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VwGH vom 22.09.2009, 2008/22/0659

VwGH vom 22.09.2009, 2008/22/0659

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2008/21/0041 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der S, vertreten durch Mag. Nikolaus Reisner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 317.030/2- III/4/07, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer serbischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem mazedonischen Ehemann gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin am die Ehe geschlossen habe und auch für ihre Tochter, geboren im Jahr 1988, ein Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" eingebracht worden sei. Ihr Ehemann verfüge über einen Niederlassungsnachweis. Dieser beziehe eine Alterspension in der Höhe von EUR 630,17. Nach dem Richtsatz gemäß § 293 ASVG müsste jedoch einem Ehepaar, das im gemeinsamen Haushalt lebt, ein Betrag von EUR 1.091,14 zur Verfügung stehen; für die volljährige Tochter wären EUR 726,-- hinzuzurechnen. Der Mietzins von etwa EUR 70,-- monatlich werde nicht berücksichtigt, weil dieser niedriger sei als der Wert der freien Station, der in § 293 ASVG enthalten sei.

Insgesamt müsste somit der Ehemann der Beschwerdeführerin über monatliche Einkünfte von mindestens EUR 1.817,14 verfügen. Da das Einkommen jedoch zu gering sei, müsse die Behörde von der Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung Abstand nehmen.

Es seien zwar Kopien von Sparbüchern mit Guthaben von EUR 10.000,-- und EUR 13.169,92 vorgelegt worden, bei diesen Sparbüchern handle es sich jedoch weder um feste noch um regelmäßige Einkünfte.

In der weiteren Bescheidbegründung zitierte die belangte Behörde das Berufungsvorbringen hinsichtlich des Vorliegens humanitärer Gründe sowie den Inhalt des § 11 Abs. 3 NAG und meinte letztlich, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen "absolute Priorität" einzuräumen sei, weil die Beschwerdeführerin der Behörde keinen Nachweis über die Sicherung des Lebensunterhaltes erbracht habe.

Letztlich meinte die belangte Behörde, dass nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorhandene Unterhaltsmittel nur dann ausreichend seien, "wenn der Behörde kein konkreter Umstand erkennbar ist, aus dem sich in absehbarer Zukunft, über die Gültigkeitsdauer der Erstniederlassungsbewilligung hinaus, die Notwendigkeit einer Aufenthaltsbeendigung, mangels ausreichender eigener Unterhaltsmittel, ergeben könnte".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

I. Die belangte Behörde ging zutreffend davon aus, dass sie für die Prüfung ausreichender Unterhaltsmittel den Familienrichtsatz des § 293 ASVG heranzuziehen habe, wenn - wie hier - ein Zusammenleben im gemeinsamen Haushalt geplant ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0711).

Bemerkt sei, dass der - nach der Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 zu prüfende - angefochtene Bescheid erst im Jänner 2008 zugestellt wurde und somit bezogen auf diesen maßgeblichen Zeitpunkt die ab geltenden Richtsätze heranzuziehen wären.

II. Der angefochtene Bescheid steht in mehrfacher Weise mit dem Gesetz nicht in Einklang:

1. Die belangte Behörde hat den beantragten Aufenthaltstitel allein deswegen versagt, weil die Voraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG, wonach der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen dürfe, nicht gegeben sei. Gemäß § 11 Abs. 5 NAG führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 ASVG entsprechen.

Der Unterhalt muss für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert sein, wobei diese Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen dürfen. Der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel kommt jedoch entgegen der Ansicht der belangten Behörde auch durch Spareinlagen in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/22/0391).

Der beantragte Aufenthaltstitel wäre gemäß § 20 Abs. 1 NAG für die Dauer von zwölf Monaten auszustellen. Wenn nun nach der behördlichen Ansicht einem monatlichen Durchschnittseinkommen von EUR 630,17 ein Bedarf von EUR 1.817,14 gegenübersteht, so ist diese Differenz hochgerechnet auf ein Jahr durch die vorhandenen Sparbücher mit einem Guthaben von insgesamt EUR 23.169,92 bei weitem gedeckt. Somit hätte die belangte Behörde schon ausgehend von ihrer eigenen Berechnung ausreichende Unterhaltsmittel nicht verneinen dürfen.

2. Dazu kommt, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin als Pensionist ohnedies gemäß § 292 Abs. 1 ASVG Anspruch auf die Ausgleichszulage hat, wie dies aus der vorgelegten Pensionsbestätigung auch hervorgeht. Wenn nun aus fremdenrechtlicher Sicht zur Prüfung ausreichender Unterhaltsmittel auf den Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 ASVG ausdrücklich abgestellt wird, so kann die Berücksichtigung dieser Richtsätze - solange sich die Familienverhältnisse mit den in § 293 ASVG angesprochenen Angehörigen decken - nicht dazu führen, ein ausreichendes Einkommen eines Pensionsempfängers zu verneinen, hat dieser doch einen gesetzlichen Anspruch auf Leistungen in der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass für die Berechnung ausreichender Unterhaltsmittel jenes Pensionseinkommen maßgeblich ist, das dann erzielt wird, wenn der Familiennachzug vollzogen wird. Erst für diesen Zeitpunkt ist ein Familieneinkommen in Höhe des Familienrichtsatzes zu fordern, worauf der Pensionsberechtigte dann aber auch einen gesetzlichen Anspruch hat.

Zur Klarstellung sei bemerkt, dass die Ausgleichszulage keine "Sozialhilfeleistung der Gebietskörperschaft" im Sinn des § 11 Abs. 5 NAG ist. Deren Inanspruchnahme stellt sohin keine finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft im Sinn des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG dar.

Nach dem zu Punkt 1. Gesagten kann im vorliegenden Fall dahinstehen, welchen Einfluss der bei der erstinstanzlichen Behörde eingebrachte Antrag der volljährigen Tochter der Beschwerdeführerin hat.

3. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist der "Wert der freien Station" nicht zu berücksichtigen (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis 2008/22/0711).

4. Die belangte Behörde zitiert § 11 Abs. 3 NAG, demzufolge ein Aufenthaltstitel trotz des Fehlens einer Voraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 bis 6 leg. cit. erteilt werden kann, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten ist. In der Folge führt sie jedoch mit der Begründung der mangelnden Sicherung des Lebensunterhaltes aus, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen "absolute Priorität" einzuräumen sei. Diese Begründung würde dazu führen, dass bei fehlenden Unterhaltsmitteln die Interessenabwägung niemals zu Gunsten des Fremden ausgehen könne. Dass diese Rechtsmeinung mit dem Gesetz nicht in Einklang steht, bedarf keiner weiteren Erklärung.

5. Letztlich ist nicht nachvollziehbar, was die belangte Behörde aus der von ihr zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ableitet. Gemeint ist offenbar, dass vorhandene Unterhaltsmittel dann nicht ausreichen könnten, wenn ein konkreter Umstand erkennbar ist, dass der Fremde über die Gültigkeitsdauer der Niederlassungsbewilligung (für die Mittel vorhanden sind) hinaus im Inland bleiben (und daher eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erforderlich sein) werde. Nach Zitierung dieser Ansicht unterlässt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid jedoch jegliche weitere Begründung, ob nun im konkreten Fall tatsächlich ein solcher Umstand zu erkennen sei.

Erst dann ergäbe dieses Zitat aber einen Sinn.

III. Wegen des bereits zu II.1. aufgezeigten Rechtsirrtums

war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der

VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am