VwGH vom 06.07.2006, 2006/15/0189
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
2006/15/0190
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerden der I in B, vertreten durch Mag. Michael Rettenwander, Rechtsanwalt in 5760 Saalfelden, Mittergasse 9, gegen die Bescheide des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, 1. vom , GZ RV/0435-S/03 (hg. Zl. 2006/15/0189), betreffend Pfändungsgebühren und Auslagenersätze, und 2. vom , GZ RV/0438-S/05 (hg. Zl. 2006/15/0190), betreffend Einwendungen gemäß § 12 AbgEO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus den Beschwerden und den angefochtenen Bescheiden ergibt sich folgender Sachverhalt:
Erstangefochtener Bescheid:
Mit Bescheid des Finanzamtes vom wurden der Beschwerdeführerin gemäß § 26 AbgEO die Kosten des Vollstreckungsverfahrens (Lohnpfändung vom ) in Höhe von 17,60 Euro (Pfändungsgebühr von 11 Euro samt Barauslagen) vorgeschrieben.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde eingewendet, der Bescheid über die Pfändung und Überweisung einer Geldforderung vom sei nicht in Rechtskraft erwachsen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Nach Wiedergabe des § 26 AbgEO verwies die belangte Behörde darauf, dass der dem Vollstreckungsverfahren zu Grunde liegende Pfändungsbescheid vom nicht angefochten worden sei. Die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Abweisung von gemäß § 12 AbgEO gegen den Anspruch erhobenen Einwendungen habe die belangte Behörde mit Berufungsentscheidung vom , GV RV/0438-S/05, als unbegründet abgewiesen. Die Behauptung, dem Pfändungsbescheid komme keine Rechtskraft zu, sei somit unbegründet. Die Vollstreckungsgebühren und Auslagenersätze seien daher zu Recht vorgeschrieben worden.
Zweitangefochtener Bescheid:
Nachdem das Finanzamt den Pfändungsbescheid vom erlassen hatte, erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom gestützt auf § 12 AbgEO Einwendungen. Sie führte aus, dass sie nach dem Entstehen des Exekutionstitels am Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben habe, wodurch in Bezug auf den geltend gemachten Anspruch hemmende Wirkung eingetreten sei. Es werde daher beantragt, die Vollstreckung einzustellen.
Das Finanzamt erließ einen Abweisungsbescheid, in welchem es ausführte, dass der Antrag, einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, keine den Anspruch aufhebende oder hemmende Tatsache iSd § 12 AbgEO darstelle. Erst die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verwaltungsgerichtshof löse hemmende Wirkung aus und würde von Amts wegen die Exekution aufschieben. Bislang habe aber der Verwaltungsgerichtshof aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt. Eine Berichtigung des Exekutionstitels nach § 15 AbgEO habe nicht zu erfolgen, da der Rückstandsausweis zu Recht ausgestellt worden sei.
In ihrer Berufung gegen den Abweisungsbescheid führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie beim Bezirksgericht Zell am See Klage (gegen die Republik Österreich) erhoben habe und das Verfahren deshalb in die Kompetenz des Gerichts übergegangen sei.
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Gemäß § 12 Abs 1 AbgEO könnten im Zuge des finanzbehördlichen Vollstreckungsverfahrens nur insofern Einwendungen gegen den Anspruch erhoben werden, als diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhten, die erst nach Entstehen des diesem Verfahren zu Grunde liegenden Exekutionstitels eingetreten seien. Dem Pfändungsbescheid vom lägen Abgaben in Höhe von 1.117,60 Euro (Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro, Kosten von 100 Euro und Gebühren sowie Barauslagen von 17,60 Euro) zu Grunde. Ein Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes über die Zuerkennung aufschiebender Wirkung liege nicht vor. Der beim Verwaltungsgerichtshof gestellte Antrag, einer Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, stelle für sich noch keine Einwendung iSd § 12 AbgEO dar. Es liege auch nicht der Fall einer irrtümlich bzw rechtswidrig erteilten Vollstreckbarkeitsbestätigung vor.
Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Einwendung, dass wegen der im Pfändungsbescheid angeführten Abgaben Klage beim Bezirksgericht Zell am See eingereicht worden sei, könne ebenfalls nicht zur Aufschiebung oder Einstellung der Vollstreckung führen, da Zivilgerichte für im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren verhängte Geldstrafen nicht zuständig seien. Verwiesen werde auf § 172 FinStrG, nach welcher Bestimmung für die Erhebung, Sicherung und Einbringung von Geldstrafen, soweit das FinStrG nichts anderes bestimme, die BAO und die AbgEO anzuwenden seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über sie in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Erstangefochtener Bescheid:
§ 26 Abs 1 bis 3 AbgEO lautet:
"(1) Der Abgabenschuldner hat für Amtshandlungen des Vollstreckungsverfahrens nachstehende Gebühren zu entrichten:
a) Die Pfändungsgebühr anlässlich einer Pfändung im Ausmaß von 1% vom einzubringenden Abgabenbetrag; wird jedoch an Stelle einer Pfändung lediglich Bargeld abgenommen, dann nur 1% vom abgenommenen Geldbetrag.
b) Die Versteigerungsgebühr anlässlich einer Versteigerung (eines Verkaufes) im Ausmaß von 1 1/2% vom einzubringenden Abgabenbetrag. Das Mindestmaß dieser Gebühren beträgt 7,20 Euro.
(2) Die im Abs. 1 genannten Gebühren sind auch dann zu entrichten, wenn die Amtshandlung erfolglos verlief oder nur deshalb unterblieb, weil der Abgabenschuldner die Schuld erst unmittelbar vor Beginn der Amtshandlung an den Vollstrecker bezahlt hat.
(3) Außer den gemäß Abs. 1 zu entrichtenden Gebühren hat der Abgabenschuldner auch die durch die Vollstreckungsmaßnahmen verursachten Barauslagen zu ersetzen. Zu diesen zählen auch die Entlohnung der bei der Durchführung des Vollstreckungsverfahrens verwendeten Hilfspersonen, wie Schätzleute und Verwahrer, ferner bei Durchführung der Versteigerung in einer öffentlichen Versteigerungsanstalt (§ 43 Abs. 2) die dieser Anstalt zukommenden Gebühren und Kostenersätze."
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den erstangefochtenen Bescheid im Recht auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO verletzt. Der Bescheid über die Pfändung und Überweisung einer Geldforderung vom sei nicht in Rechtskraft erwachsen. Zwar sei davon auszugehen, dass die beantragte aufschiebende Wirkung "anlässlich einer Beschwerde an den VwGH" (offenkundig meint die Beschwerdeführerin damit die unter der hg Zl 2003/15/0037 genannte Beschwerde) keine Einwendung iSd § 12 AbgEO darstelle, die zu einer Aussetzung der Einhebung führen könne, dennoch sei die Beschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt.
Die Beschwerde enthält sodann die in den nachstehenden Absätzen wiedergegebenen Ausführungen, die wörtlich auch in den unter den hg Zlen 2006/15/0190 bis 0195 protokollierten Beschwerden der Beschwerdeführerin gegen Bescheide derselben belangten Behörde enthalten und in den über jene Beschwerden ergangenen Erkenntnissen mit Bezugnahme auf die gegenständliche Beschwerde als "Textbaustein" bezeichnet werden:
Die "Hauptschuld" sei nicht gültig entstanden. Hiezu verweise die Beschwerdeführerin auf die von ihr am beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom , GV/558/1- 5/02; durch diese Beschwerde sei hemmende Wirkung eingetreten (Hinweis: die Beschwerde ist unter der hg Zl 2003/15/0037 protokolliert gewesen; der Verwaltungsgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom , 2003/15/0037, eingestellt, nachdem die Beschwerdeführerin einem Mängelbehebungsauftrag nicht nachgekommen war).
Weiters seien folgende vier Punkte zu beachten:
"Erstens": Die belangte Behörde habe mit Berufungsentscheidung vom , GZ RV/0253-S/02, der Berufung der L-GmbH gegen den Bescheid des Finanzamtes betreffend Körperschaftsteuer 1996 keine Folge gegeben, sodass der im Konkurs über das Vermögen der L-GmbH bestellte Masseverwalter am gegen diese Berufungsentscheidung Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (protokolliert unter der hg Zl 2004/15/0033) erhoben habe.
"Zweitens": Das Finanzamt habe anlässlich der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der L-GmbH unrichtig den Betrag von ca 2,3 Mio S als Forderung angemeldet. Der Masseverwalter der L-GmbH habe die Forderung bestritten. Das Abgabenkonto der L-GmbH sei noch im Juli 1999 ausgeglichen gewesen. Am habe die Abgabenschuld der L-GmbH 874.893 S betragen; "dieser Saldo" sei am ausgeglichen worden.
"Drittens": Der Amtsbeauftragte des Finanzamtes habe am vor dem Spruchsenat beim Finanzamt Salzburg-Stadt behauptet, dass die vom Masseverwalter der L-GmbH bestrittenen Forderungsanmeldungen berichtigt und sodann vom Masseverwalter anerkannt worden seien. Diese Aussage des Amtsbeauftragten vor Gericht habe zu einer finanzstrafrechtlichen Verurteilung der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin (Strafe in Höhe von 1000 Euro) und sodann zu Begründungen einer Haftung (für Abgaben) geführt. Der Amtsbeauftragte habe "aus einer vorliegenden Finanzordnungswidrigkeit wie diese in §§ 49 bis 51 FinStrG festgelegt ist, das Vorliegen eines Finanzvergehens behauptet". Darin liege eine unrichtige Rechtsauslegung, welche die Haftpflicht begründe.
Das 130s 182/81, ua, münde in den Rechtssatz, dass die vorsätzliche Nichteinreichung einer Abgabenerklärung subsidiär auch als Finanzordnungswidrigkeit iSd § 51 Abs 1 lit a FinStrG strafbar sei. Ansonsten komme aber einer verschuldeten Fristenüberschreitung in Abgabensachen keine finanzstrafrechtliche Konsequenz zu. Der Amtsbeauftragte des Finanzamtes ziehe sich auf Seite 6 Abs 2 seiner Berufungsvorentscheidung vom darauf zurück, dass die Geltendmachung der Haftung eine Ermessensentscheidung sei.
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin könne schon begrifflich eine offenbare Gesetzwidrigkeit einer Ermessensentscheidung nicht zu Grunde liegen. Die Nichtbeachtung der Ermessenskriterien verletze das Gesetz. Bei Prüfung des Ermessens werde die missbräuchliche Ermessensübung offenkundig. "In Subsumierung der Angaben des Amtsbeauftragten am vor dem Spruchsenat" beim Finanzamt S sei davon auszugehen, dass der Amtsbeauftragte nicht gesetzeskonform vorgegangen sei.
"Viertens": Im Verfahren vor dem Spruchsenat beim Finanzamt S sei der Beschwerdeführerin das Parteiengehör verweigert worden; es seien die beantragten Zeugen nicht geladen worden; weiters sei auch der anwesende Parteienvertreter nicht gehört worden.
"Abschließend": Bei Berichtigung der Veranlagung der Körperschaftsteuer 1996/97 der L-GmbH sei auch die Geltendmachung von Verlustvorträgen zu berücksichtigen. Dies habe zur Folge, dass die angenommene Steuerschuld nicht bestehe. Die Haftung nach § 9 BAO sei subsidiär und akzessorisch. Eine Person könne nur dann zur Haftung herangezogen werden, wenn der Hauptschuldner seiner Verbindlichkeit nicht nachkomme. Wenn die Hauptschuld nicht gültig entstanden sei, sei auch eine Haftung für diese nicht denkbar.
Auf das Beschwerdevorbringen ist Folgendes zu erwidern:
Zutreffend verweist die Beschwerdeführerin darauf, dass der Umstand der Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen einen Bescheid betreffend Finanzvergehen für sich keine Einwendung iSd § 12 AbgEO darstellt. Zudem ist zu beachten, dass ein Bescheid nach § 26 AbgEO die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Recht auf Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO verletzt.
Im Übrigen ist zu sagen: Das zum Teil schwer verständliche weitere Vorbringen der Beschwerde ("Textbaustein") bezieht sich auf ein die Beschwerdeführerin betreffendes verwaltungsbehördliches Finanzstrafverfahren, ein Verfahren betreffend Körperschaftsteuer für 1996 der L-GmbH und Verfahren betreffend die Heranziehung der Beschwerdeführerin zur Haftung für Abgaben Dritter. Die Rechtswidrigkeit der hier angefochtenen Bescheide vermag es nicht darzutun.
2. Zweitangefochtener Bescheid:
§ 12 Abs 1 AbgEO lautet:
"Gegen den Anspruch können im Zuge des finanzbehördlichen Vollstreckungsverfahrens nur insofern Einwendungen erhoben werden, als diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zugrunde liegenden Exekutionstitels eingetreten sind."
§ 15 Abs 2 AbgEO lautet:
"Eine gesetzwidrig oder irrtümlich erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit ist vom Finanzamt, das den Exekutionstitel ausgestellt hat, von Amts wegen oder auf Antrag des Abgabenschuldners aufzuheben. Mit diesem Antrag kann der Antrag auf Einstellung oder Aufschiebung der Vollstreckung verbunden werden."
Die Beschwerdeführerin erachtet sich als im Recht auf Einstellung der Vollstreckung nach § 15 Abs 2 iVm § 12 Abs 1 AbgEO verletzt.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, das Beantragen einer aufschiebenden Wirkung anlässlich einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof stelle noch keine Einwendung iSd § 12 AbgEO dar, die zu einer Aufschiebung oder Einstellung des Vollstreckungsverfahrens führen könne. Dennoch erachte sich die Beschwerdeführerin durch das Vorgehen der Behörde in subjektiven Rechten verletzt.
Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, dass das Einbringen eines Antrages, einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde iSd § 30 Abs 2 VwGG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, keine Einwendung iSd § 12 AbgEO darstellt. Da die Beschwerde auch keine anderen, im Vollstreckungsverfahren erhobenen Einwendungen iSd § 12 AbgEO anführt, vermag sie die Rechtswidrigkeit des zweitangefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Die Beschwerde enthält auch keinen Hinweis auf eine gesetzwidrig oder irrtümlich erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit iSd § 15 Abs 2 AbgEO.
Auch die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid enthält das oben in Zusammenhang mit der Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid als "Textbaustein" bezeichnete Vorbringen. Diese Ausführungen vermögen aber ebenfalls nicht eine Rechtswidrigkeit des zweitangefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid wie auch der Inhalt der Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid erkennen lassen, dass die von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am