VwGH vom 04.04.2019, Ra 2019/21/0018
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des K M in L, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W262 1428487- 2/8E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Dem Revisionswerber, einem Staatsangehörigen Afghanistans, wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.
2 Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom wurde über den Revisionswerber wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG und des Vergehens der Vorbereitung des Suchtgifthandels nach § 28 Abs. 1 SMG eine bedingt nachgesehene zwölfmonatige Freiheitsstrafe verhängt; eine Vorhaft vom , 19:45 Uhr, bis zum , 10:50 Uhr, wurde auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.
Der Revisionswerber hatte zwischen Frühling 2015 und in Salzburg verschiedenen Suchtgiftabnehmern zumindest 3630 g Marihuana durch mehrere Übergaben von Teilmengen überlassen. Weiters hatte er am in Salzburg 586,9 g Marihuana mit dem Vorsatz besessen, dieses in Verkehr zu setzen.
3 Am stellte der Revisionswerber den Antrag, ihm (neuerlich) einen (infolge der dargestellten Verurteilung entzogenen) Konventionsreisepass auszustellen. Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1 Z 3 FPG ab.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das BVwG die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Begründend verwies das BVwG auf die dargestellten Straftaten des Revisionswerbers, welche - unbeschadet der Einstellung des Verfahrens zur Aberkennung des Asylstatus am - die Annahme iSd § 92 Abs. 1 Z 3 FPG rechtfertigten, er könnte den Konventionsreisepass dazu benutzen, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen. Das seit der letzten strafgerichtlichen Verurteilung gezeigte Wohlverhalten dauere nicht lange genug an, um die von ihm ausgehende Gefahr der Begehung weiterer Suchtgiftdelikte als weggefallen oder entscheidend gemindert anzusehen. Wenn der Revisionswerber bei der Begehung der erwähnten Straftaten auch kein Reisedokument verwendet habe, so sei es doch notorisch, dass der inländische Drogenmarkt und Drogenhandel in den meisten Fällen mit Suchtgiftimporten aus dem Ausland verknüpft sei, sodass ein Reisedokument einen Handel mit Suchtgift jedenfalls erleichtere.
An diesem Ergebnis ändere auch das Vorbringen des Revisionswerbers, er gehe mittlerweile einer regelmäßigen Beschäftigung nach und übernehme Verantwortung für seinen jüngeren Bruder, nichts. Auf persönliche oder wirtschaftliche Interessen des Betroffenen sei nämlich bei der gegenständlichen Entscheidung nicht Rücksicht zu nehmen.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe abgesehen werden können, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen sei.
6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , E 4412/2018, ablehnte und sie mit weiterem Beschluss vom dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
7 Über die in der Folge ausgeführte Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Die Revision rügt die vom BVwG zu Lasten des Revisionswerbers erfolgte Prognosebeurteilung als unrichtig und bemängelt in diesem Zusammenhang die Unterlassung der in der Beschwerde ausdrücklich beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Damit ist der Revisionswerber im Recht, weshalb sich die Revision - entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des BVwG (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG) - als zulässig, und auch als berechtigt, erweist.
9 Das BVwG hat nicht ausreichend dem Umstand Rechnung getragen, dass die am vorgenommene Einstellung des erwähnten Verfahrens zur Aberkennung des Asylstatus des Revisionswerbers nach dessen persönlicher Einvernahme vor dem BFA und mit der Begründung erfolgt war, es wäre die Annahme gerechtfertigt, er werde strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung treten, sodass eine positive Zukunftsprognose zu treffen sei.
Angesichts dieses Umstandes sowie unter Bedachtnahme auf das in der Folge gezeigte Wohlverhalten in Verbindung mit der geänderten Lebenssituation (vgl. dazu sinngemäß ) hätte das BVwG nicht vom Vorliegen eines geklärten Sachverhaltes ausgehen und gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung absehen dürfen.
10 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
11 Von der in der Revision beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 5 VwGG abgesehen werden.
12 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210018.L00 |
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