf einem Bauernhof im Grünland im Rahmen der Widmung als Landwirtschaft unschädlich, nicht jedoch die Führung eines nicht unerheblich großen Gastgewerbebetriebes. Davon gehe auch die Beschwerdeführerin aus, wenn sie konkludent abgeschlossene Dienstbarkeitsverträge für bestimmte Nutzungen - auch für den Betrieb des J-Gutes - annehme. Bei Grunddienstbarkeiten - darauf weise auch die Beschwerdeführerin hin - sei nur der für die Verwendung und Widmung des Grundstückes typische Verkehr mitumfasst. Laut Rechtsprechung des OGH sei bei der Eintragung einer landwirtschaftlichen Dienstbarkeit die im Vertragstext (Dienstbarkeitsvertrag vom ) dokumentierte Absicht der Parteien zu berücksichtigen; eine Wegeservitut stehe auch nicht der gesamten, aus mehreren Grundstücken bestehenden Liegenschaft zu, noch erstrecke sie sich auf die jeweiligen, im Vertrag genannten Grundstücke der dienenden Liegenschaft in ihrem gesamten Ausmaß. Da keine Wegedienstbarkeiten für weitergehende Nutzungen verbüchert seien und auch keine entsprechenden Verträge hätten vorgelegt werden können, sei die Berufungsbehörde nicht gehalten gewesen, Ermittlungen über den Bestand weiterer Dienstbarkeiten anzustellen. Dies deshalb, weil die Beschwerdeführerin erst im Vorstellungsverfahren den Abschluss konkludenter Dienstbarkeiten für alle gegenwärtigen Nutzungen - außer für die Grundstücke 1726/8 und 1726/9 - behauptet habe, ohne dies näher zu begründen. Ein Dienstbarkeitsvertrag könne zwar auch durch schlüssiges Verhalten im Sinn des § 863 ABGB zustande kommen, die bloße Duldung des Gebrauchs reiche dafür jedoch nicht aus; es müssten vielmehr Sachverhaltselemente hinzutreten, die den zwingenden Schluss erlaubten, der aus einem bestimmten Verhalten abzuleitende rechtsgeschäftliche Wille des Belasteten habe sich auf die Einräumung einer Dienstbarkeit als dingliches Recht bezogen (Verweis auf die Entscheidung des ). Dabei sei im Sinn des Vertrauensschutzes Zurückhaltung bei der Annahme einer stillschweigenden Erklärung geboten, vor allem wenn eine andere Rechtsgrundlage, etwa wie hier die Öffentlichkeit eines Weges, in Betracht komme. An die Erklärung beider Vertragsparteien sei daher ein besonders hoher Maßstab anzulegen; ein vernünftiger Zweifel, die Straße auf Grund einer Servitut befahren zu dürfen, dürfe nicht bestehen bleiben. Dazu habe der Zeuge F. als Anrainer angegeben, vom Bestand einer außerbücherlichen Dienstbarkeit ausgegangen zu sein, während der Zeuge H. die Öffentlichkeit des Weges angenommen habe. Beide hätten übereinstimmend ausgesagt, dass der J-Weg ohne Einschränkung und ohne Streitigkeiten seit 1970 bzw. 1975 allgemein genutzt worden sei. Die in der Vorstellung geforderte Befragung, ob ein konkludenter Dienstbarkeitsvertrag abgeschlossen worden sei, sei als Rechtsfrage unstatthaft. Darüber hinaus sei im Berufungsbescheid festgestellt worden, Mitglieder der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde würden die Nutzung aus eigener Anschauung zum Teil seit mehreren Jahrzehnten kennen, was nicht bekämpft worden sei. Aus den Bauplatzerklärungen der dem J-Weg anrainenden Bauplätze ergebe sich, dass zunächst eine Verpflichtung zur Widmung der bestehenden Aufschließungsstraße als öffentlicher Privatweg festgeschrieben, in den Bescheiden ab 1981 jedoch bereits von einer öffentlichen Privatstraße ausgegangen worden sei. Die objektiven Umstände, insbesondere die Bauplatzerklärungen und die Zeugenaussagen zeigten somit, dass nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne, dass die Anrainer davon ausgegangen seien, den J-Weg als eine öffentliche Straße zu benutzen. Dieser diene als einzige Erschließung für die gastgewerblich genutzte J-Alm, Objekte mit Fremdenzimmer- bzw. Appartementvermietung, Wohnobjekte sowie die touristische Nutzung, und "diese Nutzungen (sind) über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren ungehindert und allgemein auf Grund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses" erfolgt. Angesichts dieser Ermittlungsergebnisse sei es "verkraftbar", dass weitere Befragungen von Zeugen nicht vorgenommen worden seien, zumal hinsichtlich der Zeugen S. und K. kein bestimmtes Beweisthema, sondern nur die allgemeine Aufklärung des Sachverhaltes, vorgebracht worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1755/10-12, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat, beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die verbesserte Beschwerde nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie durch die mitbeteiligte Gemeinde erwogen:

§ 40 Abs. 1 und 2 Salzburger Landesstraßengesetz 1972 (LStG 1972), LGBl. Nr. 119/1972, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 92/2001, lauten:

"Von den dem öffentlichen Verkehr dienenden Privatstraßen

§ 40

(1) Eine Privatstraße dient dann dem öffentlichen Verkehr, wenn sie nicht durch äußere Kennzeichen (Abschrankungen, ausdrückliches Benützungsverbot usw.) diesen Verkehr ausschließt. Eine solche Ausschließung darf soweit nicht erfolgen, als

a) die Privatstraße durch den Grundeigentümer für den allgemeinen Verkehr dauernd gewidmet wurde,

b) die Privatstraße in zumindest zwanzigjähriger Übung auf Grund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses allgemein und ungehindert benutzt wurde.

(2) Über die Zulässigkeit und den Umfang der Ausschließung des öffentlichen Verkehrs entscheidet auf Antrag oder von Amts wegen die Straßenrechtsbehörde nach einer mündlichen Verhandlung, die durch zweiwöchigen Anschlag an der Amtstafel bekannt zu machen ist. Ein solcher Antrag kann gestellt werden:


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1.
vom Eigentümer der Privatstraße;
2.
vom Straßenerhalter, wenn dieser nicht der Eigentümer der Straße ist;
3.
von jeder die Privatstraße auf Grund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses benutzenden Person und
4.
von der Agrarbehörde, wenn es sich bei der Straße um eine Bringungsanlage nach § 3 des Salzburger Güter- und Seilwegegesetzes 1970 handelt.
Partei im Verfahren ist außer dem Antragsteller der Eigentümer der Privatstraße und der Straßenerhalter sowie die Agrarbehörde, wenn es sich bei der Straße um eine Bringungsanlage nach § 3 des Salzburger Güter- und Seilwegegesetzes 1970 handelt.

(3) …"

Gemäß § 484 ABGB kann der Besitzer des herrschenden Gutes sein Recht zwar auf die ihm gefällige Art ausüben; doch dürfen Servituten nicht erweitert, sie müssen vielmehr, insoweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt werden.

§ 863 ABGB lautet:

"§ 863

(1) Man kann seinen Willen nicht nur ausdrücklich durch Worte und allgemein angenommene Zeichen; sondern auch stillschweigend durch solche Handlungen erklären, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen.

(2) In bezug auf die Bedeutung und Wirkung von Handlungen und Unterlassungen ist auf die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen."

Für die Feststellung der Öffentlichkeit einer Straße müssen kumulativ zwei Voraussetzungen erfüllt sein, nämlich eine entsprechende Benützung in langjähriger Übung allgemein, ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen einerseits sowie andererseits das Vorliegen eines damit zu befriedigenden dringenden Verkehrsbedürfnisses (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/06/0092, ergangen zum Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964).

Die Benützung durch Benützungsberechtigte bewirkt kein dringendes Verkehrsbedürfnis, das gemäß § 40 Abs. 1 lit. b Salzburger Straßengesetz Voraussetzung für die Öffentlichkeitserklärung einer Privatstraße ist. Soweit ein besonderes Benutzüngsrecht für Liegenschaften besteht, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass davon nicht nur die Benützung durch die Liegenschaftseigentümer selbst, sondern auch durch mit der Verwendung der Liegenschaft in Zusammenhang stehende Benützungen durch andere Personen umfasst sind. Im Zusammenhang mit Wohnnutzungen sind das etwa auch die Benützung durch Verwandte, Bekannte und Besucher der Grundeigentümer, Professionisten, Ärzte, Einsatzfahrzeuge, Versorgungsunternehmen, Stromversorger, Rauchfangkehrer, Zustelldienste etc. (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2009/06/0092).

Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe den Sachverhalt nicht ausreichend geprüft und insbesondere die beantragten Zeugen nicht vernommen. Diesbezüglich sei sehr wohl ein bestimmtes Beweisthema vorgebracht worden, nämlich die Befragung der Zeugen zum Beweis für das Bestehen insbesondere von außerbücherlichen Dienstbarkeiten und der (konkludenten) Erweiterung bestehender bücherlicher Dienstbarkeiten, die die tatsächliche Nutzung des J-Weges - mit Ausnahme für die Grundstücke 1726/8 und 1726/9 betreffend die Nutzung durch die erst- bis dreißigmitbeteiligten Parteien, welche lediglich über eine Nutzungsberechtigung im Rahmen einer Landwirtschaft verfügten - abdecke.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Im Bescheid vom führte die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde aus, dass die auf den Grundstücken 1727/1, 1727/2 und 1751 eingetragene Dienstbarkeit des Geh-, Fahrt- und Viehtriebsrechtes für EZ 67 und die auf den Grundstücken 1727/1, 1727/2, 1751 für Grundstück 1726/7 und EZ 67 eingetragene Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes jeweils als eine solche im Rahmen der landwirtschaftlichen Nutzung auszulegen sei, weil es sich bei dem auf der Liegenschaft EZ 67 befindlichen Gut zum Zeitpunkt, als die Dienstbarkeitsverträge abgeschlossen worden seien, um eine Landwirtschaft gehandelt habe.

Der belangten Behörde ist zwar zuzustimmen, dass nach der ständigen Judikatur des OGH zu § 484 ABGB Servituten im Hinblick auf den ursprünglichen Bestand und die ursprüngliche Bewirtschaftungsart nicht erweitert werden dürfen (vgl. RIS-Justiz RS0011741, sowie etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/07/0195; im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/06/0158, wurde beispielsweise festgehalten, dass eine Wegdienstbarkeit für Wirtschaftsfuhren nicht für die beabsichtigte Errichtung von acht Einfamilienhäusern auf dem herrschenden Grundstück ausgeweitet werden dürfe). Eine Mehrbelastung muss allerdings hingenommen werden, wenn bei Bestellung der Dienstbarkeit etwa an die durch eine Teilung künftig entstehende Mehrbelastung gedacht war oder nach den Umständen gedacht werden musste (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2009/06/0092, mit Hinweis auf den ).

Aus der in den Verwaltungsakten befindlichen Niederschrift über die Befragung des Zeugen F. am geht hervor, dass laut dessen Aussage der J-Weg seit ca. 1975 uneingeschränkt für den Hotel- und Pensionsbetrieb (gemeint: das Landhaus J.) auf Grund der eingetragenen Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes benutzt werde.

Angesichts dessen, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der Dienstbarkeitsverträge am das Landhaus J. offenbar bereits als Beherbergungsbetrieb genutzt wurde, kann nicht ausgeschlossen werden, dass zumindest der damalige Bestand an touristischer Nutzung als vom Umfang der eingeräumten Dienstbarkeit für die landwirtschaftliche Nutzung mitumfasst anzusehen ist. Laut Angaben im Antrag vom erfülle der J-Weg auch für den Gastbetrieb J-Alm seit mindestens 20 Jahren ein dringendes Verkehrsbedürfnis. Ob auch die Schihütte und der Gastbetrieb auf der J-Alm im Oktober 1980 bereits bestanden oder deren Errichtung absehbar war und somit an die dadurch entstehende Mehrbelastung bei Einräumung der Dienstbarkeit gedacht wurde oder gedacht werden musste, kann mangels ausreichender Feststellungen im Verwaltungsverfahren nicht abschließend beurteilt werden. Hinsichtlich der Wohnnutzung auf den Grundstücken 1726/8 und 1726/9 führte die belangte Behörde aus, dass dieser schon der Zeitraum der Nutzung für die Begründung des Gemeingebrauchs fehle; nähere Angaben dazu enthält der angefochtene Bescheid nicht.

Einer konkludenten Ausweitung der Grunddienstbarkeiten auf jegliche Nutzungen, die bei Errichtung der entsprechenden Verträge im Oktober 1980 noch nicht bestanden und die auch nicht absehbar waren, steht - diesbezüglich ist der belangten Behörde zuzustimmen - einerseits entgegen, dass keine über die bloße Duldung hinausgehenden Sachverhaltselemente vorgebracht wurden, die auf einen rechtsgeschäftlichen Willen zur Einräumung einer Dienstbarkeit als dingliches Recht in diesem Umfang schließen lassen, und andererseits die Beschwerdeführerin erst in der Vorstellung den Abschluss konkludenter Dienstbarkeiten behauptete. Die belangte Behörde hatte jedoch ihrem Bescheid jene Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen, die im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides bestand (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/05/0048, mwN).

Im Ergebnis rügt die Beschwerde daher zu Recht eine mangelhafte Prüfung des Sachverhaltes durch die Behörden des Verwaltungsverfahrens. Im fortzusetzenden Verfahren wird festzustellen sein, welche Nutzungen bei Abschluss der Dienstbarkeitsverträge im Oktober 1980 bereits bestanden bzw. absehbar waren und ob diese im Rahmen der landwirtschaftlichen Nutzung mitumfasst sind. Hinsichtlich jener Personen, die über keine Nutzungsrechte verfügen, werden Feststellungen zu treffen sein, ob die Benützung des J-Weges durch diese die Feststellung der Öffentlichkeit rechtfertigen.

Da die Behörden des Verwaltungsverfahrens in Verkennung der Rechtslage entscheidungswesentliche Ermittlungen des Sachverhaltes und entsprechende Feststellungen unterließen, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am