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VwGH vom 21.02.2013, 2011/06/0162

VwGH vom 21.02.2013, 2011/06/0162

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerden des H M in M, vertreten durch Dr. Jörg Lindpaintner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Templstraße 5B, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. RoBau-8-1/617/3-2011, betreffend einen Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde M), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Bezüglich des Ablaufes des Verwaltungsverfahrens wird auf die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2011/06/0161, verwiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid (vom ) wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom als unbegründet ab. Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass sie an die tragenden Aufhebungsgründe ihres Bescheides vom gebunden sei und die vorgebrachten Einwendungen zu dem ursprünglichen Beseitigungsauftrag in diesem Verfahren unbeachtlich seien. Fest stehe, dass dem Beschwerdeführer mit Baubescheid vom die Baubewilligung für die Erweiterung der Garage auf dem Grundstück 3594/1, KG M., erteilt worden sei und aus der eingeholten Vermessungsurkunde von Herrn Dipl. Ing. Dr. A. vom hervorgehe, dass sich die errichtete Garage um ca. 29 cm auf dem westlichen Grundstück 3593/10, KG M., befinde. Im Hinblick darauf, dass die Grenze durch die Garage überbaut worden sei, sei es irrelevant, ob ein Teil des Grundstückes 3593/10 (in zivilrechtlicher Hinsicht) in das Eigentum des Vorstellungswerbers übergegangen sei. Im gesamten Verfahren sei nämlich unstrittig gewesen, dass der Beschwerdeführer Eigentümer der Garage, die in das Grundstück 3593/1 hineinrage, sei, sodass der Beseitigungsauftrag gemäß § 37 TBO 2001 zu Recht an ihn ergangen sei.

Wenn der Vorstellungswerber ausführe, der Beseitigungsauftrag gehe auf Grund der falschen Bezeichnung der Grundstücksnummer (3594/1) ins Leere, werde darauf verwiesen, dass auf Grund des gesamten Verfahrensablaufes, der Planunterlagen (insbesondere der Vermessungsurkunde des Herrn Dipl. Ing. Dr. A.) und auch auf Grund des zwischenzeitlich ergangenen Berichtigungsbescheides der mitbeteiligten Gemeinde klar sei, dass vom Beseitigungsauftrag eindeutig der die Garage überragende Teil auf dem Grundstück 3593/10 umfasst sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass der Berichtigungsbescheid des Gemeindevorstands der mitbeteiligten Gemeinde vom mit hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2011/06/0161, aufgehoben wurde. Daher entfaltet der Bescheid vom auf Grund des § 42 Abs. 3 VwGG wieder seine volle Rechtswirksamkeit (vgl. dazu die bei Hengstschläger/Leeb , AVG § 62 Rz 67 zitierte hg. Judikatur, insbesondere das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/11/0176). Demnach war die Garagenerweiterung auf Grundstück 3594/1 abzubrechen. Dieser Spruch wurde in den Berufungsbescheid übernommen; die dagegen erhobene Vorstellung wurde als unbegründet abgewiesen. Der Beseitigungsauftrag bezieht sich somit auf die nicht konsensgemäß errichtete Garage auf Grundstück 3594/1 und nicht nur auf den dieses Grundstück überragenden Teil. Soweit sich das Beschwerdevorbringen auf den Bescheid des Gemeindevorstands der mitbeteiligten Gemeinde in seiner berichtigten Form bezieht, geht es somit ins Leere.

§ 37 Abs. 1 Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94

(Wiederverlautbarung - TBO 2001) lautet:

"§ 37

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

(1) Wurde eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne die nach diesem Gesetz erforderliche Baubewilligung errichtet oder geändert, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage eine angemessene Frist zu setzen, innerhalb der nachträglich um die Erteilung der Baubewilligung anzusuchen ist. Verstreicht diese Frist ungenützt oder wird (bzw. wurde) die Baubewilligung versagt, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Beseitigung aufzutragen. Dies gilt auch, wenn eine solche bauliche Anlage abweichend von der Baubewilligung ausgeführt wurde und diese Abweichung eine Änderung der baulichen Anlage darstellt, zu deren selbstständigen Vornahme eine Baubewilligung erforderlich wäre. Dem Eigentümer der betreffenden baulichen Anlage kann jedoch auf sein begründetes Verlangen statt der Beseitigung der baulichen Anlage die Herstellung des der Baubewilligung entsprechenden Zustandes aufgetragen werden.

(2) …"

Die Beschwerde wendet sich zunächst gegen die von der belangten Behörde angenommene Bindungswirkung auch hinsichtlich der vorgebrachten Einwendungen gegen den Beseitigungsauftrag.

Dieses Vorbringen ist berechtigt. Wird nämlich der Bescheid einer obersten Gemeindebehörde durch die Aufsichtsbehörde aufgehoben, so sind die Gemeinde - aber auch die anderen Parteien des Verfahrens - an die die Aufhebung tragenden Gründe des in Rechtskraft erwachsenen Vorstellungsbescheides gebunden, sofern die Sach- und Rechtslage gleich geblieben ist. Nur den tragenden Aufhebungsgründen kommt eine solche Bindungswirkung zu. Soweit die Vorstellungsbehörde überdies andere Gründe in der Vorstellung als unberechtigt angesehen hat, handelt es sich dabei begrifflich nicht um tragende Aufhebungsgründe. Solche Abweisungsgründe binden nicht und können im fortgesetzten Verfahren erfolgreich in Zweifel gezogen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/06/0101, mwN).

Die belangte Behörde ging jedoch auf das Vorbringen des Beschwerdeführers auch inhaltlich ein. Diesbezüglich hielt sie fest, dass dem Beschwerdeführer 1998 eine Baubewilligung für die Erweiterung der Garage erteilt, die Garage jedoch laut Vermessungsurkunde von Herrn Dipl. Ing. Dr. A. vom ca. 29 cm auf dem Nachbargrundstück 3593/10 errichtet worden sei. Dadurch, dass die Grenze durch die Garage überbaut worden sei, sei der Beseitigungsauftrag gemäß § 37 TBO 2001 zu Recht ergangen; die Frage des Eigentums am überbauten Teil des Grundstücks 3593/10 sei irrelevant.

Der Beschwerdeführer wendet dagegen - wie bereits im Verwaltungsverfahren - ein, er habe seinerzeit die Garage entsprechend den damals festgestellten (und bekannten) Grundgrenzen errichten lassen, was er durch ein Schreiben des Dipl. Ing. M. vom nachgewiesen habe. Die Bauführung sei daher damals konsensgemäß erfolgt, weshalb kein Fall für einen Beseitigungsauftrag gemäß § 37 Abs. 2 TBO 2002 (gemeint wohl: 2001) vorliege. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer als redlicher Bauführer Eigentum an der überbauten Fläche erworben (Hinweis auf den Grundsatz "superficies solo cedit" und die Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu den §§ 415 ff ABGB). Auf Grund des falsch gesetzten Grenzzeichens sei es irrtümlich zu dem Überbau gekommen. Damit habe sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinandergesetzt.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Maßstab der baupolizeilichen Sanktionen gemäß § 37 TBO 2001 unterworfenen Abweichung in der Bauausführung ist die Bewilligungspflicht der Änderung (vgl. Schwaighofer , Tiroler Baurecht, Praxiskommentar, Rz 6 zu § 37).

Eine entsprechende Bewilligungspflicht sieht die belangte Behörde auf Grund der Tatsache als gegeben an, dass die Garage etwa 29 cm über die Grundstücksgrenze hinausragt. Mit den Gegenargumenten des Beschwerdeführers, dass nämlich zum Zeitpunkt der Errichtung der Garage von einer anderen Lage der Grundstücksgrenze ausgegangen worden sei, was durch ein Schreiben von Dipl. Ing. M. vom nachgewiesen werde, setzten sich die Baubehörden überhaupt nicht auseinander. Auch die belangte Behörde ging auf das diesbezügliche, bereits im Verwaltungsverfahren getätigte Vorbringen nicht ein. Weder das genannte Schreiben des Dipl. Ing. M. noch der Baubescheid vom sowie die diesbezüglichen Planunterlagen liegen den dem Verwaltungsgerichtshof übermittelten Verwaltungsakten bei. Es ist somit nicht möglich, nachzuvollziehen, ob mit Bescheid vom eine Baubewilligung zur Errichtung der Garage bis zu den Grenzzeichen erteilt wurde, die sich offenbar nachträglich als falsch herausstellten, und somit die Garage zum damaligen Zeitpunkt konsensgemäß ausgeführt wurde. Wäre dies der Fall, so erwiese sich der Beseitigungsauftrag als rechtswidrig, weil die bauliche Anlage i.S.d. § 37 Abs. 1 dritter Satz TBO 2001 eben nicht abweichend von der Baubewilligung ausgeführt worden wäre.

Läge hingegen eine Abweichung von der Baubewilligung vor und stellte diese eine Änderung der baulichen Anlage dar, wäre das Eigentum an der Fläche, auf der sich diese Abweichung befindet, für die Frage der Zulässigkeit der Erteilung eines Beseitigungsauftrages gemäß § 37 TBO 2001 nicht von Relevanz. Die grundsätzlich zutreffenden Beschwerdeausführungen zum außerbücherlichen Eigentumserwerb an einer geringfügig überbauten Fläche (vgl. diesbezüglich das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0141) wären im Fall einer derart konsenswidrigen Errichtung des Bauwerkes nicht zielführend.

Jedenfalls belastete die belangte Behörde dadurch, dass sie in Verkennung der Rechtslage trotz eines entsprechenden Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren auf allfällige Abweichungen des tatsächlichen Baubestandes vom behördlichen Konsens nicht einging und den Berufungsbescheid allenfalls für ergänzende Ermittlungen aufhob, den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (§ 42 Abs. 2 Z 1 VwGG).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. I Nr. 455/2008. Das Begehren auf Erstattung der Mehrwertsteuer war abzuweisen, weil diese in den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung bereits enthalten ist.

Wien, am