VwGH vom 07.12.2011, 2011/06/0147

VwGH vom 07.12.2011, 2011/06/0147

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Hofrat Dr. Waldstätten sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde 1. des HH und 2. der H Gesellschaft mbH, beide in S, beide vertreten durch Prof. Haslinger Partner Rechtsanwälte in 4014 Linz, Kroatengasse 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 30.5-16/2011-3, UVS 35.5-3/2011-3, betreffend Übertretung des Stmk Baugesetzes (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis vom wurde dem Erstbeschwerdeführer als verantwortlichen Beauftragten der Zweitbeschwerdeführerin und damit als zur Vertretung nach außen berufene Person vorgeworfen, dass diese in der Zeit vom bis bei den Gebäuden A-Straße 3 und 5 "auf den Grst. Nr. 44, KG …" in der Oberlichte über dem Geschäftseingang und in der Oberlichte über der Geschäftsauslage jeweils eine Werbeanlage im Ausmaß von 1,6 m x 1,0 m mit einer näher bezeichneten Aufschrift ohne Vorliegen einer baubehördlichen Genehmigung errichtet habe. Er habe dadurch gegen § 118 Abs. 2 Z 2 iVm § 20 Z 3 lit. a Stmk. BauG 1995 verstoßen und es wurden über ihn Geldstrafen von jeweils EUR 200,--, im Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils einem Tag verhängt. Weiters wurde er zum Ersatz der Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens verpflichtet. Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die im Spruch verhängte Strafe zur ungeteilten Hand mit dem Erstbeschwerdeführer hafte.

In der Begründung des Bescheides ging die erstinstanzliche Behörde davon aus, dass das Anbringen dieser Werbeeinrichtungen (Anmerkung: es handelt sich um Folien, die auf der Innenseite des Glases aufgeklebt sind - siehe dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0274, betreffend den baubehördlichen Entfernungsauftrag) rechtlich als Maßnahmen im Sinne des § 20 Z 3 Stmk. BauG zu qualifizieren seien. Voraussetzung für das Vorliegen einer Werbe- und Ankündigungseinrichtung im Sinne dieser Bestimmung sei nicht unbedingt deren Qualifikation als bauliche Anlage, weil diese Bestimmung auch Bezeichnungen, Beschriftungen und Hinweise umfasse, die regelmäßig nicht der Legaldefinition einer baulichen Anlage entsprächen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/06/0113). Solche Maßnahmen seien auch dann anzeigepflichtig, wenn sie ohne das Neuerrichten einer baulichen Anlage gesetzt würden. Dem Aufkleben einer Werbefolie auf einem Schaufenster komme keine andere Qualität wie der explizit im Gesetz genannten "Bezeichnung" oder "Beschriftung" zu. Das Vorhaben sei nicht angezeigt worden, eine Baufreistellung gebe es nicht.

Es könne dahingestellt bleiben, ob der Vormieter für Werbeeinrichtungen eine Bewilligung gehabt habe oder nicht. Es reiche nämlich aus, dass bei den vom Vormieter übernommenen Werbeeinrichtungen die Werbebotschaft ausgetauscht und die Farbgebung geändert worden sei, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0001, dargelegt habe (im Hinblick auf die Verantwortung der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren nach dem Zusammenhang gemeint: es komme nicht darauf an, ob der Vormieter eine solche Werbeeinrichtung rechtmäßig in den Oberlichten angebracht habe, diese sei nämlich von der Zweitbeschwerdeführerin ausgetauscht worden). Zur subjektiven Tatseite sei auszuführen, dass es dem Beschuldigten als Vertreter eines bundesweit tätigen Unternehmens zumutbar gewesen wäre, sich bezüglich der einschlägigen landesrechtlichen Verwaltungsvorschriften zu informieren und diese zu beachten. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt wäre er gerade verpflichtet gewesen, die erforderlichen Erkundigungen einzuziehen. Das unbefugte Errichten dieser Werbeanlagen sei dem Beschuldigten (dem Erstbeschwerdeführer) vorwerfbar. Von einer Geringfügigkeit des Verschuldens im Sinne des § 21 VStG könne hier aber nicht die Rede sein.

Die Beschwerdeführer beriefen. In der Berufung bestritten sie, dass die gegenständliche Maßnahme anzeigepflichtig im Sinne des § 20 Z 3 lit. a Stmk. BauG sei. Nur eine bauliche Veränderung von Werbe- und Ankündigungseinrichtungen sei anzeigepflichtig. Auch der Spruch sei unbestimmt, es sei nicht klar, was vorgeworfen worden sei. Nicht minder sei der Tatort unbestimmt. Es sei völlig unklar, ob der Tatort mehrere Gebäude darstelle, das Gebäude A-Straße 3 und/oder das Gebäude A-Straße 5, sämtliche Gebäude auf dem Grundstück Nr. 44 etc. Dem Erstbeschwerdeführer komme Rechtsirrtum zugute, die Voraussetzungen des § 21 VStG lägen vor.

Als Beweis zum Vorbringen (nach dem Zusammenhang betreffend die Bezeichnung des Tatortes) wurden zwei Grundbuchsauszüge und ein Katasterauszug vorgelegt und die Durchführung eines Lokalaugenscheines beantragt.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde (ohne Durchführung einer Verhandlung) die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG dem Grunde nach abgewiesen, hingegen die verhängten Strafen auf je EUR 150,-- und dementsprechend die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz herabgesetzt.

Zur Begründung führte sie aus, dass zwischen den verfahrensgegenständlichen Werbeträgern und einer Schaufenstergestaltung (auf die Bezug genommen wurde) ein substantieller Unterschied bestehe, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem zum Beseitigungsauftrag betreffend die verfahrensgegenständlichen Werbeträger getroffenen Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0274, dargelegt habe. Ebenso habe er es für zutreffend gehalten, dass durch das mit den im Akt befindlichen Lichtbildern dokumentierte Aussehen der Werbeträger das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes betroffen sei. Es sei daher für den Standpunkt der Beschwerdeführer, wonach zuvor vom Vormieter anders gestaltete Folien angebracht worden seien, auch für den Fall, dass diese angezeigt und "bewilligt" gewesen seien, nichts zu gewinnen, zumal durch das Auswechseln und das Anbringen eines anders gestalteten Werbeträgers eine gegebenenfalls vorliegende Bewilligung untergegangen wäre. Der Einwand, durch die Verwendung des Begriffes "Werbeanlage" sei die Tatumschreibung mangelhaft, treffe nicht zu. Es stehe unzweifelhaft fest, worum es sich dabei handle. Auf Grund der im Akt befindlichen Lichtbilder und der näheren Beschreibung "in der Oberlichte über den Geschäftseingang bzw. der Geschäftsauslage" stehe die Identität eindeutig fest und es seien die Beschwerdeführer dadurch weder in ihren Verteidigungsrechten beeinträchtigt, noch bestehe die Gefahr einer Doppelbestrafung. Dies treffe auch auf die von den Beschwerdeführern als zu unbestimmt gerügte Tatortbezeichnung zu.

Eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG betreffend eine Ermahnung komme nur dann in Frage, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig sei. Dies sei nur dann der Fall, wenn das tatbildmäßige Verhalten hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibe. Dafür gebe es im Beschwerdefall keine Anhaltspunkte (vorangestellt sind nähere Erwägungen zur Strafbemessung).

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist zeitraumbezogen das Steiermärkische Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), in der Fassung LGBl. Nr. 88/2008 anzuwenden.

Gemäß § 20 Z. 3 ist, soweit hier erheblich, anzeigepflichtig

"3. Die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von

a) Werbe- und Ankündigungseinrichtungen (Tafeln, Schaukästen, sonstige Vorrichtungen und Gegenstände, an denen Werbungen und Ankündigungen angebracht werden können, Bezeichnungen, Beschriftungen, Hinweise u.dgl.);"

Nach § 118 Abs. 2 Z. 2 Stmk. BauG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu EUR 7.267,-- zu betrafen, wer (soweit hier erheblich) Vorhaben gemäß § 20 ohne die erforderliche Genehmigung ausführt.

Vorgeworfen wird im Beschwerdefall das Anbringen dieser Werbeanlagen im Ausmaß von je 1,6 m x 1,0 m in den Oberlichten. Worum es dabei geht, ist durch die Lichtbilder im Akt eindeutig dokumentiert. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, dass der Tatvorwurf diesbezüglich zu unbestimmt sei.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer war das Anbringen dieser Werbeträger (Folien) anzeigepflichtig im Sinne des § 20 Z 3 lit. a Stmk. BauG. Es trifft nicht zu, dass diese Norm nur freistehende Objekte oder besondere bauliche Anlagen erfasse. Vielmehr betrifft sie gemäß ihrem maßgeblichen Wortlaut auch Maßnahmen, die rechtlich nicht als bauliche Anlagen zu qualifizieren sind und nicht etwa nur "freistehende Einrichtungen" (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/06/0113).

Im Beschwerdefall ist eine erschöpfende Untersuchung, welche denkbaren Werbemaßnahmen nun anzeigepflichtig im Sinne des § 20 Z 3 lit. a Stmk. BauG sind oder nicht, nicht vorzunehmen; es besteht auch, wie schon im hg. Erkenntnis vom Zl. 2010/06/0274, dargelegt wurde, ein substantieller Unterschied zwischen diesen Werbeträgern und einer Schaufenstergestaltung. Die Beurteilung der Behörden des Verwaltungsstrafverfahrens, dass diese konkreten Werbeträger (auf Grund ihres Aussehens und ihrer Dimension) anzeigepflichtig im zuvor genannten Sinn waren, trifft zu. Ob nun die früher (nach den Lichtbildern anders aussehenden) in den Oberlichten angebrachten Werbeträger rechtmäßig bestanden oder nicht, kann dahingestellt bleiben, weil diese nicht mehr bestehen und durch die hier gegenständlichen, neuen ersetzt wurden (siehe das von der Behörde erster Instanz zutreffend genannte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0001).

Berechtigt hingegen ist der Einwand betreffend der unzutreffenden Tatortumschreibung, diese lautete auf "die Gebäude" (Mehrzahl) A-Straße 3 und 5, Gst. Nr. 44, KG Z.. Die mit der Berufung vorgelegten Unterlagen deuten darauf hin, dass es sich hier um zwei zusammengebaute Gebäude handelt, nämlich Nr. 3 und Nr. 5, die auf unterschiedlichen Grundstücken stehen, die überdies jeweils einen gesonderten Grundbuchskörper (eine eigene Einlagezahl) bilden: Demnach befände sich das Haus Nr. 3 auf dem Grundstück Nr. 44, EZ X, das Haus Nr. 5 auf dem angrenzenden Grundstück Nr. 40, EZ Y. Die belangte Behörde wäre daher verhalten gewesen, zu klären, ob sich der Tatort auf dem Grundstück Nr. 44 befindet, wie ausdrücklich vorgeworfen, oder auf dem Grundstück Nr. 40. Angesichts dessen, dass der Tatort ausdrücklich mit dem Grundstück Nr. 44 bezeichnet wurde, kann dem auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, wie dies die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid getan hat, es sei auf Grund der Lichtbilder ohnedies klar, wo sich der Tatort befinde. Befände sich das Geschäftslokal mit diesen Oberlichten nicht auf dem Grundstück Nr. 44, sondern auf dem Grundstück Nr. 40, wäre der Tatvorwurf unrichtig. Dem kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass im Beseitigungsauftrag (ebenfalls) das Grundstück Nr. 44 genannt wurde (wobei hiezu ergänzend zu bemerken ist, dass diese Frage - Bezeichnung des Grundstückes - in dem an den Verwaltungsgerichtshof herangetragenen Abbruchverfahren nicht thematisiert wurde).

Dadurch, dass die belangte Behörde verkannte, dass die nähere Aufklärung des Tatortes erforderlich war, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am